Einfache Erklärung: Während eines Lebens wirkt die Umwelt auf das Erbgut ein, wobei der Lebensstil eines Mensches vor allem die Steuerung seiner Gene verändern kann. Ob das menschliche Erbgut aber ein Art Gedächtnis hat, also dass der Vorgang, bei dem die genetische Information umgesetzt und nutzbar gemacht wird, vererbbar ist, ist nach wie vor unklar. Bei einigen einfachen Organismen scheint dies aber möglich zu sein.
In manchen Bereichen der Wissenschaft, auch in der Psychologie, hat man sich zu sehr auf die Gene konzentriert, da diese durch die Sequenzierung leichter untersuchbar waren als etwa ständig wechselnde Umweltbedingungen. Inzwischen weiß man aber, dass sich nicht nur die Gehirne von Kindern und Jugendlichen noch verändern, sondern auch die Gehirne von Erwachsenen, etwa durch den Lebensstil, also die Art und Weise, wie sie leben. Die Epigenetik ist ein Spezialgebiet der Biologie und befasst sich mit Zelleigenschaften (Phänotyp), die auf Tochterzellen vererbt werden und nicht in der DNA-Sequenz (Genotyp) festgelegt sind. Dabei erfolgen Veränderungen an den Chromosomen, wodurch Abschnitte oder ganze Chromosomen in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Man spricht infolgedessen auch besser von epigenetischer Veränderung bzw. epigenetischer Prägung, denn die DNA-Sequenz wird dabei nicht verändert. Bisher war man der Meinung, dass sich Keimzellen im Stadium der Befruchtung wie eine epigenetische tabula rasa verhalten, doch heute wird spekuliert, dass z.B. Veränderungen der Lebensweise (Ernährung, Bewegung, Ortswechsel) ein epigenetisches Muster bewirken könnten, das an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Biologen haben in den letzten Jahren zahlreiche molekulare Mechanismen entdeckt, die zu einem stärkeren oder schwächeren Ablesen der Information in den Genen führen, ohne dass dabei die dort gespeicherte Information verändert wird. Enzyme markieren bestimmte Abschnitte der DNA und beeinflussen so deren Aktivität, manchmal sogar lebenslang. Weil dieser Eingriff nicht die Nukleotidsequenz des DNA-Strangs betrifft, sondern sich oberhalb (griechisch: epi=über) von ihr abspielt, spricht man in diesem Fall von epigenetischen Modifikationen.
Der genetische Code programmiert Menschen also nicht unveränderbar für den Rest ihres Lebens, sondern die Gene des Genoms werden epigenetisch (Vorsilbe »epi« = hinterher, zusätzlich) reguliert, also an- und ausgeschaltet, je nachdem welchen Umwelteinflüssen wie Nahrung, Erfahrungen oder Gefühlen sie ausgesetzt sind. Dabei sind vor allem die ersten Lebensjahre entscheidend. Aber auch noch im Laufe des Lebens können Menschen das Zusammenspiel ihrer Gene und damit ihrer Möglichkeiten beeinflussen. Zwar wurden bisher die meisten Erfahrungen mit Tierversuchen gemacht, denn beim Menschen sind Studien nicht zuletzt wegen der langen Generationszeiten schwieriger, doch zeigen einige wenige Untersuchungen, dass viele dieser Faktoren auch bei Menschen zutreffen dürften.
Schon vorgeburtliche epigenetische Prozesse bestimmen vor allem die untere limbische Ebene von Hypothalamus, Hypophyse und den vegetativen Zentren des Gehirns, wobei diese die psychische Grundausstattung eines Neugeborenen und damit sein Temperament als Kern seiner späteren Persönlichkeit festlegen.
