Adultismus

Adultismus ist ein soziologischer Begriff, der eine Form der Diskriminierung und Machtausübung von Erwachsenen gegenüber Kindern und Jugendlichen beschreibt. Ganz allgemein bezeichnet der Begriff Vorurteile gegenüber einer Person oder einer Personengruppe aus Gründen des geringeren Alters, aber auch Strukturen, die eine Diskriminierung jüngerer Menschen produzieren und aufrechterhalten. Adultismus ist eine Form von Ageismus. Das Konzept des Adultismus hat tiefe Wurzeln in der Gesellschaft und kann in vielen Aspekten des Zusammenlebens beobachtet werden. Adultismus bezeichnet meist eine systematische Benachteiligung und Unterdrückung junger Menschen aufgrund ihres Alters, wobei es um die oft unhinterfragte Annahme geht, dass Erwachsene Kindern und Jugendlichen grundsätzlich überlegen sind und daher das Recht haben, über sie zu bestimmen. Dieser Machtanspruch spiegelt sich in gesellschaftlichen Strukturen, Gesetzen und Institutionen wider, die Kinder und Jugendliche oft nicht als vollwertige Menschen mit eigenen Rechten betrachten.

Adultismus zeigt sich in alltäglichen Situationen, wenn die Meinungen, Gefühle oder Bedürfnisse junger Menschen nicht ernst genommen oder abgetan werden, etwa wenn Kinder bei Familienentscheidungen übergangen werden, ihre Perspektiven in der Schule ignoriert werden oder ihre Fähigkeiten und Kompetenzen von Erwachsenen unterschätzt werden. Adultismus kann dabei das Selbstwertgefühl und die Entwicklung junger Menschen nachhaltig beeinflussen, sodass Kinder und Jugendliche eine Haltung der Unterwürfigkeit und Unsicherheit entwickeln, wenn ihre Stimme permanent ignoriert wird. Dies kann letztlich zu Konflikten zwischen den Generationen führen und den sozialen Zusammenhalt belasten.

So kann etwas falsch verstandene Partizipation Kinder schon in der Kindertagesstätte bzw. im Kindergarten überfordern. Erziehung zur Selbstständigkeit macht Kinder zwar von Jahr zu Jahr urteilsfähiger und handlungskompetenter, doch falsch verstandene Partizipation zeigt sich etwa dann, wenn man von Kindern Entscheidungen abverlangt, ohne ihr Alter zu berücksichtigen, Alltagsroutinen wie das Essen, den Toilettengang oder Schlafenszeiten immer wieder neu aushandelt oder Aktivitäten mit Fragen nach Befindlichkeiten zerredet. Erwachsene ordnen sich Kindern dann unter, werten ihren Wissensvorsprung als Adultismus ab, letztendlich überfordern sie Kinder mit Verantwortung. Durch übertriebene Partizipation werden Kinder nicht gestärkt, sondern verwöhnt. Dieser Erziehungsstil führt langfristig zu Selbstüberschätzung, problematischem Sozialverhalten und niedriger Leistungsfähigkeit.
Kinder sollten daher in Abhängigkeit von ihrer Urteilsfähigkeit an Entscheidungen beteiligt werden. Die Orientierung an den Interessen von Kindern sollte aber nie dazu führen, dass pädagogische Fachkräfte fachlich begründete Entscheidungen zum Wohle des Kindes nicht umsetzen. Die haltgebende Autorität von pädagogischen Fachkräften gegenüber Kindern muss als bedeutsam für die kindliche Entwicklung gewürdigt werden.

Ein wichtiger Schritt zur Überwindung von Adultismus ist die Bewusstmachung dieser oft unbewussten Haltungen und Verhaltensweisen, etwa die Rechte und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen anzuerkennen und ihnen Möglichkeiten zur Partizipation und Mitbestimmung zu eröffnen. Eine respektvolle, wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe kann den Dialog und das gegenseitige Verständnis fördern. Es geht also darum, ein gleichberechtigteres Verhältnis zwischen Erwachsenen und jungen Menschen zu schaffen und die Rechte und Würde von Kindern und Jugendlichen in allen Lebensbereichen umfassend zu respektieren. Dies erfordert Sensibilität, Reflexion und Veränderungsbereitschaft auf individueller, struktureller und gesellschaftlicher Ebene.

Anmerkung: Der Begriff „Adultismus“ hat eine komplexe Entstehungsgeschichte, wobei der Begriff  erstmals in den 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten auftauchte. Oft wird der amerikanische Psychologe Jack Flasher als einer der Ersten genannt, der den Begriff in einem akademischen Kontext verwendete. Er veröffentlichte 1978 einen Artikel mit dem Titel „Adultism: Ideology of Oppression of Young People“ in der Zeitschrift „Freeing the Young“, in dem es hieß, Adultismus sei „the oppression experienced by children and young people at the hands of adults and adult-produced/adult-tailored systems“. Der Begriff entwickelte sich übrigens parallel zur feministischen Bewegung und anderen Bürgerrechtsbewegungen, die verschiedene Formen der Unterdrückung thematisierten. Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff später eingeführt und gewann erst in den letzten Jahren an Bedeutung.

Literatur

Aufruf Kita-Kindeswohl-im-Blick (2024).
https://lmy.de/KXbJE, doi:10.13140/RG.2.2.12882.16323


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