Glaubwürdigkeit bezeichnet in der Psychologie die subjektive Einschätzung einer Person, Information oder Quelle als vertrauenswürdig, verlässlich und wahrheitsgemäß. Sie spielt eine zentrale Rolle in sozialen Interaktionen, der Meinungsbildung, der Informationsverarbeitung sowie in der Überzeugungspsychologie. Glaubwürdigkeit ist dabei kein objektives Merkmal, sondern das Ergebnis einer kognitiven Bewertung, die durch eine Vielzahl situativer und personenbezogener Faktoren beeinflusst wird. In der psychologischen Forschung wird Glaubwürdigkeit vor allem im Kontext von Kommunikation, Medienpsychologie, zwischenmenschlicher Wahrnehmung und Persuasion untersucht. Eine weit verbreitete theoretische Grundlage bildet das Source Credibility Model von Hovland, Janis und Kelley (1953), das Glaubwürdigkeit als Zusammenspiel von zwei Hauptdimensionen beschreibt: Expertise (also die wahrgenommene Kompetenz einer Quelle) und Vertrauenswürdigkeit (also die wahrgenommene Integrität oder Ehrlichkeit). Spätere Erweiterungen, etwa durch McCroskey und Teven (1999), fügten zusätzlich die Dimension Goodwill hinzu, die das wahrgenommene Wohlwollen der Quelle gegenüber dem Rezipienten umfasst.
Die Wahrnehmung von Glaubwürdigkeit ist nicht konstant, sondern dynamisch und kontextabhängig, denn so werden beispielsweise Aussagen von Menschen mit einem als hoch eingeschätzten sozialen Status, akademischen Titeln oder professioneller Erfahrung häufig als glaubwürdiger wahrgenommen, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen (Petty & Cacioppo, 1986). Ebenso kann nonverbales Verhalten wie Augenkontakt, eine ruhige Stimme oder ein sicheres Auftreten die Glaubwürdigkeit erhöhen. In digitalen Kontexten, etwa bei der Nutzung von Online-Informationen, spielen Faktoren wie die Gestaltung der Webseite, das Impressum oder Nutzerbewertungen eine vergleichbare Rolle (Metzger, Flanagin, & Medders, 2010).
Ein bedeutsamer Aspekt in der Bewertung von Glaubwürdigkeit ist die sogenannte Verarbeitungserleichterung (processing fluency). Der deutsch-amerikanische Psychologe Norbert Schwarz betont, dass für das menschliche Gehirn nicht nur die inhaltliche Qualität einer Information zählt, sondern auch ihre äußere Darbietung. In einem Interview mit der Zeitschrift Psychologie Heute erklärte Schwarz, dass Menschen Informationen eher glauben, wenn diese leicht lesbar oder gut verständlich sind. Texte mit klarer Druckqualität wirken glaubwürdiger als solche mit schwer lesbarer Schrift. Ebenso steigert gute Akustik bei gesprochener Sprache die Glaubwürdigkeit, während undeutliche oder rauschende Tonqualität zu Skepsis führen kann. Das Gehirn bevorzugt also klare, leicht verarbeitbare Reize – unabhängig davon, ob der Inhalt wahr ist. In seinen Experimenten identifizierte Schwarz fünf zentrale Wahrheitskriterien, anhand derer Menschen die Glaubwürdigkeit von Aussagen einschätzen: Erstens wird geprüft, ob eine Aussage mit bereits vorhandenem Wissen kompatibel ist; zweitens, ob sie in sich konsistent erscheint. Drittens spielt die soziale Validierung eine Rolle – also ob andere Menschen ebenfalls an die Aussage glauben. Viertens wird die Glaubwürdigkeit der Quelle berücksichtigt. Und fünftens wird gefragt, ob es konkrete Evidenz für die Behauptung gibt. Diese rationalen Kriterien sind jedoch stets mit dem subjektiven Eindruck verbunden, wie leicht sich die Information verarbeiten lässt, wobei Menschen dazu tendieren, nach der ersten Zustimmung nicht weiter nach Belegen zu suchen oder bevorzugt solche Informationen zu finden, die ihre Überzeugung stützen (Bestätigungsfehler).
Ein klassisches Beispiel zur Bedeutung von Glaubwürdigkeit zeigt sich im Gerichtswesen, denn die Überzeugungskraft eines Zeugens hängt nicht allein von den Fakten seiner Aussage, sondern stark von seiner wahrgenommenen Glaubwürdigkeit ab. Wirkt ein Zeuge beispielsweise nervös oder widersprüchlich, kann dies seine Glaubwürdigkeit mindern, selbst wenn seine Aussage der Wahrheit entspricht. Auch in der Werbung ist Glaubwürdigkeit entscheidend, denn Prominente, die als authentisch und integer gelten, haben oft einen stärkeren Einfluss auf Konsumenten als solche, deren Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird.
In der kognitiven Psychologie ist Glaubwürdigkeit auch eng mit der Informationsverarbeitung verknüpft. Laut der Elaboration Likelihood Theory (Petty & Cacioppo, 1986) kann Glaubwürdigkeit einer Quelle darüber entscheiden, ob eine Botschaft über den zentralen oder den peripheren Pfad verarbeitet wird, also ob sich Rezipienten intensiv mit den Argumenten auseinandersetzen oder sich eher auf oberflächliche Hinweisreize verlassen. Damit beeinflusst Glaubwürdigkeit nicht nur Überzeugungserfolg, sondern auch die Tiefe und Dauer von Meinungsänderungen.
Glaubwürdigkeit ist demnach ein vielschichtiges Konzept, das in der Psychologie als Schlüsselkonzept für die Bewertung von Information, sozialer Interaktion und Überzeugung gilt. Ihre Wirkung ist oft weitreichend und zeigt sich in Alltagsentscheidungen ebenso wie in institutionellen Kontexten, etwa der Justiz oder den Medien. Besonders im Zusammenhang mit digitalen Medien kommt der Fähigkeit, glaubwürdige von unglaubwürdigen Informationen zu unterscheiden, eine zentrale Rolle zu, sowohl im Kampf gegen Desinformation als auch für fundierte Meinungsbildung.
Literatur
Hovland, C. I., Janis, I. L., & Kelley, H. H. (1953). Communication and persuasion: Psychological studies of opinion change. Yale University Press.
McCroskey, J. C., & Teven, J. J. (1999). Goodwill: A reexamination of the construct and its measurement. Communication Monographs, 66(1), 90–103.
Metzger, M. J., Flanagin, A. J., & Medders, R. B. (2010). Social and heuristic approaches to credibility evaluation online. Journal of Communication, 60(3), 413–439.
Petty, R. E., & Cacioppo, J. T. (1986). The elaboration likelihood model of persuasion. In L. Berkowitz (Ed.), Advances in experimental social psychology (Vol. 19, pp. 123–205). Academic Press.
Schwarz, N. (2023). Warum wir glauben, was wir glauben. Psychologie Heute, Juli-Ausgabe.