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Immersion

    Die nach Ansicht von Experten bei weitem effektivste Methode des Spracherwerbs ist die Immersionsmethode, wobei Immersion das Eintauchen in eine Sprache meint. Bei dieser Methode ist die neue Sprache die Arbeits- und Umgangssprache, wobei nach dem Prinzip “Eine Person – eine Sprache” ein Lehrender nur Deutsch spricht, der andere z.B. nur Spanisch. Alles, was der fremdsprachliche Lehrer sagt, verstärkt er allein durch Mimik, Gestik oder Zeigen aber niemals durch Übersetzung – er redete mit Händen und Füßen. Dem Kind erschließt sich damit die Sprache eigenständig Stück für Stück aus dem Zusammenhang der Situation, was die natürlichste Art bildet, wie Kinder Sprachen lernen, gleichgültig, ob als erste oder zweite Sprache. Immersion verfährt daher kindgerechter als jede andere Methode, denn sie macht von Anfang an Spaß, motiviert und kommt in der Regel ohne Leistungsdruck aus. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass sich mit der Immersion ein beträchtlich höheres Niveau in einer Fremdsprache erreichen lässt als mit traditionellem Unterricht. Dabei entwickeln sich Muttersprache und Sachinhalte zumindest genauso gut oder besser als bei einsprachigen Kindern.

    Viele Eltern, die ihre Kinder auf eine globalisierte Welt vorbereiten wollen, entscheiden sich für eine bilinguale Schule, oft schon in der Grundschule. Nach einer Erhebung des Vereins Frühe Mehrsprachigkeit in Kitas und Schulen gab es bereits 2014 in Deutschland 287 zweisprachige Grundschulen, an denen zusätzlich zum Sprachenunterricht mindestens ein Sachfach, meistens jedoch mehrere, in einer anderen Unterrichtssprache als der Schulsprache Deutsch unterrichtet wird. Nach Schätzungen des Vereins sind es nach dieser Definition bei den weiterführenden Schulen etwa 1180, die sich bilingual nennen, Tendenz steigend. Darunter fallen binationale Schulen, Europaschulen oder deutsche Schulen mit bilingualem Schwerpunkt. Wie viel zweisprachigen Unterricht die Schulen ermöglichen, variiert deshalb stark, denn manche bieten nur einige Unterrichtsstunden in der Zweitsprache an, andere durchgängig 50 Prozent des Unterrichts oder mehr. Studien zeigen, dass junge Kinder, verglichen mit Jugendlichen und Erwachsenen, besonders aufnahmefähig für fremde Sprachen sind, denn wenn sie schon im Grundschul- oder Kindergartenalter immersiv eine Zweitsprache lernen und diese sowohl im Rahmen des Sprachunterrichts wie im übrigen Schul- oder Kindergartenalltag anwenden können, entwickeln sie allgemein eine höhere Sprachkompetenz, auch in ihrer Muttersprache, wobei es keine Rolle spielt, welches die Zweitsprache ist. In einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler, die bilingual etwa zu 50 Prozent auf Deutsch und zu 50 Prozent in ihrer Zweitsprache unterrichteten wurden, mindestens genauso gute Leistungen in allen anderen Fächern wie Kinder an Regelschulen ohne bilingualen Unterricht zeigten, speziell in Deutsch, Mathematik und in Naturwissenschaften, wobei in manchen Fällen ihre Leistungen sogar besser waren. Das bedeutet, dass Sachfächer in einer anderen Sprache als der Muttersprache unterrichtet wurden, nicht zu schlechteren Leistungen führen als bei Kindern, die auf Deutsch unterrichtet wurden. Man fand auch heraus, dass das Erlernen von Drittsprachen zu einem späteren Zeitpunkt den Kindern und Jugendlichen ebenfalls leichter fällt, da bilingualer Unterricht offenbar die metalinguistischen Kompetenzen fördert. Hinzu kommt, dass an bilingualen Schulen Kinder nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und Traditionen eines anderen Landes kennenlernen, sodass damit die Grundlagen für interkulturelle Kompetenzen gelegt werden, die Schulabsolventen später im Beruf oder Studium viele Türen öffnen können (Zusammengefasst nach Knoke, 2022).


    1.Definition
    Immersion (von lat. immersio)wird als das Eintauchen in eine fremde Sprache bezeichnet. Oftmals wird auch der Begriff „Sprachbad“ verwendet. (vgl. Stebler, Maag Merki, 2010, S.21) Immersion als ein didaktisches Konzept betrachtet, geht davon aus, dass „Fremdsprachen im Klassenzimmer am besten gelernt werden, wenn man nicht so sehr auf die Sprache – ihre Form und Struktur –abhebt, sondern eher auf die Inhalte, mit Hilfe derer die Sprache vermittelt wird“ (Wolff, 2006, S.143, zit. nach Stebler, Maag Merki, 2010, S.21).

