Bei der Sexualität handelt es sich um die Gesamtheit aller mit dem Geschlecht zu erklärenden Erscheinungen und Verhaltensweisen eines Menschen. Die Sexualität gilt als ein primäres Motiv für menschliches Verhalten, sie hat eine instrumentelle Funktion und dient u. a. der Reproduktion, dem Aufbau und der Aufrechterhaltung von Beziehungen, der Selbstbestätigung und steht in Interaktion mit emotionalen Zuständen. Verschiedene Aspekte des sexuellen Erlebens und Verhaltens können vor dem Hintergrund von Persönlichkeitsmerkmalen und Geschlechtsunterschieden differentialpsychologisch sowie im Kontext sozialpsychologischer Einflussfaktoren betrachtet werden.
Die klinische Sexualforschung definiert eine breite Palette von sexuellen Störungen und verfügt über ein Repertoire an sexualtherapeutischen Maßnahmen zur Behandlung dieser Störungen. Die Sexualität ist weder ausschließlich als biologische Körperfunktion noch als psychische Funktion zu begreifen, für die Erlebnis- und Funktionsfähigkeit im Sexuellen sind anatomische, genetische, physiologische, hormonelle und biochemische Grundlagen ebenso bedeutsam wie Gefühle, Phantasien, Erinnerungen und Kognitionen. Somit ist ein Ineinandergreifen biologischer und psychologischer Vorgänge sowohl für die störungsfreie Sexualität als auch für sexuelle Störungen essentiell.
Auch wenn heute bei Menschen die Sexualität weitgehend von den evolutionären Zielen abgekoppelt ist, ist dennoch eine hedonistische Landkarte in den Gehirnen verblieben, die mit Genussempfinden zu tun hat: die Substantia nigra im Großhirn und im Bulbus olfactorius, jenem vorgestülpten Teil des Gehirns, der der Geruchswahrnehmung dient. Riechen war früher der erste Schritt zur Lustgewinnung und ist noch immer von großer Bedeutung, wenn etwa Menschen über das Riechen das Immunsystem bzw. die passenden Pheromone eines potenziellen Geschlechtspartners erahnen können. Dabei gilt: je unterschiedlicher desto besser, denn dann ist dieser Partner mit einem sehr unterschiedlichen Immunsystem ausgestattet, was der Erhaltung der Art dient.
Im Buch „Unsere Sexualitäten. Teil I: Basics – Probleme – Lösungen“ von Steffen Fliegel findet sich einerseits ein sachlich fundierter Überblick über alle Erscheinungsformen der menschlichen Sexualitäten sowie deren Störungen und bezieht sich dabei auf Frauen, Männer, diverse Personen und Paare, andererseits werden Behandlungs- und Bewältigungsmöglichkeiten sehr detailliert und praxisnah beschrieben. Das Buch ist so aufgebaut, dass Fachleute mit einer qualifizierten psychosozialen Beratungskompetenz oder einer Qualifikation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut Menschen mit sexuellen Problemen bei der Informationsgewinnung, Problemanalyse und Lösungssuche bzw. Bewältigung umfassend helfen können. Dieses Buch wendet sich daher zwar an alle am Thema Interessierte, aber vor allem auch an Fachleute aus Psychotherapie und Beratung, die mit den Inhalten umfassend auf aktuellem Wissensstand arbeiten können, zumal auch für sie der ausführliche Praxis- und Übungsteil (Sexualtherapeutische Schätze) wertvolle Informationen liefert.
Sexualität im Alter
In der Berliner Altersstudie II wollte man herausfinden, welche Faktoren dazu beitragen, dass Menschen möglichst gesund älter werden, wobei Daten von 1.514 Erwachsenen im Alter von 60 bis 82 Jahren mit Blick auf ihre sexuelle Aktivität, sexuelle Gedanken und Intimität zu Faktoren, die mit erfolgreichem Altern in Verbindung stehen, wie körperliche Fitness und soziale Einbettung, verglichen wurden. Kontrollstichprobe waren Daten von 475 jüngeren Erwachsenen im Alter von 22 bis 36 Jahren. Ältere Menschen sind demnach im Durchschnitt zwar sexual weniger aktiv und haben weniger sexuelle Gedanken als jüngere, im Erleben von Gefühlen wie Intimität und Geborgenheit gibt es zwischen den beiden Stichproben jedoch nur geringe Unterschiede. Psychosoziale Faktoren spielten dabei für die Sexualität der älteren Menschen insgesamt eine größere Rolle als körperliche. Dabei können diese entscheidend sein, solange körperliche Einschränkungen nicht im Wege stehen. Auch wenn der Durchschnitt der älteren Erwachsenen weniger sexuell aktiv ist als die jungen, so gab dennoch fast ein Drittel der älteren Probanden an, häufiger sexuell aktiv zu sein und häufiger sexuelle Gedanken zu haben als der Durchschnitt der jüngeren. Es zeigt sich aber auch, dass es eine große Streuung in den diesbezüglichen Aktivitäten älterer Menschen gibt (Kolodziejczak et al., 2019).
Das Wort Sexualität wurde erst 1820 von August Henschel in seinem Buch „Von der Sexualität der Pflanze“ eingeführt. Davor war der sexuelle Bereich offensichtlich ganz selbstverständlich mit allen anderen Lebensbereichen verwoben und wer anderen sexuelle Erlebnisse, Bedürfnisse usw. mitteilen wollte, tat dies konkret und differenziert. Der gegenwärtige Sprachgebrauch ist dagegen äußerst abstrakt und wenn man heute von Sexualität spricht, verhüllt man mehr als man offen legt. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte die sexuelle Revolution, welche zeigte, dass sich die Beziehung zwischen Mann und Frau wandeln konnte.
Literatur
Kolodziejczak, K., Rosada, A. Drewelies, J., Duezel, S., Eibich, P., Tegeler, C., Wagner, G. G., Beier, K. M., Ram., N., Demuth, I., Steinhagen-Thiessen, E., & Gerstorf, D. (2019). Sexual activity, sexual thoughts, and intimacy among older adults: Links with physical health and psychosocial resources for successful aging. Psychology and Aging, 34, 389-404.
https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sexualitaet/14152 (17-08-03)
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/JUGENDALTER/Koerper-Sexualitaet-Entwicklung.shtml