Die Schalter an unseren Genen sind daher viel wichtiger, als man früher glaubte, denn die menschlichen Zellen nutzen diese Schalter, um rasch auf Stressfaktoren wie Hunger, Gifte, psychische Belastungen zu reagieren, wobei jene Gene aktiviert werden, die in einer solchen Situation nützlich sind, und überflüssige Genabschnitte werden stillgelegt. So erhalten Blutstammzellen (hämatopoetischen Stammzellen) die lebenslange Produktion von Immunzellen aufrecht und können zwar direkt auf eine Infektion reagieren, doch die nachhaltigen Auswirkungen auf die Immunantwort waren bisher unklar. De Laval et al. (2020) konnten nun zeigen, dass sich auch Blutstammzellen an frühere Angriffe erinnern und mehr Abwehrzellen wie Makrophagen produzieren, um eine neue Infektion zu bekämpfen. Demnach besitzen auch die Stammzellen im Knochenmark eine Art Immungedächtnis. Demnach lösen Infektionen epigenetische Veränderungen an der DNA dieser Zellen aus, die unter anderem für die Produktion bestimmter Abwehrzellen zuständig sind. Dabei lagern sich Markierungen auf der DNA der Stammzellen ab, und zwar genau um jene Gene herum, die für eine Immunantwort wichtig sind. Diese Markierungen fungieren wie eine Art Lesezeichen und sorgen dafür, dass diese Gene leichter zu finden sind und im Falle einer zweiten Infektion durch einen ähnlichen Erreger schnell für eine Immunantwort aktiviert werden können. Dabei spielt das Protein C/EBP eine zentrale Rolle, denn es reguliert als Transkriptionsfaktor die Genexpression und legt offenbar auch fest, wo diese Lesezeichen auf der jeweiligen DNA gesetzt werden. Über diesen Mechanismus kann also die Infektionsgeschichte epigenetisch in die hämatopoetischen Stammzellen eingeschrieben werden, sodass der nun entdeckte Prozess eine wesentliche Gedächtnisfunktion des angeborenen Immunsystems darstellen dürfte.
Die Epigenetik basiert letztlich darauf, dass der genetische Code in der DNA durch biochemische Prozesse grundsätzlich veränderbar ist. Die DNA-Methylierung ist dabei die wichtigste und am besten untersuchte epigenetische Modifikation der DNA, denn man konnte nachweisen, dass sich die DNA-Methylierung auf die Feinabstimmung der Genexpression auf die neuronale Aktivität im Gehirn auswirkt. Man nimmt zwar an, dass eine schnelle und reversible DNA-Methylierung im Gehirn für die Stabilität des Langzeitgedächtnisses wesentlich ist, aber man weiß wenig darüber, wie synaptische Signale die DNA-Methylierung steuern können, um dauerhafte Veränderungen in der plastizitätsbezogenen Genexpression hervorzurufen. Bayraktar et al. (2020) haben jüngst einen Mechanismus entdeckt, der die synaptische Kontrolle der DNMT3A1-Spiegel in Neuronen ermöglicht. Dadurch entsteht ein aktivitätsabhängiges Zeitfenster für eine reduzierte DNA-Neu-Methylierung an einer Gruppe von Zielgenen. Um das Enzym zielgerichtet abzubauen, wird es mit einem Marker, einer Neddylierung, biochemisch gekennzeichnet. Das geschieht etwa dann, wenn Mäuse lernen, sich an die exakte Platzierung von Objekten in einer Arena zu erinnern. Wenn danach dieser Neddylierungs-Prozess blockiert wird, sind Synapsen weniger plastisch und die Mäuse haben ein deutlich schlechteres Erinnerungsvermögen. Die Forscher fanden dabei heraus, dass eines der Target-Gene der Plastizitätsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) ist, der speziell für solche räumlichen Lern- und Gedächtnisprozesse eine zentrale Rolle spielt. Diese Befunde sind auch deshalb interessant, weil bekannt ist, dass Störungen in der DNA-Methylierung auch eine Begleiterscheinung neuropsychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depression sind, und dass das BDNF-Genprodukt auch bei diesen Krankheiten stark reduziert ist. Die Studienergebnisse könnten also auch Ansätze zum Verständnis und zur Behandlung solcher Krankheiten liefern.
