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Schnell-Lesen

    Schnell-Lesen bzw. Schnelllesen wurde von Evelyn Wood (Reading Dynamics) in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts untersucht und ab den 60er Jahren weltweit bekannt gemacht. Wie man das Schnell-Lesen am besten erlernen kann, ist nach wie vor unter den verschiedenen Richtungen umstritten, wobei manche AutorInnen  Basistechniken wie Vermeidung von Rücksprüngen, Subvokalisation, Blickspannenerweiterung, Einsatz von Zeilenschwüngen oder Taktgeber lehren, andere AutorInnen jedoch vor damit verbundenen Lesestörungen warnen, die LeserInnen beim Einsatz solcher Schnelllese- Techniken erleiden könnten.

    Die meisten Konzepte des Flächenlesens gehen im Übrigen davon aus, dass das menschliche Gehirn im Stande ist, ganze Wortflächen zu verarbeiten, wobei die einzelnen Wörter vom Gehirn in irgend einer Form zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt würden. Vor allem sollte das innere Mitsprechen beim Lesen – das beim Erlernen des Lesens noch wichtig ist – abgeschaltet und der Text rein optisch aufgenommen werden. Neuere Schnelllese-Methoden versprechen eine bis zu zighundertfach höhere Lesegeschwindigkeite (aus der Computerwelt entlehnt auch als „Scannen“ bezeichnet), was man getrost als Marketingmaßnahme ignorieren kann. Wie bei vielen kognitiven Fertigkeiten ist aber auch das Lesen und die Lesegeschwindigkeit fraglos durch Übung bis zu einem gewissen Ausmaß optimierbar. Kontrollierte psychologische Experimente bestätigen die Möglichkeit der gezielten Vermeidung der Subvokalisierung, jedoch mit uneinheitlichen Ergebnissen auf die Fehlererkennung bei Prosatexten.

    Bei der Verwendung einer Schnelllesetechnik wird allerdings nachweisbar der Text weniger exakt aufgenommen, denn aus Textbereichen, in denen keine Fixation stattfindet, wird auch keine Information extrahiert. Daher ist es unmöglich, eine ganze Zeile Text oder auch einige Wörter mit nur einer einzigen Fixation in der Zeilenmitte zu erfassen. Allerdings wird beim Schnelllesetraining meist deutlich konzentrierter gearbeitet als beim normalen Lesen, so dass hier ein positiver Effekt auf die Informationsaufnahme festgestellt werden kann, der aber nicht mit der angepriesenen Technik zusammenhängt. Diese Effekte treten generell immer dann auf, wenn Menschen sich an etwas Neuem versuchen und etwas Ungewohntes ausprobieren, was etwa auch bei Lernmethoden oder Gedächtnismethoden funktioniert, dievon Gedächtnisweltmeistern in Seminaren verkauft werden. Dieser Anfangseffekt verschwindet aber mit der Zeit, wie Nachbefragungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmer an solchen Veranstaltungen leicht bestätigen werden – der Transfer in den Alltag findet in der Regel nicht statt. Komplizierte und ineinander verschachtelte Sätze wie etwa bei wissenschaftlichen Texten verlangen zeitaufwendiges Nachdenken zur Entschlüsselung ihrer Struktur, sodass beim normalen Lesen schon allein aus diesem Grund und aus Konzentrationsproblemen Regressionen stattfinden. Ein Verzicht auf diese erforderlichen Rücksprünge kann dazu führen, dass nicht genug Zeit da ist, um über einen Satz nachzudenken und ihn völlig zu verstehen.  Auch greift die Argumentationskette zu kurz, dass schnelles Lesen dazu führt, dass mehr Inhalte pro Zeiteinheit aufgenommen werden, was zu mehr abrufbarem Wissen führt. Mehr Quantität beim Lesen ist jedoch nicht immer zielgerichtet.

    Siehe dazu im Detail Schnelllesen, Photoreading und andere Wundermethoden.


    Übrigens: Die erzwungene Lage und der Mangel aller körperlichen Bewegung beym Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Abwechslung von Vorstellungen und Empfindungen erzeugt Schlaffheit, Verschleimung, Blähungen und Verstopfung in den Eingeweiden, mit einem Worte Hypochondrie, die bekanntermaaßen bey beyden, namentlich bey dem weiblichen Geschlecht, recht eigentlich auf die Geschlechtstheile wirkt, Stockungen und Verderbnis im Bluthe, reitzende Schärfen und Abspannung im Nervensysteme, Siechheit und Weichlichkeit im ganzen Körper.
    Karl G. Bauer: Über die Mittel dem Geschlechtstrieb eine unschädliche Richtung zu geben (1787)


     


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