Das Phänomen der Synchronizität umfasst relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind, vom Beobachter jedoch als sinnhaft verbunden erlebt werden. Carl Gustav Jung vermutete, dass durch diese scheinbaren „Zufälle“ eine verborgene Ordnung zu Tage tritt. Jung war der Mystiker unter den Vätern der Psychoanalyse, denn er sah das Individuum in Verbundenheit mit den Ahnen als magisches Wesen. Sogar Wolfgang Pauli glaubte daran, da in seiner Anwesenheit sehr oft experimentelle Apparaturen versagten oder sogar ganz spontan kaputt gingen (scherzhaft als Pauli-Effekt tradiert). Carl Gustav Jung hat übrigen mit Wolfgang Pauli ab 1947 einen Briefwechsel über das Phänomen der Synchronizität geführt und nach einer physikalischen Deutung von Synchronizitäten gesucht.
Objektiv betrachtet sind es allerdings immer nur die Menschen, die im Nachhinein Zusammenhänge konstruieren, da sie in allen Ereignissen einen Sinn erkennen wollen, der im Vorhinein nicht vorhanden ist. Schon allein auf Grund des statistischen Zufalls sind aber seltene Koninzidenzen gar nicht so selten bzw. es gibt eine schier unendliche Menge von möglichen Koinzidenzen, die eben nicht synchron stattfinden. Wenn Menschen beginnen, Synchronizität, bzw. Synchronizitäten in ihrem Leben zu bemerken, beginnen sie magisch zu denken.
Gegensatz: Der Begriff Synchronismus bezeichnet dagegen die normale zeitliche Ordnung von Ereignissen.
Eine andere Form der Synchronizität bezieht sich auf die Anpassung der neuronalen Muster im menschlichen Gehirn während einer Interaktion. Das Verständnis für andere ist bekanntlich grundlegend für eine zwischenmenschliche Kooperation und erfolgreiche Zusammenarbeit, wobei der Mechanismus der interpersonellen neuronalen Synchronisation als eine wesentliche Grundlage für effektive Kommunikation und Verhaltenskoordination gilt. Nguyen et al. (2020) haben nun mit Hilfe der dual-funktionalen Nahinfrarotspektroskopie die Auswirkungen der Interaktionsqualität auf die neuronale Synchronität während einer Problemlösungsaufgabe bei Dyaden von Müttern und ihren Vorschulkindern untersucht. In der Kooperationsbedingung wurden Mütter und Kinder angewiesen, gemeinsam ein Tangram-Puzzle zu lösen, in der Einzelbedingung führten Mütter und Kinder die gleiche Aufgabe allein und getrennt aus. Die Ergebnisse belegten eine erhöhte neuronale Synchronizität im bilateralen präfrontalen Cortex und in den temporo-parietalen Arealen während der Kooperation im Vergleich zur individuellen Problemlösung. Eine Aktivierung in diesen Regionen steht dabei im Zusammenhang mit dem Fassen gemeinsamer Absichten und gegenseitiger Perspektivenübernahme. Diese höhere neuronale Synchronizität während der Kooperation korrelierte auch mit einer höheren Verhaltens-Reziprozität und sagte auch den Problemlösungserfolg der Dyade über das reziproke Verhalten zwischen Mutter und Kind voraus. Dabei spielten Faktoren wie der mütterlicher Stress und die kindliche Handlungsfähigkeit während der Aufgabe eine größere Rolle für die neuronale Synchronisation als etwa Faktoren wie das kindliche Temperament. Die Studie belegt deutlich, dass die Anpassung der Gehirnaktivität schon im Kindesalter eine grundlegende Rolle bei sozialen Interaktionen spielt.