Traumatische Erlebnisse und ihre psychischen Folgen können nach neueren Untersuchungen vermutlich über Generationen hinweg weitergegeben werden, wobei man annimmt, dass etwa eine Traumatisierung und eine damit verbundene Posttraumatische Belastungsstörung auch bei den Nachkommen psychische Probleme befördern und sogar ihr Risiko, selbst an dieser Störung zu erkranken, erhöhen kann. Allerdings ist unklar, wie diese seelische Belastung vererbt werden kann bzw. ob es die Weitergabe tatsächlich gibt. Ein zentraler Kandidat dafür ist die Epigenetik, also die Weitergabe auf biologischer Ebene als Verbindung zwischen den Generationen. Dahinter steckt die Annahme, dass sich das Lebensfeld, was ein Mensch tut und erlebt, sich auf seine Gene auswirken kann, wobei deren Aktivität etwa durch eine traumatische Erfahrung erhöht oder reduziert wird und damit auch das Verhalten, Denken und Fühlen beeinflusst werden. Erlebt eine Mutter etwa während der Schwangerschaft eine oder mehrere traumatische Situationen, wird sie geschlagen oder Zeuge eines brutalen Übergriffes, kann das direkt auf das Kind wirken (fetale Programmierung). Die Kinder leiden als Erwachsene dann eher unter Bluthochdruck, neigen zu Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zu Selbstwertproblemen, Angst oder auch Aggression. Erklärt wird das durch den enormen Stress der Mutter, der sich in ihrem Körper niederschlägt (Cortisol) und somit auch an das Kind weitergegeben wird. Obwohl man aber eine veränderte Funktion der Stressachse im Körper nachweisen konnte, bleibt es schwer eindeutig zu beantworten, was die Mutter weitergegeben hat. Die Frage ist dabei, ob es nicht in erster Linie doch das Umfeld ist, das eine Mutter mit dieser Belastung für ihr Kind schafft, also wie sie mit Stress umgeht, ob sie ihr Kind überbehütet und somit diese Merkmale in der Erziehung weiterreicht. In Einzelfällen ist es zwar möglich zu zeigen, dass etwa das Schicksal der Großeltern sich bis in das Leben der Enkel durchzieht und diese belastet, aber von einem generellen Zusammenhang auszugehen, ist eher spekulativ, denn eine Verletzlichkeit für eine psychische Störung wird meist auch sozial weitergereicht und nicht die Erkrankung selbst. Hinzu kommt, dass die Stichproben in solchen Studien meist zu schmal und die Befunde insgesamt noch nicht zahlreich genug sind, um verbindlich behaupten zu können, dass die Epigenetik der Übertragungsmechanismus ist.
Es gilt als nachgewiesen, dass die Exposition gegenüber Belastungen, insbesondere in sensiblen Entwicklungsphasen wie der Kindheit, sowohl verhaltensbezogene als auch neurobiologische Konsequenzen haben kann, etwa in Form von einer Erhöhung des Risikos für bestimmte psychiatrische Erkrankungen. Hendrix et al. (2020) haben nun auch nachgewiesen, dass eine große mütterliche Exposition gegenüber emotionaler Vernachlässigung während ihrer eigenen Kindheit mit einer stärkeren funktionellen Konnektivität zwischen der Amygdala und den medialen präfrontalen Regionen bei ihren Neugeborenen bereits einen Monat nach der Geburt nachweisbar ist. Alle diese Hirnregionen spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulierung von Gefühlen, unter anderem Angst. Dieser Effekt war spezifisch für frühe Erfahrungen emotionaler Vernachlässigung und konnte nicht durch mütterliche Exposition gegenüber anderen Formen von Misshandlung in der Kindheit oder durch mütterlichen Stress während der Schwangerschaft erklärt werden. Diese Ergebnisse liefern neue Belege dafür, dass das Fehlen von emotionaler Unterstützung in den frühen Lebensjahren der Mutter, oft viele Jahre vor der Empfängnis, mit neuronalen Veränderungen bei ihren Nachkommen kurz nach der Geburt verbunden ist.
