Medical Gaslighting

Medical Gaslighting bezeichnet ein Verhalten im medizinischen Kontext, bei dem die Beschwerden von Patient*innen heruntergespielt, ignoriert oder als psychosomatisch abgetan werden, obwohl reale körperliche Symptome vorliegen. Dabei wird den Betroffenen indirekt vermittelt, dass ihre Wahrnehmung nicht verlässlich sei, was zu Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und verzögerter medizinischer Hilfe führen kann. Dies kann zu einer erheblichen psychischen Belastung bei den Betroffenen führen und ihre Fähigkeit, eigene Urteile zu fällen, stark beeinträchtigen. Der Begriff „Gaslighting“ stammt ursprünglich aus dem Film „Gaslight“ von 1944, in dem ein Ehemann seine Frau psychologisch manipuliert, um sie an ihrem eigenen Verstand zweifeln zu lassen. Die Übertragung auf den medizinischen Kontext beschreibt eine ähnliche Dynamik, in der das Machtgefälle zwischen Ärztinnen und Patientinnen ausgenutzt wird.

Oft äußert sich Medical Gaslighting in Sätzen wie „Das ist nur der Stress“, „Die Schmerzen gehören zum Frausein dazu“ oder „Das bilden Sie sich nur ein“. Patientinnen, die solche Erfahrungen machen, fühlen sich nicht ernst genommen, unverstanden und in ihrer Wahrnehmung der eigenen Gesundheit diskreditiert. Dies kann dazu führen, dass sie an ihren eigenen Beschwerden zweifeln und sich fragen, ob sie überreagieren oder sich die Symptome tatsächlich nur einbilden. Die Gründe für Medical Gaslighting können vielfältig sein. Manchmal liegt es an einem Mangel an Wissen oder Verständnis für bestimmte Krankheitsbilder, insbesondere bei seltenen Erkrankungen oder solchen mit unspezifischen Symptomen. Auch der Zeitdruck im Gesundheitssystem, mangelnde Kommunikation und hierarchische Strukturen können dazu beitragen, dass die Anliegen der Patientinnen nicht ausreichend gewürdigt werden. Es kann auch vorkommen, dass unbewusste Vorurteile gegenüber bestimmten Patientengruppen, wie Frauen, People of Color, LGBTQ+-Personen, älteren Erwachsenen oder Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen, eine Rolle spielen. Besonders Frauen sind häufig von Medical Gaslighting betroffen, da ihre Symptome in der medizinischen Forschung historisch unterrepräsentiert sind und Schmerzen oder Beschwerden oft schneller auf psychische Ursachen geschoben werden. Studien zeigen, dass etwa Frauen häufiger als Männer erleben, dass ihre Schmerzen nicht ernst genommen oder ausschließlich psychologisiert werden, was zu Fehldiagnosen oder Behandlungsverzögerungen führt (Samulowitz et al., 2018). Manche Strukturen im Gesundheitssystem können dazu führen, dass Beschwerden marginalisierter Gruppen nicht angemessen behandelt werden (Hoffman et al., 2016). Die Auswirkungen reichen von chronischer Frustration über gesundheitliche Risiken bis hin zum vollständigen Verlust des Vertrauens in medizinisches Personal.

Die Auswirkungen von Medical Gaslighting sind gravierend. Einerseits kommt es zu einer Verzögerung oder einem vollständigen Ausbleiben der richtigen Diagnose und somit einer angemessenen Behandlung. Dies kann eine Verschlechterung des Gesundheitszustands zur Folge haben. Andererseits sind die psychischen Konsequenzen erheblich: Betroffene leiden oft unter Stress, Verunsicherung, Selbstzweifeln, Frustration und einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in das Gesundheitssystem. Sie können Angst vor Arztbesuchen entwickeln und dadurch wichtige Vorsorgeuntersuchungen meiden. Dies kann die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung negativ beeinflussen und zu unnötigen Kosten im Gesundheitssystem führen, da Fehldiagnosen und ineffektive Behandlungen die Regelversorgung belasten. Es ist wichtig zu betonen, dass Medical Gaslighting nicht immer absichtlich geschieht. Oft handelt es sich um unbewusste Verhaltensweisen oder strukturelle Probleme im Gesundheitssystem. Dennoch sind die Auswirkungen für die Betroffenen real und schwerwiegend. Für Patientinnen ist es entscheidend, sich ihrer eigenen Wahrnehmung zu vertrauen und beharrlich für ihre Gesundheit einzustehen.

Der Begriff „Medical Gaslighting“ ist zwar populärwissenschaftlich geprägt, beschreibt aber ein real beobachtbares Phänomen, das sowohl strukturell als auch individuell tief im medizinischen Alltag verankert ist.

Literatur

Apotheken Umschau. (2025, 19. Februar). Medical Gaslighting: Wenn Ärzte Symptome nicht ernst nehmen. https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/medical-gaslighting-was-tun-wenn-aerzte-beschwerden-herunterspielen-symptome-nicht-ernst-nehmen-1226907.html (Abgerufen am 25. Juni 2025).
Hoffman, K. M., Trawalter, S., Axt, J. R., & Oliver, M. N. (2016). Racial bias in pain assessment and treatment recommendations, and false beliefs about biological differences between blacks and whites. Proceedings of the National Academy of Sciences, 113(16), 4296–4301.
frauenseiten bremen. (2024, 17. Oktober). Was ist eigentlich… Medical Gaslighting?. https://frauenseiten.bremen.de/blog/was-ist-eigentlich-medical-gaslighting/ (Abgerufen am 25. Juni 2025).
Samulowitz, A., Gremyr, I., Eriksson, E., & Hensing, G. (2018). “Brave Men” and “Emotional Women”: A Theory-Guided Literature Review on Gender Bias in Health Care and How to Handle It. International Journal for Equity in Health, 17(1), 152.


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