Wer in die Fußstapfen anderer tritt, kann sie nicht übertreffen.
Roland Berger
Als Vorbilder bzw. Rollenvorbilder werden in der Psychologie Menschen bezeichnet, an denen sich vor allem Kinder und Jugendliche orientieren und dessen Denk- und Verhaltensweisen sie in der Sozialisation übernehmen, wobei diese sich mit dieser Person oft identifizieren oder diese bewundern. Besonders in den ersten Lebensjahren lernen Kinder von ihren Eltern und nahen Bezugspersonen, was für das Überleben und Funktionieren in der Welt wichtig ist. Sie erleben, wie Eltern und ErzieherInnen mit Gefühlen, anderen Menschen, neuen Situationen, Krankheiten, Konflikten, mit ihrem Körper umgehen und übernehmen deren Verhaltensmuster.
Vor allem in der Pubertät wählen sich Jugendliche andere Vorbilder wie Sportler oder Popstars, die sie wegen ihres Erfolgs oder ihrer Attraktivität bewundern, wobei sie deren Eigenschaften, Verhaltensweisen und Einstellungen nachzuahmen versuchen. Selbstfindung kann sich ohne Vorbilder auch nicht vollziehen. Speziell junge Menschen versuchen ihre Schwächen und Unsicherheiten durch die Nachahmung von Vorbildern und/oder Teenidolen auszugleichen, wobei Massenmedien die Jugendlichen darin unterstützen, indem sie Menschen hervorheben und vermitteln, dass diese „Stars“ perfekt sind.
Allerdings können nicht nur reale Menschen als Vorbild dienen, sondern es kann sich dabei auch um fiktive Personen aus Romanen oder Filmen handeln. Vorbilder haben daher oft Leitbildfunktionen, die sich auf konkrete, nachprüfbare Faktoren stützen. Viele Mädchen schwärmten in ihrer Kindheit bzw. Jugend für eine ganz bestimmte weibliche Figur aus Büchern oder Fernsehen, die implizit oder explizit als Vorbild fungierte und sie ein kleines Stück auf ihrem Lebensweg begleitetete und damit auch ein wenig deren Persönlichkeit prägte. Nach einer Aussage des Psychologen Alfred Gebert nehmen weibliche Kindheitsidole durchaus auch einen Einfluss auf die Persönlichkeitsbildung von Frauen, denn wenn jemand Pippi Langstrumpf bewunderte, ist für sie vermutlich Freundschaft sehr wichtig geworden. Wenn ein Mädchen sich an Luzie, dem Schrecken von Charly Brown, ein Vorbild nahm, wird sie vielleicht eher energievoll und kreativ werden. Wer die Märchenbraut Arabella bewunderte, strebt wohl eher ein Leben in Harmonie an, während Mädchen, die sich mit Gaby aus TKKG (Tim, Karl, Klößchen, Gaby) identifizierten, oft auch im späteren Leben eher Mädchen bleiben und sich einen Partner an ihrer Seite wünschen, der sie beschützt, während sich weibliche Biene Maja-Fans vielleicht zu Alpha-Tieren entwickeln und bestimmen wollen, was um sie herum vorgeht. Ein Mädchen, das Bibi Blocksberg bewundert hat, ist vielleicht auch später eher tough, aktiv und unkompliziert, während ein Mädchen, das die Rote Zora verehrte, neuen Erfahrungen gegenüber aufgeschlossen sein wird.
Wissenschaftliche Vorbilder
In Experimenten wurde untersucht, ob Menschen bei ihren Rollenvorbildern eher durch deren außergewöhnliche Begabung oder durch deren wissenschaftliche Beharrlichkeit motiviert werden. Es zeigte sich, dass die Motivation dann höher war, wenn sie einem Wissenschaftler folgten, dessen Erfolg mit Anstrengung und nicht mit angeborenem Talent verbunden war. Auffällig war dabei, dass die beobachteten Effekte solcher Rollenvorbilder in der Studie von Hu et al. (2020) vor allem für Frauen galten, während unter den männlichen Probanden kaum ein Unterschied in Motivation oder Ansicht beobachtet wurde.
Mit aktuellen Idolen und Vorbildern beschäftigt sich Daniela Noack in einem Artikel der Berliner Morgenpost vom 25. August 2018 unter dem Titel „Warum ich Marilyn Monroe verehre. Ob Leinwandgröße, Rockstar, Sportler oder YouTuber: Fast jeder von uns hat ein Idol. Wie hat sich der Starkult verändert? Und welche Funktion haben Vorbilder?“
WWW: https://www.morgenpost.de/familie/article215158799/Warum-ich-Marilyn-Monroe-verehre.html
Literatur
Hu, Danfei, Ahn, Janet N., Vega, Melissa & Lin-Siegler, Xiaodong (2020). Not All Scientists Are Equal: Role Aspirants Influence Role Modeling Outcomes in STEM. Basic and Applied Social Psychology, 42, 192-208.