Neuere Ergebnisse aus der epigenetischen Forschung weisen z.B. auch darauf hin, dass etwa die Ernährungsweise einer Generation das Erkrankungsrisiko der Enkel für Diabetes beeinflussen kann. Auch brauchen Zwillinge bei unterschiedlichen Lebensbedingungen nicht die gleichen genetisch bedingten Krankheiten erleiden. Diese an den Lamarckismus erinnernde Vererbung erworbener Eigenschaften hat aber eine andere Erklärung, denn epigenetische Vererbungseffekte betreffen nicht die eigentliche Erbinformation, sondern nur die Aktivierung der Gene. Man nimmt an, dass dafür subtile chemische Veränderungen am Genom verantwortlich sind, die jedoch nicht die DNA-Sequenz betreffen. Diese Veränderungen bauen gewissermaßen ein Gedächtnis der Genaktivität auf, die von einer Zellgeneration an die nächste weitergegeben wird.
Experimente mit Mäusen haben aber gezeigt, dass negative Erfahrungen über Generationen weiter vererbt werden. Die Forscher zeigten das am Beispiel von Gerüchen, die Gefahr signalisieren, wobei noch die Enkelkinder auf einen bestimmten Geruch mit Angst reagierten, wenn ihre Großväter damit schlechte Erfahrungen gemacht hatten, sodass die Mäuse auf genetische Weise ihren Nachwuchs über die Umwelt informieren können, in der sie aufwachsen werden. Die Forscher stellten fest, dass ein Gen zur Erkennung von Düften bei den Großvätern und ihren Kindern deutlich weniger methyliert war als üblich. Auf welchem Weg die Informationen an das Sperma weitergegeben und verschlüsselt werden, ist aber ungeklärt. Epigenetische Veränderungen. Eine Studie (Radford et al., 2014) an schwangeren Mäusen bestätigte, dass es auch ein Gedächtnis der mütterlichen Ernährung gibt, den man hat diese nur mit halben Futterportionen gefüttert, wobei ihre Söhne erwartungsgemäß kleiner waren und Diabetes entwickelten, wenn sie später normale Futtermengen erhielten. Doch auch die Nachkommen dieser Söhne waren klein und wurden öfter zuckerkrank, auch wenn deren Mütter normal ernährt worden waren. Dafür sind offensichtlich epigenetische Veränderungen verantwortlich, wobei das evolutionär gesehen sinnvoll erscheint, denn wenn Futter knapp ist, können Nachkommen darauf programmiert werden, mit wenig Nahrung auszukommen. Mit plötzlichem Nahrungsreichtum können ihre Körper dann nicht umgehen, und sie entwickeln eben Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes. Überraschenderweise waren die Veränderungen im Erbgut der Enkel nicht mehr zu finden, d. h., die Erinnerung an die Unterernährung der Großmutter wurde ausgelöscht oder jedenfalls nicht mehr über die veränderte DNA weiter gegeben. Auch das ist evolutionär sinnvoll, denn die Umwelt verändert sich stetig und auf karge Zeiten folgen manchmal fette Zeiten.
