Das Über-Ich oder Superego ist nach Ansicht der Psychoanalyse jener Teil der Persönlichkeit, der laut Freud die internalisierten Ideale und Normen repräsentiert, die Richtschnur für die Urteilsfähigkeit (Gewissen) liefert und Ziele für die Zukunft setzt. Für die Psychoanalyse ist das Über-Ich die dritte Instanz der Seele, die sich jedoch erst im Laufe des Lebens entwickelt und dann dem Es wie dem Ich gegenübertritt. Es entsteht gegen Ende der frühkindlichen Sexualentwicklung, nach der phallischen Phase, und im Zusammenhang mit der Ödipus-Situation.
Um diese Zeit werden die Gebote und Beispiele der Eltern verinnerlicht und wirken von da an als Gewissen, das die eigenen Handlungen auch dann überwacht, wenn niemand anders sie beobachten könnte. Insoweit vertritt das Über-Ich die Moral, wie sie schon die Eltern aus ihrer Religion und ihrer Schicht übernommen hatten. Aber anders, als es das Wort Gewissen vermuten lässt, weiß der Mensch nicht immer, was ihm sein Über-Ich gebietet, und warum es so urteilt.
Freuds Theorie des Über-Ich entspricht in vielen Zügen der Durkheimschen Theorie, der behauptet, dass gesellschaftliche Normen aufgrund bestimmter Mechanismen verinnerlicht werden, dabei in Konflikt mit der konstitutionellen Natur des Menschen geraten und diese in der Folge unterdrücken.
Da das Über-Ich nach dem Vorbild des elterlichen Verhaltens entstanden ist, enthält es die diese leitenden gesellschaftlichen Traditionen, Wertvorstellungen und Normen. Im Elterneinfluss wirkt jedoch nicht nur das Wesen der Eltern, sondern auch der durch sie fortgepflanzte Einfluss von Familientradition oder Volkstradition sowie die von ihnen vertretenen Anforderungen des jeweiligen Milieus. Gleichzeitig nimmt das Über-Ich im Laufe der individuellen Entwicklung Beiträge von späterer Fortsetzer und Ersatzpersonen der Eltern auf, etwa von Erziehern, öffentlichen Vorbildern aber auch in der Gesellschaft verehrte Ideale.
Freud beschreibt übrigens in der Arbeit „Das Ich und das Es“ in seiner erweiterten Strukturtheorie die Entstehung des Über-Ichs als äußerst komplexen Vorgang, wobei er auch seine älteren Konzepte insbesondere das des Ichideals aus seiner Narzissmustheorie zu integrieren versucht und diese erweitert und ausdifferenziert. Freud wollte diese Entwicklung an die ödipale Phase koppeln, was aber später angezweifelt wurde, sodass heute diesen Entwicklungen präödipal angesetzt werden.