Polyamorie ist keine psychische Krankheit, sondern der Begriff steht für ein soziales Phänomen bzw. eine besondere Lebensweise im Umgang mit zwischenmenschlichet Beziehungen. Der Begriff beschreibt demnach die Praxis von Menschen, Liebebeziehungen zu mehr als einer Person zu haben. Polyamorie bedeutet daher, mehr als eine Person zur selben Zeit erotisch zu lieben, wobei im Gegensatz zum Fremdgehen dies hier mit der Einwilligung sämtlicher Beteiligten geschieht. Morning Glory Zell definierte Polyamorie als die Praxis, den Zustand oder die Fähigkeit, mehr als eine liebevolle sexuelle Beziehung zur gleichen Zeit zu führen, mit vollem Wissen und Einverständnis der beteiligten Partner. Statt „Polyamorie” wird im deutschsprachigen Raum bisher in der Mehrzahl der Fälle die englische Schreibweise „Polyamory” vorgezogen. Im Gegensatz zum monogamen Lebensstil sind folgende Merkmale kennzeichnend:
- Ehrlichkeit und Transparenz
- Gleichberechtigung und Konsens (Poly ist nicht patriarchale Polygynie)
- Langfristige Orientierung
Im Detail:
Ehrlichkeit und Transparenz
Die jeweiligen Partner und Beteiligten wissen um die anderen Partner und Beteiligten. Das jeweilige Beziehungsnetzwerk ist offen gelegt, vielleicht kennen sich die Beteiligten auch untereinander. Es werden keine Anstrengungen unternommen, etwas geheim zu halten. Es wird dem jeweiligen Partner zugetraut, mit den auftretenden Gedanken und Emotionen umzugehen. Dieses Merkmal unterscheidet Polyamorie von heimlichen Liebschaften, Seitensprüngen und weiteren Begleiterscheinungen monogamer Partnerschaftsformen: Polyamorie ist nicht „Betrügen.“
Gleichberechtigung und Konsens
Alle Beteiligten sind mit den vorhandenen Beziehungen einverstanden oder sind zumindest bereit, nach Wegen zu suchen, um diesen Konsens herzustellen. Die Bedürfnisse aller Beteiligten haben gleiches Gewicht, und es geht darum, auf einer gleichberechtigten Ebene Lösungen zu finden. Jedem Partner steht es in diesem Modell offen, selbst mehrere erotischen Kontakte zu haben.
Diese Merkmal unterscheidet Polyamorie von den traditionellen patriachalen Formen der Polygamie, bei der ein Mann mehrere Frauen hat, wie sie u.a. bei den Mormonen und im Islam zu finden war und ist: Polyamorie ist nicht patriachale Polygynie.
Langfristige Orientierung
Poly-Beziehungen, auch sekundäre oder tertiäre, sind auf Langfristigkeit angelegt. Das unterscheidet Polyamorie von Swingen.
Nach Ansicht von TherapeutInnen ist Polyamorie ein Balanceakt, der viel Energie kostet und viel Mut verlangt, denn man begibt sich auf unsicheres, neues Terrain, weit weg von der romantisch-monogamen Beziehungsform. So eine Form der Partnerschaft zu führen setzt viel Gesprächsbereitschaft voraus, d. h., die Kommunikation muss in dieser Form der Beziehung das A und O sein. Insgesamt stehen Beziehungsexperten der Polyamorie auf Grund ihrer Erfahrungen dennoch skeptisch gegenüber, denn zwar wird es immer Menschen geben, die diese für sich ausprobieren wollen, doch die Voraussetzung ist stets, dass es allem Beteiligten gut geht, wobei Eifersucht normal ist. Menschen fällt grundsätzlich die Vorstellung schwer, alleine zu Hause zu sitzen, während sich die Partnerin bzw. der Partner mit einem oder einer anderen trifft, denn man kommt nicht drum herum, sich gedanklich auszumalen, was der Partner mit dem oder der Geliebten gerade mach. Meist bleibt es bei einer ersten Phase, in der Paare experimentieren, aber die meisten kehren dann wieder zur Monogamie zurück, trennen sich oder suchen einen neuen Partner.
Homepage: http://www.polyamorie.de/
Übrigens: In einer aktuellen Studie von Wahring et al. (2024) wird die gängige Annahme hinterfragt, dass Romantik und Beziehungen vor allem Frauensache sind. In dieser Meta-Analyse von über 50 Studien, die sich mit heterosexuellen Beziehungen in westlichen Industriestaaten befassen, überprüfte man nun, ob diese gesellschaftliche Vorstellung der Realität entspricht. Die Ergebnisse der Untersuchung widersprechen dem weit verbreiteten Bild und zeigen, dass Männer in der Tat ein stärkeres Bedürfnis nach romantischen Partnerschaften haben als oft angenommen. Man fand heraus, dass Männer in der Regel eher als Frauen sagen, dass eine Partnerschaft für ihr Lebensglück von großer Bedeutung is, auch gaben Männer häufiger an, eine Beziehung zu suchen, verliebten sich schneller und gestehen ihre Liebe eher. Es zeigte sich auch, dass Männer sowohl psychisch als auch körperlich stärker von romantischen Beziehungen profitieren. Die Untersuchung zeigt, dass das Bild des emotional zurückhaltenden Mannes, der weniger Interesse an romantischen Beziehungen hat, nicht der Realität entspricht. Männer suchen Beziehungen oft genauso intensiv wie Frauen, profitieren dabei jedoch besonders stark sowohl auf psychischer als auch auf körperlicher Ebene. Allerdings spiegelt diese Untersuchung nur durchschnittliche Tendenzen wider, so dass es in Einzelfällen durchaus auch Männer geben, denen eine feste Beziehung weniger wichtig ist.
Literatur
Stangl, W. (2025, 12. Jänner). Sind Männer doch romantischer als Frauen? arbeitsblätter news.
https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/sind-maenner-doch-romantischer-als-frauen/.
Wahring, I. V., Simpson, J. A. & Van Lange, P. A. M. (2024). Romantic relationships matter more to men than to women. Behavioral and Brain Sciences, 1-64.
http://polyamorie.de/ (09-11-11)
http://de.wikipedia.org/wiki/Polyamory (09-11-11)
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