Moog et al. (2023) haben den Zusammenhang zwischen mütterlicher Misshandlung in der Kindheit und häufigen körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen in der Kindheit, neurologischen Entwicklungsstörungen und entsprechenden Komorbiditätsmustern bei den Nachkommen untersucht. Von den Müttern in der Studie waren 44 % in ihrer Kindheit Missbrauch oder Vernachlässigung ausgesetzt. Kinder von Müttern, die Misshandlungen in der Kindheit ausgesetzt waren, wiesen eher ein diagnostisches Muster auf, das durch ein höheres Risiko für Multimorbidität gekennzeichnet war, wobei die Exposition gegenüber mehreren Formen von Misshandlung über alle Subtypen mütterlicher Misshandlung in der Kindheit mit den höchsten Risikoerhöhungen für die meisten gesundheitlichen Ergebnisse der Nachkommen verbunden war, was auf eine Dosis-Wirkungs-Beziehung hindeutet. Die Nachkommen von Frauen hatten dabei ein höheres Risiko für verschiedene Erkrankungen wie Vorstufen von Depression und Angststörungen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Autismus und Asthma. Bei Töchtern dieser Mütter wurde zudem häufiger Übergewicht festgestellt als bei deren Söhnen. Zwar kann man streng genommen aus den Daten nur Zusammenhänge feststellen, d. h., den Missbrauch nicht als direkte Ursache der Erkrankungen festmachen, doch stützen auch diese Daten die Weitergabe von solchen Risiken über Generationen hinweg. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Misshandlungserfahrungen in der Kindheit der Mutter ein Risikofaktor für die Krankheitsanfälligkeit der Nachkommen in Bezug auf eine Vielzahl von Störungen sein können, und unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen, die sich darauf konzentrieren, die intergenerationale Weitergabe von solchen Widrigkeiten zu unterbrechen.
Neuere Untersuchungen zeigten, dass der Lebensstil der Eltern Spuren im Erbgut der Kinder hinterlässt, wobei insbesondere bei Adipositas und Diabetes Epigenetik vermutlich eine Rolle spielt. Interessanterweise schlägt auch das Essverhalten des Vaters vor der Zeugung und der Lebenswandel der Eltern insgesamt auf den Nachwuchs durch, denn Kinder von Rauchervätern haben eher Asthma. Eine Untersuchung der norwegischen Universität in Bergenwies zeigte nämlich, dass Kinder von Ex-Rauchern ein erheblich höheres Asthmarisiko haben, selbst wenn die Väter lange vor der Zeugung mit dem Laster aufhörten. Wer vor der Zeugung über zehn Jahre rauchte, erhöhte demnach das Asthmarisiko seiner Kinder um fünfzig Prozent. Allerdings gilt auch der Umkehrschluss, denn guter Lebenswandel kann sich noch Generationen später auswirken. Denn epigenetische Vererbung ist anders als genetische Vererbung prinzipiell reversibel, sodass die Häufigkeit von Fettleibigkeit und Diabetes bei entsprechendem Lebenswandel über Generationen hin wieder abnehmen kann.
Versuche (Swartz et al., 2016) zeigen übrigens, dass Kinder, die in armen Verhältnissen aufgewachsen sind, eine verstärkte Methylierung jenes Gens zeigen, das für den Serotonin-Transport verantwortlich ist. In diesem Fall führt die Anheftung von Methylgruppen dazu, dass weniger Transportzellen gebildet werden und die Gehirnzellen weniger Serotonin erhalten. Dabei wird etwa das Angstzentrum bei Kindern aus armen Haushalten stärker als bei wohlhabenden Kindern aktiviert, was im Erwachsenenalter Depressionen begünstigen kann. Armut kann sich demnach direkt im Gehirn von Kindern bemerkbar machen, wobei vermutlich kontinuierlicher Stress manche Genabschnitte beeinflusst, die ihrerseits wiederum psychische Erkrankungen begünstigen können.
Zwar ändern sich durch das Rauchen oder durch fette und ungesunde Ernährung vermutlich nicht die Gene selbst, aber die Wirkweise und Regulation bestimmter Gensequenzen werden beeinflusst und diese epigenetischen Faktoren sind ebenfalls erblich. Es gibt nach Ansicht von Experten daher keine Zweifel, dass es von Generation zu Generation eine Weitervererbung der Gen-Regulationsbandbreite gibt.
Übrigens kann das An- und Abschalten von Genen auch Krankheiten auslösen, denn es kann dazu führen, dass sich Zellen ungebremst vermehren und Krebs entsteht.
