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Hysteresis-Effekt

    Bourdieu (1987) bezeichnet mit dem Begriff des Hysteresis-Effekts die Stabilität des Habitus eines Menschen, und meint damit eine Form von Trägheit, die den Habitus dauerhaft stabilisiert. Der Habitus ist ein System von implizit oder explizit durch Lernen erworbenen Dispositionen. Bourdieu geht davon aus, dass habituelle Dispositionen über lange Zeit konstant bleiben, also auch noch, wenn sich die Umwelt des Akteurs oder auch das für den Habitus verantwortliche Feld schon längst verändert haben. Menschen verändern daher nicht plötzlich ihre Einstellungen und Werte, wenn sie auf Widerstand, auf neue Wissensordnungen oder alternative Praxismuster stoßen.

    Durch die langsame Anpassung des Habitus passen die gelernten Strukturen nicht mehr zur externen Struktur, sodass die subjektiven Bewertungsschemata nicht mehr im Einklang mit den externen Bewertungsschemata der Gruppe stehen. Vor allem Generationenkonflikte entwickeln sich aufgrund dieses Hysteresis-Effekts, wodurch der Habitus aufgrund seiner langsamen Veränderung als konservierender Faktor auf die Möglichkeiten des Handelns eines Individuums wirkt. Allerdings schützt diese konservative Eigenschaft den Habitus in Krisen davor, etwa einen Lebensentwurf zu schnell in Frage zu stellen.

    Die Anpassung des Habitus an objektive Strukturen vollzieht sich daher meist zeitverzögert und unbewusst und bedeutet eine allmähliche Veränderung der durch Lernen entstandenen Weltsicht eines Menschen. Diese Einstellung zu der Welt außerhalb des Individuums bezeichnet Bourdieu übrigens als Doxa, das die Koinzidenz zwischen objektiver Ordnung und den subjektiven Organisationsprinzipien bezeichnet. Wenn die herrschende Ordnung und der Habitus deckungsgleich sind, befindet sich die innere, habituell geprägte Wahrnehmung mit der äußeren Erfahrung und Passung der Praktiken in Einklang. In modernen, pluralistischen Gesellschaften gibt es allerdings eine Vielfalt von Wirklichkeitsvorstellungen (Heterodoxie), sodass diese Übereinstimmung kaum anzutreffen ist.

    Literatur

    Bohn, C. &  Hahn, A. (2007). Pierre Bourdieu (1930-2002). In Käsler, D. (Hrsg.), Von Talcott Parsons bis Anthony Giddens (S. 289–310). München: Beck.
    Bourdieu, Pierre (1976). Entwurf einer Theorie der Praxis. Auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    Bourdieu, Pierre (1987b. Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.


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