Als Penisneid versteht man in der traditionellen Psychoanalyse Sigmund Freuds die Emotion, nach der Mädchen auf Grund des wahrgenommenen anatomischen Unterschiedes einen Neid auf das Glied eines Mannes verspüren. Freud ging von einer ursprünglichen Bindung zwischen Mutter und Tochter aus. Der Penisneid markiert dabei eine Bruchstelle in dieser Beziehung, weil die Tochter der Mutter vorwirft, sie mit einem Mangel geboren zu haben. Die Tochter wendet sich daher von der Mutter ab und dem Vater zu. Diese berühmte These der klassischen Psychoanalyse gilt nicht nur aus feministischer Perspektive als äußerst umstritten, und wird in der originalen Form kaum mehr vertreten.
Etwa zwischen dem 18. Und 24. Lebensmonat können Kinder das eigene Geschlecht richtig zuordnen. Knaben reagieren mit einer gesteigerten Aktivität, d. h., ein Bub kann sein Genital angreifen, es vergrößert sich unwillkürlich, und es ist somit ein interessantes, bewundernswertes und zu schützendes Objekt. Mädchen reagieren auf die Entdeckung des Geschlechtsunterschiedes mit einer Steigerung ihrer Symbolisierungsfähigkeit, d. h., sie sind kreativ, können sich etwa besser grafisch ausdrücken. Dieser anatomisch bedingte Unterschied, kann unter Umständen bedeuten, dass Mädchen in dieser Phase mit Neid reagieren, etwas haben möchten, was andere auch haben, wie dies in dieser Entwicklungsphase mit Spielzeug oft der Fall ist. Dieser Neid des kleinen Mädchens bezieht sich auf ein reales Objekt. Der Neid des Mädchens auf den Penis verschwindet in der normalen Entwicklung, je eindeutiger das Mädchen als solches akzeptiert und wert geschätzt wird. Die Kastrationsangst des Mädchens ist ursprünglich auf die Phantasie bezogen, dass dem Mädchen sein Penis weggenommen, abgeschnitten oder weggezaubert wurde. Später ist die Kastrationsangst symbolisch zu verstehen, sie bedeutet die Angst, etwas unwiederbringlich verloren zu haben, von etwas Wichtigem wie Menschen, Lebensräumen, Lebensstilen abgeschnitten worden zu sein. Diese Angst reicht mit ihren Wurzeln tief in die Mutter-Kind-Symbiose, zu den Ängsten, der Hilflosigkeit und des Verlorenseins, bei Gewahrwerden einer Trennung von der Mutter. Dieses Gefühl der totalen Ohnmacht ist ein unausweichliches Grundgefühl, das auch aus der langen Entwicklungszeit und der daraus resultierenden Abhängigkeit des Menschen stammt.
Der Penisneid der erwachsenen Frau ist hingegen eine Metapher für Benachteiligung, Zurücksetzung und hat nur mehr wenig mit den realen infantilen Neidgefühlen zu tun. Allerdings stammt die Intensität von und das Leiden unter erwachsenen Neidreaktionen sehr wohl vom Umgang mit dem kleinen Mädchen, besonders Ungleichbehandlungen, im Zusammenhang.
In der Phallische Phase (4.-5. Lebensjahr) werden die Geschlechtsorgane zu erogenen Zonen, denn Knaben stellen fest, dass bei Mädchen das Glied fehlt und führen dies auf eine Bestrafung zurück. Daraus entwickelt sich bei ihnen die Kastrationsangst, während es bei Mädchen eben zum Penisneid kommt. Die Beziehung zu den Eltern ist durch den Ödipuskomplex bestimmt, d.h., es treten Rivalitätsgefühle mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil auf, der andersgeschlechtliche wird geliebt. Gleichzeitig fürchtet das Kind den Verlust der Liebe des gleichgeschlechtlichen Elternteils, wobei dieser Konflikt durch die Unterdrückung dieser sexuellen Wünsche beigelegt wird.
Siehe dazu Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Sigmund Freud.
Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Penisneid (08-11-21)
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungFreud.shtml (08-11-21)
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrakomplex (08-11-24)