Epigenetik bei Pflanzen?
Neuere Untersuchungen zeigen, dass Bäume bis zu einem gewissen Maß ihre Erinnerung an Umweltbedingungen sogar an ihre Nachkommen weitergeben können. So können sich Bäume nicht nur auf trockene Bedingungen einstellen, indem sie mehr Wurzeln bilden, sondern dieses Wissen wird an ihre Nachkommen vererbt. Im Pfynwald im Schweizer Wallis, wo Föhren unter extrem trockenen Bedingungen wachsen, bewässerte man seit 2003 bestimmte Parzellen des Waldes, bei einem Teil stellte man die Bewässerung nach zehn Jahren wieder ein. Als man den Zapfen von den verschiedenen Parzellen die Samen entnahm und diese teils in einem Gewächshaus unter verschiedenen Bedingungen, teils im Freien im Pfynwald auf den unterschiedlich bewässerten Parzellen aussäte, zeigte sich, dass die Nachkommen von Bäumen, die an Trockenheit gewöhnt waren, mehr Wurzeln bildeten und deutlich besser mit wenig Wasser gediehen. Bei ausreichender Wasserversorgung bildeten die Nachkommen der Bäume von bewässerten Flächen wie ihre Eltern mehr Nadeln und konnten deshalb bei guten Bedingungen besser wachsen. Offenbar geben Elternbäume Umweltinformationen an ihre Nachkommen weiter, die dadurch besser mit den Lebensbedingungen klarkommen. Die Nachkommen sind von Anfang an auf die Situation vorbereitet. Diese Anpassung der Bäume an Umweltbedingungen beruht auf den gleichen Mechanismen wie bei anderen Pflanzen und Tieren, und zwar sind es Methylgruppen, die die Aktivität von Genen steuern, die von der Umwelt geprägt werden. Die Muster dieser Methylgruppen bestimmen in der Folge, wie stark verschiedene Gene abgelesen werden, sodass das Erbgut auf diese Weise quasi lernt, ohne dass sich dabei die eigentliche Erbgutsequenz ändert. Es gibt also bei Pflanzen eine gewisse Weitergabe dieser epigenetischen Markierungen, während Anpassungen an neue Bedingungen im Rahmen der Evolution auf Basis der Erbgutsequenz selbst deutlich länger benötigen, und zwar mehrere Generationen. Bei langlebigen Organismen wie Bäumen bräuchte diese Form der Anpassung viel zu lang im Vergleich zur Geschwindigkeit, mit der sich im Rahmen etwa des Klimawandels die Bedingungen verändern.
Der Begriff der Epigenetik taucht in der Literatur erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts auf, seine Ursprünge gehen allerdings schon auf Aristoteles zurück, denn dieser glaubte an die Epigenes, also die Entwicklung individueller organischer Formen aus formloser Substanz. Auch heute ist es strittig, inwieweit Menschen von der Natur vorprogrammiert oder aber von der Umwelt geprägt sind, wobei der Epigenetik die Aufgabe zukommt, das Spannungsfeld zwischen genetischer Anlage und Umwelt zu überbrücken.
Fachliche Definition
Der Begriff Epigenetik definiert alle meiotisch und mitotisch vererbbaren Veränderungen in der Genexpression, die nicht in der DNA-Sequenz selbst kodiert sind. Die Epigenetik befasst sich mit Zelleigenschaften (Phänotyp), die auf Tochterzellen vererbt werden und nicht in der DNA-Sequenz (dem Genotyp) festgelegt sind. Die DNA-Sequenz wird dabei nicht verändert.