    2. Definition
    „Immersion, die; -, -en [spätlat. immersio = Eintauchung, zu lat. immergere (2. Part. immersum)
    = ein-, untertauchen]: 1. (Physik) Einbetten eines Objekts in eine Flüssigkeit mit besonderen lichtbrechenden Eigenschaften (zur Untersuchung von Kristallformen u. in der Mikroskopie).
    2. (Astron.) Eintritt eines Himmelskörpers in den Schatten eines anderen. 3.(Geol.) Inundation.
    4. (Med.) bei bestimmten Hautkrankheiten u. Verbrennungen angewandtes stunden- bis tagelanges Vollbad“ (Enzyklopädie Brockhaus,1995, Band 27, S. 1680).

    3. Definition
    Wenn von Unterricht und Immersion die Rede ist, bedeutet dies, dass die Sprache das Medium der Instruktion ist. Immersiver Unterricht wird sehr stark in Kanada praktiziert, wo ein Stundenanteil von 50% (partial immersion) bis zu 100% (total immersion) angewendet wird. Früher ermöglichte man vor allem Kindern aus höheren sozioökonomischen Familien diese besondere Form des Unterrichts (vgl. Wode, 1995, zit. nach Kubanek-German, 2003, S. 34).

    4. Definition
    Eine weitere Begriffsbestimmung lautet: „Der Terminus IM [Immersion, W.Z.] bezeichnet die Methode, eine Fremdsprache als Unterrichtssprache zur Vermittlung von Fachinhalten zu verwenden“ (Wode, 1995, S. 12, zit. nach Zydatiß, 2000, S. 27).

    5. Definition
    Wenn eine Fremdsprache als Unterrichtssprache im Fachunterricht angewendet wird, spricht man von einer Immersion. Immersionsprogramme werden schon seit etwa vierzig Jahren in Deutschland angeboten. Oftmals werden zwei oder mehrere Unterrichtsfächer in einer fremden Sprache gelehrt. Auch in Kindergärten, Vorschulen- und Grundschulen finden solche Immersionsprogramme Anwendung (vgl. Kniffa, Siebert-Ott, 2009, S. 30).


    Früher Spracherwerb

    Früher war man der Ansicht, dass ein guter früher Fremdsprachenunterricht Vorteile mit sich bringt, was etwa dazu führte, den Englischunterricht in immer niedrigere Schulstufen zu verlegen. So hatten Schüler in Österreich in den 1970er-Jahren ab der Mittelschule Englisch, in den 1980ern ab der dritten Volksschulklasse und seit den 1990ern ab der ersten Volksschule. Wichtiger hingegen ist es, die Erstsprache, also die, in der man erstmals schreiben und lesen lernt, gut zu beherrschen, um eine solide Grundlage für die Zweitsprache zu bilden. Beim Zweitspracherwerb hat das Alter bei Lernbeginn wenig Einfluss, denn Studien zeigen, dass SchülerInnen, die erst mit 13 Jahren Englischunterricht hatten, im Alter von 18 Jahren auf dem gleichen Niveau waren wie Schüler, die in der Volksschule fünf Jahre Englisch hatten (Pfenninger & Singleton, 2017).

    Anmerkung: Im Gegensatz zu Erwachsenen können Babys noch mühelos lernen, die Laute aller Sprachen zu unterscheiden, doch sie verlieren diese Fähigkeit im Alter von sechs bis zwölf Monaten, wenn sich ihr Hörvermögen auf die vertrauten Klänge der Muttersprache spezialisiert. Deshalb fällt es etwa Französischsprachigen später schwer, das „h“ zu hören und auszusprechen, das in ihrer Muttersprache nicht existiert, doch anhand vieler Hörbeispiele können sie es dennoch lernen. Die Wahrnehmung zu trainieren, hilft also nicht nur beim Hörverstehen, sondern auch bei der Aussprache, wenn auch etwas weniger.

    Säuglinge erlernen im Schlaf offenbar auch die Grammatik eine fremden Sprache, denn Friedrich et al. (2022) haben ereigniskorrelierte Potenziale verwendet, um zu untersuchen, ob sechs- bis achtmonatige Kinder nicht benachbarte Abhängigkeiten behalten und ob Schlaf nach dem Lernen dieses Gedächtnis beeinflusst. Die Säuglinge hörten in einer Lernphase und einer späteren Testphase jeweils zehn Minuten lang kurze italienische Sätze, zunächst mit richtigen Verb-Endungen und später mit falschen Fügungen. In der Testphase präsentierte man den Babys teilweise auch Sätze mit neuen Verben, die richtige oder falsche Endungen hatten, sodass man anhand der Hirnreaktionen schlussfolgern konnte, dass selbst sehr kleine Kinder schon die grammatikalisch richtigen Verb-Endungen erwarten, auch wenn sie das neue Zeitwort noch gar nicht kannten. Die Gehirnreaktionen zeigten, dass sich die Kinder an die nicht benachbarten Abhängigkeiten erinnern, unabhängig davon, ob sie ein Nickerchen machen oder wach blieben. Kinder, die zwischen Lern- und Testphase einen Mittagsschlaf einlegten, reagierten jedoch anders auf die neuen Sätze als die Wachgruppe, was nichts anderes bedeutet, als dass der neue Gedächtniseffekt auf einem im Schlaf neu gebildeten Gedächtnis beruht, d. h., dass sich das Gedächtnis im Schlaf weiterentwickelt und das kindliche Gehirn die regelhaften Beziehungen nach dem Schlafen in einer neuen Form speichert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits Säuglinge im Alter von sechs Monaten mit Gedächtnismechanismen ausgestattet sind, die für das Erlernen von Grammatik relevant sind. Sie deuten auch darauf hin, dass während des Schlafs die Konsolidierung hochspezifischer Informationen mit Veränderungen in der Art des generalisierten Gedächtnisses einhergehen kann.


