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phonologische Bewusstheit

    Als phonologische Bewusstheit oder phonematisches Bewusstsein bezeichnet man die Fähigkeit, die Struktur der Lautsprache zu erkennen und mit Sprachelementen zu operieren. Die phonologische Bewusstheit ermöglich, die Aufmerksamkeit auf die formalen Eigenschaften der gesprochenen Sprache zu lenken, etwa auf den Klang oder die Lautstruktur der Wörter beim Reimen, auf Wörter als Teilen von Sätzen, auf Silben als Teilen von Wörtern und letztlich vor allem auf die einzelnen Laute der gesprochenen Wörter. Die phonologische Bewusstheit gilt als die zentrale Fähigkeit zum alphabetischen Zugang und damit zum lautgetreuen Lesen und Schreiben.

    Das phonematische Bewusstsein ist nicht angeboren, sondern muss schon möglichst früh erlernt und geübt werden. Man unterscheidet dabei zwischen phonologischer Bewusstheit im weiteren und im engeren Sinn. Schon im Kindergarten erwerben Kinder jene Kompetenzen, die später in der Schule und im Leben notwendig sind, wobei das wichtigste die Sprache ist, da sie in viele Lebensbereiche hineinspielt. Wer keine Worte hat, kann sein Denken nicht entwickeln. Es geht dabei vor allem darum, ein „phonologisches Bewusstsein“ zu entwickeln, denn Kinder müssen Silben unterscheiden können, um später lesen und schreiben zu lernen.

    Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn sind etwa Reime erkennen oder Wörter in Silben zerlegen. Diese Fähigkeit wird als basale Vorläuferfertigkeit für den Schriftspracherwerb angesehen, die viele SchulanfängerInnen bereits in einem hohen Ausmaß besitzen. Diese Fähigkeiten orientieren sich eher an der Oberflächenstruktur der Sprache. Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinn ist auf die Lautstruktur gerichtet und bezieht sich auf Anforderungen wie z. B. Anlaute erkennen oder Laute synthetisieren: Wo hörst du das M in Maus? Vorne, in der Mitte, oder hinten? Wie heißt das Wort Opa wenn du das a durch ein i ersetzt? Und welches Wort bleibt, wenn du bei Bauer das B weglässt? Das phonematische Bewusstsein im engeren Sinn entsteht als schriftsprach-spezifische Voraussetzung erst im Zusammenhang mit der Einsicht in das Laut/Schrift-Prinzip.

    Die Bedeutsamkeit der phonematischen Fähigkeiten wird durch eine große Anzahl an Studien belegt, die den Zusammenhang zwischen phonologischer Bewusstheit und späteren Lese- und Rechtschreibleistungen immer wieder belegen. Solche Untersuchungen zeigen, dass eine Überprüfung der Reimfähigkeit im Vorschulalter Lesen und Rechtschreiben bis ins vierte Schuljahr vorhersagen kann. Bei Kindern mit niedrigen phonematischen Fähigkeiten sind meist ohne zusätzliche Fördermaßnahmen nicht in der Lage, den phonologischen Code der Schriftsprache zu entschlüsseln. Solche Lese- und Rechtschreibprobleme, die durch solche phonologischen Defizite entstanden sind, können später nur schwer beseitigt werden.

    Risiken für den späteren Schriftspracherwerb bestehen insbesondere dann, wenn nicht nur eine niedrige phonologische Bewusstheit festgestellt werden kann, sondern wenn gleichzeitig sprachgebundene Informationsverarbeitungsprozesse stark verlangsamt ablaufen und Defizite im verbalen Kurzzeitgedächtnis nachweisbar sind. Mittels Testverfahren sollte schon vor der Einschulung die phonologische Bewusstheit im engeren und weiteren Sinne geprüft werden, aber auch Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistungen eines Vorschulkindes, das phonetische Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis und die visuelle Aufmerksamkeit für Schriftmaterial. Risikokinder können dadurch erfasst und mit gezielten Maßnahmen gefördert werden.

    Die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, d.h., eine kohärente mentale Repräsentation von Textinhalten zu erstellen, ist eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche schulische und außerschulische Entwicklung. Es ist daher ein Anliegen jedes Bildungssystems, Leseschwierigkeiten frühzeitig zu diagnostizieren und mithilfe zielgerichteter Interventionsprogramme zu fördern. Dies erfordert ein umfassendes Wissen über die kognitiven Teilprozesse, die dem Leseverstehen zugrunde liegen, ihre Zusammenhänge und ihre Entwicklung. Dabei leisten sowohl phonologische Rekodier- als auch orthographische Dekodierfertigkeiten zum Satz- und Textverstehen signifikante und eigenständige Beiträge zum Leseverstehen, wobei sich ihr relativer Beitrag über die Klassenstufen hinweg kaum verändert. Darüber hinaus zeigt sich, dass bereits ZweitklässlerInnen den Großteil geschriebener Wörter in altersgerechten Texten über orthographische Vergleichsprozesse erkennen, aber dennoch offenbar kontinuierlich phonologische Informationen nutzen, um die visuelle Worterkennung zu optimieren.

