Als Konnektom bezeichnet man die Gesamtheit aller Verbindungen im Nervensystem eines Lebewesens, wobei dieser Begriff durch das Human Connectome Project verbreitet wurde, in dessen Rahmen eine Erforschung des menschlichen Konnektoms erfolgte.
Das Konnektom ist mit etwa hundert Billionen Synapsen, an denen sich die Signalübertragung zwischen den über achtzig Milliarden Gehirnzellen abspielt, ein unglaublich komplexes aber auch dynamisches Netzwerk, das ständig im Wandel ist. Das Konnektom ändert sich im Laufe des Lebens, d. h., es gibt nicht das Konnektom, denn von der Kindheit über die Pubertät bis hin zum Erwachsenenalter baut das Konnektom sich permanent und einschneidend um.
Unter Konnektom versteht man in der Gehirnforschung dabei die vollständige Beschreibung aller neuronalen Verbindungen im Gehirn, in dem man jedes Neuron sowie dessen individuelle Verbindungen über Synapsen zu anderen Neuronen festhalten kann. Das Konnektom ist somit die Gesamtheit aller Verbindungen im Nervensystem eines Lebewesens, mit dem sich die Konnektomik als ein Teilgebiet der Neurowissenschaften beschäftigt. Für kleine Organismen ist das Konnektom bereits ermittelt worden, etwa für den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, dessen 302 Neuronen 1986 einzeln benannt worden sind, wobei jedes Jahr neues Wissen rund um dieses Konnektom angesammelt wird. Dieser Fadenwurm ist als Modelltier gewissermaßen die Drosophila der Konnektom-Forschung, denn wenn es gelingen kann, sämtliche Aspekte des Verhaltens dieses Fadenwurms mit Hilfe seines Konnektoms zu verstehen, könnte man sagen, man haben dieses kleine Nervensystem verstanden.
Ein Forscherteam der Max-Planck-Gesellschaft hat ein Stück bioptisch gewonnenen Hirngewebes aus dem somatosensorischen Cortex der Großhirnrinde einer vier Wochen alten Maus analysiert, das mit der Verrechnung von Berührungsinformationen beschäftigt ist. Mithilfe optimierter KI-basierter Bildverarbeitung und Interaktion zwischen Datenanalyse durch Menschen und Maschinen schafften man es, alle der rund 400000 Synapsen und ca. 2,7 Meter neuronaler Kabel in diesem Gewebsstück zu rekonstruieren. Daraus ergab sich ein Konnektom zwischen rund 7000 Axonen und rund 3700 postsynaptischen Nervenzellfortsätzen, das bisher größte berechnete Säugetierkonnektom. Insbesondere untersuchte man, welcher Anteil des Schaltkreises Anzeichen für vorangegangenes Lernen zeigte, wobei man hierfür den Zusammenhang zwischen Wachstum und Verstärkung der Synapsen nutze, das mit Lernvorgängen einhergeht. Da einige Modelle synaptischer Plastizität genaue Vorhersagen über die Verstärkung von Synapsen beim Lernen machen, etwa dann, wenn die Maus eine Katze oder einen Baum zu erkennen lernt, konnte man Schätzungen der Häufigkeit solcher Lernprozesse sogar aus der Momentaufnahme der cortikalen Schaltkreiskarte ableiten. Da die Maus bis zur Gehirnbiopsie ein vierwöchiges normales Laborleben gehabt hatte, sieht man diese Methode als eine Möglichkeit, den Anteil gelernter Schaltkreiseigenschaften aus einem ansonsten normal aufgewachsenen Gehirnstück auszulesen. Dabei war man überrascht, wie viele Informationen und wie viel Präzision selbst in solch einem immer noch relativ kleinen Gehirnstück aus der Großhirnrinde enthalten ist.
Allerdings machen die verschiedenen Größenskalen, die man für ein vollständiges Konnektom benötigt, die Aufgabe äußerst schwierig, denn an jeder Synapse befinden sich zahlreiche Rezeptoren, die verschiedene Signalmoleküle binden. Wie viele davon vorhanden sind und auf welche Neurotransmitter sie reagieren, kann sich dabei stark unterscheiden, d. h., um die Weiterleitung eines Reizes von einer Nervenzelle zur nächsten exakt zu beschreiben, müsste man die genaue Zahl und Art aller Rezeptoren kennen. Davon ist die Neurophysiologie noch weit entfernt.
Durch die Anlehnung an die beannten Begriffe Genom und Proteom, die die Gesamtheit der Erbinformation beziehungsweise der Proteine in einem Lebewesen bezeichnen, soll Konnektom zum Ausdruck bringen, dass die einzelnen Verbindungen der Neuronen nur in ihrer gegenseitigen Beziehung zueinander verstanden werden können, ähnlich wie einzelne Gene oder Proteine im Organismus miteinander wechselwirken.
Wie das Proteom ist das Konnektom nicht statisch, sondern auf Grund der neuronalen Plastizität ständigen Veränderungen unterworfen.
[Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=tkph9K11jXU]
Ist die Persönlichkeit aus dem Konnektom ablesbar?
Smith et al. (2015) nutzten Daten aus dem Human Connectome Project, in dem bildgebende Verfahren mit Angaben zur Demographie und zu Persönlichkeit und Lebensumständen der Teilnehmer kombiniert werden, und verarbeiteten die Daten in einer Art Gehirnlandkarte, auf der viele Verknüpfungen im Gehirn zu sehen sind, wobei zweihundert Regionen berücksichtigt wurden. Beim Vergleich der Landkarten der Probanden wiesen bestimmte Verbindungsmuster auch auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale hin, sodass man nach Meinung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Rückschlüsse ziehen könnte, ob bei einem Menschen eher eine Neigung zu positiven oder aber zu negativen Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen bestehen. Sie fanden zwei grundsätzliche Muster im Konnektom: Das Muster eines Sanftmütigen zeigte auch Verbindungen zu anderen, sozial eher positiv bewerteten Eigenschaften und Verhaltensweisen, etwa einem großen Wortschatz, einem guten Gedächtnis oder einer hohen Lebenszufriedenheit, während das eher negative Muster Verbindungen zwischen jenen Hirnarealen zeigte, die eher für negativ besetzte Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale stehen.
[Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=puiEfrzRTto]
Literatur
Stephen M Smith, Thomas E Nichols, Diego Vidaurre, Anderson M Winkler, Timothy E J Behrens, Matthew F Glasser, Kamil Ugurbil, Deanna M Barch, David C Van Essen & Karla L Miller (2015). A positive-negative mode of population covariation links brain connectivity, demographics and behavior. Nature Neuroscience, doi:10.1038/nn.4125.
https://www.mpg.de/14092596/1105-nepf-113272-koennen-gedanken-das-gehirn-veraendern (19-10-30)