Übrigens: Francis Crick schrieb 1984 in einem Essay, dass sich die meisten Bestandteile der Nervenzellen gar nicht dafür eignen, Erinnerungen über Jahre oder gar Jahrzehnte zu speichern, denn Neuronen bestehen zu einem großen Teil aus Proteinen, die eine Halbwertszeit von einigen Stunden oder höchstens wenigen Tagen aufweisen. Er vermutete daher, dass eigentlich nur die Moleküle der DNA dazu in der Lage wären, Erinnerungen dauerhaft zu bewahren, denn diese codiert die Erbinformation bekanntlich äußerst stabil, sodass sich vielleicht auch Erinnerungen in Form von chemischen Veränderungen irgendwie auf dem Erbgut ablegen. Mittlerweile haben zahlreiche Studien bewiesen, dass solche epigenetischen Veränderungen zur Gedächtnisbildung und -aufrechterhaltung tatsächlich beitragen.
Literatur
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Moog, Nora K., Cummings, Peter D., Jackson, Kathryn L., Aschner, Judy L., Barrett, Emily S., Bastain, Theresa M., Blackwell, Courtney K., Bosquet Enlow, Michelle, Breton, Carrie V., Bush, Nicole R., Deoni, Sean C. L., Duarte, Cristiane S., Ferrara, Assiamira, Grant, Torie L., Hipwell, Alison E., Jones, Kathryn, Leve, Leslie D., Lovinsky-Desir, Stephanie, Miller, Richard K., Monk, Catherine, Oken, Emily, Posner, Jonathan, Schmidt, Rebecca J., Wright, Rosalind J., Entringer, Sonja, Simhan, Hyagriv N., Wadhwa, Pathik D., O’Connor, Thomas G., Musci, Rashelle J. & Buss, Claudia (2023). Intergenerational transmission of the effects of maternal exposure to childhood maltreatment in the USA: a retrospective cohort study. The Lancet Public Health, 8, doi:10.1016/S2468-2667(23)00025-7.
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http://www.berliner-zeitung.de/wissen/ psychologie-kann-ein-psychisches-trauma-vererbt-werden–26229832 (17-03-22)
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/natur/2051105-Das-vererbte-Gedaechtnis-der-Baeume.html (20-02-20)
Begründet wurde die Epigenetik vom britischen Entwicklungsbiologen und Genetiker Conrad Hal Waddington (1905-1975), der den Begriff Epigenetik 1942 erstmals verwendete. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Wörtern Genetik (griechisch „génesis“ – Abstammung, Ursprung) und Epigenese (griechisch „epigenesis“ – nachträgliche Entstehung). Die Epigenetik fügt dabei zwei fundamentale Bereiche zu einer Einheit zusammen: Umweltfaktoren zum einen, Gene und angeborene Merkmale zum anderen. Die Medizin spricht dabei auch von konnatalen Merkmalen, die im Mutterleib oder während der Geburt erworben werden. Äußere Einflüsse können sie regulieren, so dass ein Gen unter ganz bestimmten Umständen aktiviert oder deaktiviert ist. Die Epigenetik untersucht die Regulation von Genen und fragt, wann, warum und wie Gene plötzlich aktiv werden und weshalb sie in einem anderen Augenblick in eine Art Passivmodus verfallen, wobei diese Regelungsmechanismen mit biochemischen Prozessen in den Zellen und den in ihnen gespeicherten Informationen zu tun haben. Damit die Zellen wissen, wie sie aussehen und funktionieren sollen, enthalten sie in verschlüsselter Form Informationen, die sich in ihrem Zellkern befinden, wobei man diese Informationen, die für ein bestimmtes Merkmal des Organismus verantwortlich sind, als Gen bezeichnet. Der Gen-Code, die Erbinformationen im Zellkern, ist auf den Chromosomen gespeichert, wobei jede menschliche Zelle aus 46 solcher Chromosomen besteht: 23 väterliche und 23 mütterliche Erbgutabschnitte, die in der befruchteten Eizelle zusammenfinden. Chromosomen sind lange, fadenförmige Gebilde vorstellen, die aus DNA (Desoxyribonukleinsäure) und Proteinen (Eiweißmolekülen) bestehen.