    Immersion ist übrigens auch ein Begriff, der das Abtauchen von Menschen in die virtuelle Realität bezeichnet, das vor allem in der Welt der neuen Medien eine große Rolle spielt. Oft hat dabei die Immersion großen Einfluss auf das Bewusstsein und das Leben der Menschen, denn virtuelle Welten und Alltagswirklichkeit sind keine Paralleluniversen mehr, sondern sie stehen in einer engenBeziehung zueinander, durchdringen sich und kommunizieren miteinander, ähnlich wie Alltag und Mythos. Längst schon ist die virtuelle Realität Teil der Lebenswelt, denn Computerspiele können Menschen emotional tief berühren, und auch die virtuelle Beschleunigung bei manchen Computerspielen ruft körperliche Empfindungen hervor, die dem Erleben in der Realität nahekommen oder dieses sogar übertreffen. Vor allem Computerspieler fühlen sich in solchen Welten präsent, weil sie die Veränderungen am Bildschirm als Folge ihrer eigenenHandlungen verstehen, d. h., sie erleben sich in einer neuer Selbstwirksamkeit. Daher funktionieren solche Spiele als eine Art Ermächtigungsmaschine, die das Bewusstsein verändert. Zwar weiß der Spieler oder die Spielerin in der Regel, dass das Gesehene eine Illusion ist, doch der Körper reagiert wie bei echter Gefahr und das Gehirn speichert die Erfahrung als real ab.


    Literatur

    F.A. Brockhaus (1995). Brockhaus Enzyklopädie. Deutsches Wörterbuch GLUC-REG. (GP-IZ, Band 19) Mannheim: F.A. Brockhaus GmbH Verlag.
    Friedrich, Manuela, Mölle, Matthias, Born, Jan & Friederici, Angela D. (2022). Memory for nonadjacent dependencies in the first year of life and its relation to sleep. Nature Communications, 13, doi: 10.1038/s41467-022-35558-x.
    Knoke, Mareike (2022). Bilinguale Schulen: Spielerisch zur Zweitsprache.
    https://www.spektrum.de/news/fremdsprachen-lernen-was-bringt-bilingualer-unterricht/2050830 (22-09-06)
    Kubanek-German, A. (2003). Kindgemäßer Fremdsprachenunterricht. Band 2 Didaktik der Gegenwart. Münster: Waxmann Verlag GmbH.
    Pfenninger, S. E. & Singleton, D. (2017). Beyond Age Effects: Variables Trumping the Age Factor in Instructional L2 Learning. Bristol: Multilingual Matters.
    Siebert, G., Siebert-Ott, G. (2009). Deutsch als Zweitsprache: Lehren und Lernen. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG.
    Stangl, W. (2023, 7. Jänner). Säuglinge erlernen im Schlaf die Grammatik eine Sprache. arbeitsblätter news.
    https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/saeuglinge-erlernen-im-schlaf-die-grammatik-eine-sprache/.
    Stebler, R., Maag Merki, K. (2010).Zweisprachig lernen: Prozesse und Wirkungen eines immersiven Ausbildungsganges an Gymnasien. Münster: Waxmann Verlag GmbH.
    WWW: http://books.google.com/books?id=FlHKSA0cLqIC&pg=PA48&dq=
    immersion%2Bdidaktik&hl=de&ei=FmXITNC3JtHLswb47IGKDg&sa=X&oi=
    book_result&ct=result&resnum=4&ved=0CDcQ6AEwAw#v=onepage&q=immersion&f=false (10-10-27)
    Zydatiß, W. (2000). Bilingualer Unterricht in der Grundschule: Entwurf eines Spracherwerbskonzept für zweisprachige Immersionsprogramme. Ismaning: Max Hueber Verlag
    WWW: http://books.google.at/books?id=0IuRzg71q40C&pg=PA26&dq=p%C3%A4dagogische+
    immersion&hl=de&ei=c9bLTMCoHoTOswafpfSWCA&sa=X&oi=book_result&ct=
    result&resnum=4&ved=0CDwQ6AEwAw#v=onepage&q=immersion&f=false (10-10-29)
    http://diepresse.com/home/Wissenschaft/5094542/ (16-09-30)
    https://www.nzz.ch/meinung/gaming-und-schamanismus-die-kunst-sich-in-einen-jaguar-zu-verwandeln-ld.1354983 (18-04-20)


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