    Würzburger Trainingsprogramm zur phonologischen Bewusstheit

    Linkempfehlung: Das Würzburger Trainingsprogramm zur phonologischen Bewusstheit wurde in den 1990er Jahren am Psychologischen Institut der Universität Würzburg entwickelt. Es besteht aus insgesamt 57 „Sprachspielen“ mit sechs Übungseinheiten und wird im letzten Kindergartenhalbjahr von Erziehern durchgeführt. Das Training erstreckt sich über insgesamt 20 Wochen mit täglichen 10-minütigen Sitzungen. Das Übungsprogramm gibt Kindern im Vorschulalter Einblick in die Welt der Laute, vermittelt Freude im Umgang mit der Sprache und erleichtert auf diese Weise später in der Schule das Lesen und Schreiben. Das Programm ist dann anzuraten, wenn die Kinder Defizite in der phonologischen Bewusstheit aufweisen und keine Förderung der phonologischen Bewusstheit im Kindergarten erfolgt. Hinweise auf diesbezügliche Probleme der Kinder von Erzieherinnen oder eigene Vermutungen sollten unbedingt ernst genommen werden und ggf. auch von psychologisch-pädagogisch geschulten Fachkräften in Frühförderstellen, Erziehungsberatungsstellen usw. diagnostisch abgeklärt werden. Wenn sich die Eltern dann zur Durchführung des Trainingsprogramms mit der Multimediaversion entschließen, sollten Sie nach Möglichkeit auch Kontakt zu einer Beratungsstelle oder zu anderen geeigneten Einrichtungen oder Personen halten, die sie bei dieser Fördermaßnahme beratend begleiten.

    Link: http://www.phonologische-bewusstheit.de/ (11-09-16)


    Übungen zur phonologischen Bewusstheit

    Schreibenlernen ist für Kinder ein äußerst komplexer Prozess und erfordert als wichtige Voraussetzung die phonologische Bewusstheit. Die phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit, die Lautstruktur von Silben und Wörtern zu analysieren, zu erkennen und zu verändern. Diese Fähigkeit kann spielerisch und ganz ohne Leistungsdruck mit Kindern vor dem Eintritt in die Schule erarbeitet werden, wobei auch Grundschulkinder, die Probleme mit dem Schreiben und Lesen haben, von Übungen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit profitieren.

    Folgende Aktivitäten fördern die Basis und die Grundlagen der phonologischen Bewusstheit:

    • Beim Vorlesen aus einem Kinderbuch kann man die Wörter mit dem Finger verfolgen, sodass ein Kind nebenbei erkennt, dass von links nach rechts geschrieben wird und es dann eine Zeile tiefer weiter geht. Auch das Vorlesen von Schildern oder Wörtern auf Verpackungen sind eine wertvolle Unterstützung, denn Kinder erleben es als Erfolg, wenn sie beim nächsten Mal schon selber das Wort über dem Geschäft „vorlesen“ können.
    • Das Reimen, etwa das Vorlesen aus gereimten Kinderbücher oder das gemeinsame Singen von Reimliedern, sind eine gute Vorübung, wobei man zwischendurch betonen sollte, welche Wörter sich reimen und welche sich nicht reimen.
    • Das Silbentrennen kann man mit Klatsch-Spielen üben, indem man eine gesprochene oder gesungene Silbe durch Klatschen betont
    • Besonders wichtig ist das Erkennen von Anlauten, etwa durch das gezielte Nachfragen, ob ein Kind den richtigen Anlaut bei einem Wort erkennen kann.
    • Eine weitere wichtige Voraussetzung für das Schreiben ist eine ausgeprägte Feinmotorik und auch Kraft in den Fingern und Händen, um ein Schreibgerät zu halten und zu führen. Das kann man durch Basteln oder Kneten fördern, denn das stärkt die Muskulatur der Hände und Finger, in man etwa beim Backen das Kind den Teig kneten lässt.
    • Auch kann man die Feinmotorik bei Aufgaben im Alltag üben, etwa beim Unkrautzupfen, beim Wäscheaufhängen, beim Verschlüsseauf- und zudrehen, oder beim putzen.

    Literatur

    http://www.buchklub.at/Unterrichtsimpulse/Eltern/Leichter-lesen/LESEFIT-FAQ/Was-heisst-eigentlich-phonologische-Bewusstheit.html (11-12-21)
    http://www.freiburg.de/pb/,Lde/640128.html (14-08-03)


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