Flurschule

Unter Flurschule (auch Gangschule oder Flurtyp), versteht man eine Schulbau- und Unterrichtsform, bei der die einzelnen Klassenräume lineare Anordnung entlang von langen, geschlossenen Fluren haben. Klassenzimmer sind abgeschlossene Boxen, jeweils mit eigener Ausstattung und Zugang über einen Flur, der primär als Erschließungsweg dient. Charakteristisch ist die starke Trennung der Klassenräume voneinander, wenig offene Flächen, kaum Sicht- oder Bewegungsverbindungen zwischen den Klassen, und ein primär lehrkraftzentrierter Unterricht – Frontalunterricht, begrenzte Möglichkeiten für größere Gruppenarbeit oder Bildung von Lernlandschaften. Der Raum dient vor allem als Behältnis für Unterricht in vorgegebenen Zeitabschnitten mit klassischem Stundenplan.

Die geschichtliche Entstehung der Flurschule hängt eng mit den Anforderungen der industriellen Revolution, dem Bedürfnis nach Disziplin, Ordnung und Einheitlichkeit zusammen. Räume wurden möglichst effizient und standardisiert gebaut, Klassenräume ähnlich ausgestattet, um alle Schülerinnen und Schüler möglichst gleichförmig zu unterrichten.

Im Rahmen aktueller bildungs- und architekturtheoretischer Diskussionen wird die Flurschule zunehmend kritisiert. Einige zentrale Kritikpunkte sind:

  • Mangelnde Flexibilität: Die Architektur der Flurschule bindet Lehr- und Lernprozesse an starre Raumstrukturen. Es gibt wenig Möglichkeit, Räume für verschiedene Sozial- und Methodenformen anzupassen (z. B. Gruppenarbeit, offene Lernlandschaften, Differenzierung). Lehrkräfte und Schüler bleiben meist in ihren festen Klassenzimmern.
  • Inkommensurabilität mit modernen pädagogischen Anforderungen: Zeitgemäße Lernziele wie Selbstständigkeit, Kooperation, individuelles Lernen oder digitale Lernformen verlangen Räume mit Transparenz, Offenheit, differenzierbaren Bereichen und Sichtachsen – Aspekte, die klassische Flurschulen nur in begrenztem Maße bieten.
  • Unter Nutzung des Flures verschwenderisches Potenzial: Flure in Flurschulen sind oft reine Verkehrsflächen, die kaum pädagogisch genutzt werden – weder als Treffpunkte, Begegnungszonen noch als Lernflächen. Damit bleibt Raum ungenutzt, der für informelle Begegnungen oder außerschulische Aktivitäten dienen könnte.
  • Psychologische und soziale Effekte: Die starke Trennung und Abgeschlossenheit der Klassenräume kann Isolation begünstigen, reduzierte Sicht nach außen bzw. in das Schulleben hinein sowie geringere informelle Kommunikation zwischen Klassen und Lehrkräften. Schüler/innen erleben weniger Möglichkeiten, sich zu sehen, voneinander zu lernen oder über Klassen hinweg in Austausch zu treten. Dies kann Gemeinschaft und Identifikation schwächen.
  • Bauliche und sicherheitstechnische Herausforderungen bei Umnutzungen: Zum Beispiel, wenn Flure in bestehenden Flurschulen für pädagogische Zwecke geöffnet werden sollen, stehen oft Brandschutzvorschriften, Akustikprobleme oder mangelnde Transparenz zwischen Räumen im Weg. Auch Licht- und Belichtungsverhältnisse sind häufig suboptimal in klassisch angelegten Flurschulen.

Trotz dieser Kritik gibt es auch Argumente, die bei einer nüchternen Betrachtung für Flurschulen sprechen:

  • Wirtschaftlichkeit: Flurschulen sind in der Regel einfacher zu bauen, standardisiert und damit kostengünstiger als komplexe offene Lernhaus- oder Clusterkonzepte.
  • Bekanntheit und Vertrautheit: Lehrkräfte, Schulträger und Entscheidungsträger kennen Flurschulen, ihre Gepflogenheiten, Wartung, Reinigung, Organisation; Umstellungen bedeuten Aufwand, Unsicherheit und Anpassung.
  • Robustheit: Die klar definierten Räume und Zuwege sind bewährt in Bezug auf Unterrichtsorganisation, Aufsicht, Kontrolle und Sicherheit in vielen bestehenden Schulgebäuden, insbesondere wenn große Schülerzahlen geführt werden.

Die Flurschule ist historisch gewachsen und war eine sinnvolle Lösung für bestimmte pädagogische und organisatorische Anforderungen der Vergangenheit. In Zeiten, in denen aber Lernformen flexibler, individuell orientierter und kollaborativer werden sollen – und Architektur zunehmend als pädagogisches Werkzeug verstanden wird (Raum als dritter Pädagoge) –, wird die Flurschule vielfach als hinderlich erlebt. Eine Reform des Schulbaus in Richtung offenerer Lernhäuser, Cluster oder Lernlandschaften erscheint deshalb in vielen Bildungsdiskussionen als notwendig und wünschenswert.

Literatur

Bundesstiftung Baukultur. (hg.). (2025). Beiträge zur Reform der Grundschule, Band 157: Lernräume – Schularchitektur. Brandenburg: Verlag der Bundesstiftung Baukultur. l: Das Ende der Flurschule. Abgerufen von https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/das-Ende-der-Flurschule.
Schweppe, R. (o. J.). Architektur und Schule. In Deutsches Schulportal: Das Ende der Flurschule. Abgerufen von https://deutsches-schulportal.de/schulkultur/das-Ende-der-Flurschule.
Suhr, D. (2022, Mai). Die pädagogische Dimension des Raums – Warum das Konzept „Flurschule“ überholt ist. MINT Zirkel.


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