Nguyen et al. (2021) haben nun gezeigt, dass ein solcher Effekt der Synchronisation auch zwischen Vätern und Kindern eintritt. Dabei haben fünf bis sechs Jahre alte Kinder mit ihren Vätern gemeinsam oder getrennt Puzzles gelöst, so wie sie das zu Hause auch machen würden, wobei während des Spiels durch funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie gleichzeitig die Gehirnaktivität von Vater und Kind abgeleitet wurden, insbesondere im Schläfenlappen und Frontalhirn. Eine Aktivierung in diesen Regionen steht im Zusammenhang mit dem Fassen gemeinsamer Absichten, gegenseitiger Perspektivenübernahme sowie Selbstregulation, sodass diese Prozesse besonders relevant für soziale Interaktionen sind und sich vor allem im Vorschulalter entwickeln. Dabei zeigte sich, dass eine wechselseitige Anpassung der Gehirnaktivität von Vater und Kind nur dann stattfand, wenn beide miteinander das Puzzle lösten, wobei die Anpassung der Gehirnaktivität bei jenen Vater-Kind-Paaren höher war, in denen sich der Vater stärker mit seiner Rolle als fürsorglicher und involvierter Vater identifizierte. Dies beweist also, dass nicht nur die Anpassung der Gehirnaktivität zwischen Müttern und Kindern, sondern auch zwischen Vätern und Kindern eine grundlegende Rolle in sozialen Interaktionen spielt. Allerdings waren die beobachteten Verhaltensmuster bei den Vater-Kind-Paaren trotz der wechselseitigen Anpassung der Gehirnaktivität anders als in den Mutter-Kind-Paaren, denn während die Anpassung der Gehirnaktivität bei den Vater-Kind-Paaren von der Identifikation des Vaters mit der Vaterrolle abhing, war bei den Mutter-Kind-Paaren entscheidend, ob beide in der Spielsituation aufeinander eingingen.
Pérez et al. (2021) haben gezeigt, wie sich neuronale Prozesse zwischen Menschen dann synchronisieren, wenn man ihnen eine Geschichte erzählt. Wie angenommen, fand man eine signifikante Korrelation der Herzfrequenz zwischen den Probanden, wenn den Versuchspersonen eine auditive oder audiovisuelle Erzählung präsentiert wird. Man stellte auch fest, dass die Übereinstimmung der Herzraten reduziert ist, wenn die Versuchspersonen von der Erzählung mit Denksportaufgaben abgelenkt werden, wobei je stärker der Puls einer Versuchsperson im Gleichtakt mit den anderen schwankte, desto besser konnte sie sich anschließend an Details der Geschichte erinnern. Die Autorinnen kommen daher zu dem Schluss, dass Herzfrequenzschwankungen teilweise durch bewusste Verarbeitung gesteuert werden, vom Aufmerksamkeitszustand abhängen und ein einfaches Maß für die Bewertung des Bewusstseinszustands bei nicht ansprechbaren Menschen sein könnte. Übrigens kam der Atmung, üblicherweise ein gewichtiger Einflussfaktor bezüglich der Herzfrequenz, keine zentrale Rolle bei der Synchronisierung zu.
Literatur
Nguyen, Trinh, Schleihauf, Hanna, Kayhan, Ezgi, Matthes, Daniel, Vrticka, Pascal & Hoehl, Stefanie (2020). The effects of interaction quality on neural synchrony during mother-child problem solving. Cortex, 124, 235-249.
Pérez, Pauline, Madsen, Jens, Banellis, Leah, Türker, Bașak, Raimondo, Federico, Perlbarg, Vincent, Valente, Melanie, Niérat, Marie-Cécile, Puybasset, Louis, Naccache, Lionel, Similowski, Thomas, Cruse, Damian, Parra, Lucas C. & Sitt, Jacobo D. (2021). Conscious processing of narrative stimuli synchronizes heart rate between individuals. Cell Reportt, 36, doi:10.1016/j.celrep.2021.109692.
Die Synchronizität lässt sich auch in der alltäglichen Welt beobachten und es gibt viele Beispiele, die Jungs Konzept verdeutlichen.
Träume, die sich manifestieren: Ein Mensch hat einen intensiven Traum über eine bestimmte Person oder ein Ereignis, und am nächsten Tag tritt dieses Ereignis oder die Person in der Realität auf. Laut Jung ist dies ein klares Beispiel für Synchronizität.
Gleichzeitige Entdeckungen oder Erfindungen: Zwei oder mehr Wissenschaftler oder Erfinder kommen unabhängig voneinander zur gleichen Idee oder Erfindung, ohne voneinander zu wissen – ein weiteres Beispiel für Synchronizität.
Zufällige Begegnungen: Sie treffen jemanden, der genau das Wissen, die Fähigkeiten oder die Ressourcen hat, die Sie in diesem Moment brauchen.
Symbolische Resonanz: Sie sehen oder hören ein Symbol oder ein Muster, das für Sie persönlich eine tiefgreifende Bedeutung hat und das genau in dem Moment auftaucht, in dem Sie mit einer Herausforderung oder Frage konfrontiert sind.
Quelle: https://praxistipps.focus.de/