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Craving

    Craving oder Substanzverlangen ist ein Fachbegriff aus dem Bereich der Suchtmedizin und beschreibt den Suchtdruck, wobei der Begriff das unwiderstehliche Verlangen bis hin zum Zwang beschreibt, das bei Zwangs- und Suchterkrankungen vorkommt. Es ist zu beachten, dass mit Craving  ein subjektives Gefühl bezeichnet wird und nicht das Verhalten. Bei den von Craving Betroffenen besteht der starke Wunsch, einen bestimmten Stoff zu konsumieren (Alkohol, Drogen, Medikamente, Nikotin etc.) bzw. einer bestimmten Tätigkeit (Spielen, Traden) nachzugehen. Das starke, kaum bezwingbare Verlangen nach abgesetzten Substanzen oder Tätigkeiten ist ein zentrales Merkmal von Sucht, sodass eine Art von Suchtgedächtnis vorhanden ist. Man konnte übrigens bei pathologischen Untersuchungen (Seltenhammer et al., 2016) an verstorbenen Heroinsüchtigen noch dieses Suchtgedächtnis nachweisen, da sich bei chronisch kranken Menschen mit einer Suchterkrankung im Belohnungszentrum des Gehirns das Protein FOS-B genetisch verändert, abgespalten und verkürzt wird. FOS-B ist dabei ein Transkriptionsfaktor im Gehirn, der gemeinsam mit anderen Molekülen im Rahmen der Reizübertragung beteiligt ist, um genetische Informationen zwischen den Zellen zu transportieren. Dieses Protein hat auch einen Anteil daran, ob bestimmte Gene aktiv werden oder nicht. Durch die ständige Versorgung durch Drogen wie Heroin wird FOS-B zu Delta-FOS-B, das bei chronischem Konsum immer mehr angeregt wird und auch Wachstumsfaktoren beeinflusst und strukturelle Veränderungen (siehe dazu Neuroplastizität) im Gehirn bewirkt. Die Auswirkungen dieser chronischen Reize sind somit auch noch nach dem Tod als Suchtgedächtnis nachweisbar.

    Das Auftreten von Craving ist in hohem Masse zustands- und situationsabhängig, d.h., es kann zeitweise gar nicht oder kaum vorhanden sein und dann wieder subjektiv ausgesprochen stark erlebt werden. Als eine mögliche Ursache für Craving werden Störungen des Belohnungssystems im Gehirn vermutet, lerntheoretisch kann man Craving als konditionierte Reaktion auf substanzbezogene Reize verstehen. Um Craving zu verhindern, werden zahlreiche Methoden eingesetzt, insbesondere Substitute des Suchtmittels, d.h., Ersatzmittel. Neben psychologischer Verfahren bieten daher auch Medikamente Hilfe bei der Behandlung etwa von Alkoholismus oder Nikotinsucht, d.h., sie unterdrücken das Craving nach Alkohol bzw. Nikotin, denn die Verminderung des Suchtdrucks spielt eine ganz zentrale Rolle bei der therapeutischen Behandlung. Erst, wenn der Drang nach Alkohol oder Nikotin reduziert und so der Konsum des Suchtmittels reduziert oder sogar ganz verhindert wird, kann eine physische und psychische Regeneration beginnen.

    Eine Studie stellte übrigens einen Zusammenhang zwischen Rauchen und einer niedrigeren Dopaminausschüttung im Gehirn her, und zwar zeigte sich, dass Raucher weniger Dopamin als Nicht-Raucher produzieren. Bei Menschen, die mit dem Rauchen aufgehört haben, regelt sich der Dopaminspiegel erst innerhalb der ersten drei rauchfreien Monate wieder auf den Normalzustand ein, sodass deshalb möglicherweise die Betroffenen in dieser Zeit sehr anfällig für einen Rückfall sind, möglicherweise eben aufgrund des dabei auftretenden Dopamin-Defizits. Der Dopaminspiegel steht daher auch mit der Entstehung von Suchterkrankungen im Zusammenhang, denn das menschliche Verhalten wird durch Belohnung von außen, aber auch durch innere Belohnungen verstärkt. Wenn dieser Prozess nicht mehr richtig gesteuert wird, ist der Betroffene ständig auf der Suche nach noch mehr Belohnungen, was eine wichtige Vorstufe zu jeder Sucht darstellt. Wenn dann die Kontrolle fehlt, wird ein krankhaft süchtiges Verhalten daraus, denn Suchtmittel beeinflussen ihrerseits die Dopaminausschüttung und begünstigen damit, dass der Mensch ein Verlangen nach diesen Stoffen entwickelt.

    Eine Studie zeigte übrigens deutlich, dass Anti-Craving-Mittel in Verbindung mit Psychotherapie die Rückfallrate von Alkoholikern verringern oder hinauszögern, allerdings muss der Süchtige sehr stark motiviert sein, wobei es nicht ausreicht, wenn die Betroffenen nur grundsätzlich bereit zu einer Behandlung sind. Anti-Craving-Mittel senken das Verlangen nach Alkohol, gehören aber noch nicht zur Standardbehandlung bei Alkoholabhängigkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Alkoholiker trocken blieben, war in der Studie doppelt so hoch, wenn die Alkoholiker Anti-Craving-Mittel bekamen, jedoch viermal so hoch war sie, wenn die Süchtigen zusätzlich eine Psychotherapie machten.

    Ein Mittel gegen Craving könnte nach einer Untersuchung von Skorka-Brownet al. (2015) das Computerspiel Tetris sein, denn in einer Studie an Studenten mittels SMS-Frage, ob sie gerade Lust auf Junkfood, Alkohol, Kaffee oder Sex hätten, musste die Hälfte der Probanden drei Minuten lang Tetris spielen, ehe sie abermals befragt wurden. Nach dieser Studie ging die Stärke des Verlangens nach drei Minuten Tetris auf Grund der Ablenkung von 70 auf 56 Prozent zurück.

    Literatur

    Seltenhammer, M. H., Resch, U., Stichenwirth, M., Seigner, J. & Reisinger, C. M. (2016). Accumulation of Highly Stable ΔFosB-Isoforms and Its Targets inside the Reward System of Chronic Drug Abusers – A Source of Dependence-Memory and High Relapse Rate? J Addict Res Ther, doi:10.4172/2155-6105.1000297.
    Skorka-Brown, J. Andrade, J.,Whalley, B. & May, J. (2015). Playing Tetris decreases drug and other cravings in real world settings. Addictive Behaviors, 51, 165–170.
    Veltrup, Clemens,  Einsle, Franziska,  Lindenmeyer, Johannes,  Wetterling, Tilmann &  Junghanns, Klaus (2001). Die Erfassung des Cravings bei Alkoholabhängigen. Suchttherapie, 2, 14-24.
    Vernaleken, I. & Rademacher, L. (2016). Smoking-related deficits in brain dopamine return to normal after quitting.
    WWW: http://www.news-medical.net/news/20160728/Smoking-related-deficits-in-brain-dopamine-return-to-normal-after-quitting-study-reports.aspx (16-08-06)


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