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Neugiermotiv

    Die Neugierigen befinden sich immer in Gefahr. Wenn du neugierig bist, kommst du vielleicht nie wieder nach Hause.
    Jeanette Winterson

    Im Laufe der Evolution hat sich ein Verhaltenssystem herausgebildet, das Mensch und Tier veranlasst, sich neuen, unbekannten und unvertrauten Reizen und Sachverhalten zuzuwenden, ihre Aufmerksamkeit auf sie zu richten und sie durch Inspektion und Manipulation zu erkunden. In der Motivationspsychologie wird dieses explorierende Verhaltenssystem als Neugiermotiv bezeichnet und man geht davon aus, dass auch Menschen von Geburt an damit ausgestattet sind.

    In der allgemeinen Entwicklungspsychologie wird seit den Untersuchungen von Jean Piaget in den 40er und 50er Jahren das Neugiermotiv als eine zentrale Erklärung für die geistige Entwicklung herangezogen. Auch moderne Entwicklungstheorien betrachten die Neugier als wichtige Antriebskraft für die Eigentätigkeit eines Kindes in seiner Auseinandersetzung mit der Umwelt. Schon im Kleinkind- und Vorschulalter lassen sich allerdings große Unterschiede in der Zuwendung zu neuen Objekten und Ereignissen beobachten, in der Art und Ausdauer, mit der sie Dinge erforschen, sowie in der Freude, die sie dabei zum Ausdruck bringen. Man unterscheidet in der Regel zwischen spezifischem und diversivem Neugierverhalten:

    • Spezifisches Neugierverhalten wird von Anreizen der Umwelt ausgelöst. Diese Anreize sind kollativ, da sie nur im Vergleich zu anderen Sachverhalten und auf ein Individuum zutreffen. Die Anreize müssen neu sein, zweideutig und mit objektiver Unsicherheit verbunden. In Experimenten bot man Probanden jeweils zwei Tierbilder nebeneinander. Das eine Bild kehrte immer wieder, das andere wechselte. Die Probanden sahen schließlich nur noch auf das neue Bild. So konnte man auch die Neugiermotivation von Säuglingen messen. In einem weiteren Versuch wurden Kinder beim Spielen mit einer Kiste beobachtet, die ab und zu Lichtsignale und Töne von sich gab. Das Neugierverhalten nahm umso schneller ab, je weniger Effekte die Kiste zeigte (nur Licht, nur Ton, gar nichts). Auch bei mehr Effekten sank die Neugier nach einem Anstieg dann ab. Dafür nahm das Spielen zu. Junge Hausschweine bevorzugten denjenigen Auslaufstall, in dem immer ein neues Objekt lag und betraten später den anderen Stall, in dem immer das selbe Objekt lag, nicht mehr. Offensichtlich findet eine Sättigung statt. Erst durch eine Veränderung oder durch eine Konfrontation nach einer Pause erlangt das Objekt wieder seine Neuheit zurück.
    • Diversives Neugierverhalten tritt in monotonen Situationen auf und beweist, dass Mensch und Tier ein Verlangen nach Abwechslung, Stimulation und Information haben. Untersucht wurde das mit deprivierten Probanden, die in einem geräuschabgeschirmten, halbdunklen Raum auf einem Bett angeschnallt liegen. Sie durften nur zu den Mahlzeiten und zur Toilette das Bett verlassen. Dieser Zustand wurde als zunehmend aversiv erlebt, je länger die Deprivation dauerte. Der Wunsch nach Stimulation wird größer. So konnten sich Versuchspersonen in einem 7-Tage-Versuch in der 6., 78. und 150. Stunde einen Börsenbericht abspielen lassen. Die Probanden machten davon zunehmende Gebrauch, je länger sie depriviert waren.
      Dieses Bedürfnis nach Stimulation wurde mit einem homöostatisch funktionierenden Informationsbedürfnis erklärt, das ähnlich wie Hunger und Durst arbeitet. Das Zentralnervensystem funktioniert offensichtlich nur optimal bei einem mittleren Informationsfluss. Man kann auch vermuten, dass Lebewesen generell diese Aktivierung auch durch eigenes Verhalten regulieren. Diversives Neugierverhalten kann daher als auch einer zentralnervösen Aktivierungssteigerung dienen, wobei die Information umso wertvoller ist, je höher ihr Informationsgehalt ist. Probanden etwa, die reizdepriviert waren, hatten die Möglichkeit sich Lichtfolgen abspielen zu lassen. Dabei stieg die Nachfrage in den ersten neun Stunden und fiel dann stark ab. Die Unsicherheit wurde gestaffelt. Je größer sie war, desto häufiger wurde die Lichtsequenz abgespielt.

    Diese Lust auf Neues verändert sich auch  im Laufe des Lebens, denn ein Fünfjähriger stellt weit über fünfzig Fragen pro Tag, während ein Erwachsener im Durchschnitt nur noch fünf Fragen stellt und diese Frequenz erst im Rentenalter wieder ansteigt.


    Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass neugierige Menschen offener für neue Erfahrungen sind, schneller lernen, gewissenhafter arbeiten, mehr positive soziale Erlebnisse haben, erfolgreicher sind und sogar länger leben sollen. Siehe dazu „Neugierige Menschen lernen leichter„.


    Randständiges: Pandora, in der griechischen Mythologie die erste Frau, die es in der Welt gab, bekam eines Tages eine Büchse überreicht. Gott Zeus wies sie an, die Büchse an alle anderen Menschen weiterzugeben, diese aber unter keinen Umständen zu öffnen. Als Pandora dies aber aus Neugier doch tat, entließ sie damit Krankheiten und Tod in die Welt.


    Siehe dazu ausführlich: Neugier – ein spezielles Motiv

    Übrigens: Wissen Sie, wie man sich richtig langweilt?


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    Ein Gedanke zu „Neugiermotiv“

    1. Gehirnforscher

      Wer also neugierig bleibt und seinen Geist fordert, kann dem Altern des Gehirns wirksam entgegenwirken. Hirnforscher vermuten, dass ein geistig aktiver Lebensstil das Gedächtnis und die Denkgeschwindigkeit verbessert – und sogar den Ausbruch einer Demenz um Jahre hinauszögern kann. Nervenzellen leben umso länger, je mehr man sie nutzt. Es liegt also an uns, unser Gehirn zu trainieren und es bis zum Lebensende in einem so guten Zustand zu halten, wie wir es uns vorstellen: Dieses Organ altert nicht.

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