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Geschlecht

    Das Geschlecht  ist in der Psychologie die Bezeichnung für die biologisch (Sex) oder sozial beeinflussten (Gender) Charakteristika, die Menschen als männlich oder weiblich definieren.

    Die Definition von Geschlecht oder dessen Zuordnung waren zu allen Zeiten kulturell und zeitlich unterschiedlich, denn so galt etwa von der Antike bis zum 18. Jahrhundert das Ein-Geschlecht-Modell (one sex model), wonach Frauen und Männer die gleichen Geschlechtsorgane besitzen. Diesem Modell nach wurden weibliche und männliche Geschlechtsorgane nicht als grundsätzlich verschieden gedacht, sondern es wurde angenommen, dass die Vagina ein nach innen gestülpter Penis sei, wobei auch die übrigen Sexualorgane  in Analogie zueinander gedacht wurden (Skrotum = Uterus, Hoden = Eierstöcke). Dieses Ein-Geschlecht-Modell vertrat jedoch nicht die Gleichheit der Geschlechter, sondern vielmehr wurden die weiblichen Geschlechtsorgane als eine weniger perfekte Variante der männlichen Geschlechtsorgane gedeutet. Die Vagina sollte durch die mangelnde Hitze von Frauen nach innen gekehrt sein, während die männliche Hitze den Penis nach außen drücken sollte. Geschlechtsunterschiede wurden demnach nicht durch zwei biologische Systeme erklärt, sondern durch die Minderwertigkeit bzw. mangelnde Perfektion der Frau.

    Weiblichkeit und Männlichkeit werden aber nicht allein durch das anatomische Geschlecht („Sex“) definiert, sondern eben auch durch spezifische Rollenangebote, die etwa durch Kleidercodes oder Verhaltensnormen. Den Fokus auf diese soziale Konstruktion von Geschlecht („Gender“) legen die Gender Studies,  ein in den letzten Jahrzehnten wachsendes Forschungsfeld mit vielen Anwendungsbereichen, etwa der Erforschung der Geschlechtergeschichte und des Feminismus.

    Die Geschlechterforschung bzw. die Gender Studies in den Wissenschaften gingen aus der Frauenforschung hervor, die im Kontext der Frauenbewegung als Kritik an der traditionellen Wissenschaft entstanden ist. Die Zielsetzung innerhalb der Frauenforschung war u.a. auch eine politisch-emanzipatorische, also die Ermächtigung von Frauen zu politisch autonomen Handeln. Zum Beginn der Frauenforschung lag das Augenmerk auf frauenspezifischen Schwerpunkten, wie etwa weiblicher Unterdrückung, weibliche Kulturen, weibliche Praxen sowie Formen weiblicher Subjektivität in Geschichte und Gegenwart, dagegen hat sich der feministische Blickwinkel in jüngster Zeit zu den Geschlechterverhältnissen gewendet, um sichtbar zu machen, dass die Besonderheiten und Benachteiligungen weiblicher Lebenszusammenhänge erst im Vergleich mit den männlichen sichtbar werden.


    Kurioses: Es gibt übrigens einen mysteriösen einzelligen Organismus namens Blob – benannt nach dem gleichnamigen Außerirdischen in einem Film aus den 50ern -, der artmäßig irgendwo zwischen Pilz und Tier angesiedelt ist, und kein Gehirn aber dafür 720 Geschlechter besitzt, davon viele Zwischenformen zwischen männlich und weiblich. Dem Organismus fehlen Mund, Magen und Augen, was ihn jedoch nicht davon abhält, Nahrung in Form von Bakterien und anderen Pilzen aufzunehmen und zu verdauen, wobei er sich auch ohne Beine oder Flügel fortbewegen kann. Er kann sich innerhalb von zwei Minuten selbst heilen, wenn man ihn in der Mitte durchschneidet, und auch ohne Gehirn kann er lernen, denn er findet in Labyrinthen immer den kürzesten Weg. Wenn man zwei Blobs zusammenbringt, überträgt das eine Blog sein Wissen an das andere. Vermutlich handelt es sich bei diesem Organismus um einen Schleimpilz der Gattung Physarum polycephalum, der in der Biologie häufig als Modellorganismus zur Untersuchung von Zellmotilität, Zellwachstum und Zelldifferenzierung dient, wobei die leichte Kultivierbarkeit und die Größe der Zelle vorteilhaft sind. Lange galt der „Blob“ als ein Pilz, seit den 1990er Jahren wird er zur Gruppe der Myxogastria (Echte Schleimpilze) gezählt. Die meisten „Blobs“ sind gelb, es gibt sie jedoch auch in rot, weiß oder rosa, und sind in verrottendem Laub oder Baumstümpfen in feuchter und kühler Umgebung zu finden. Das skurrile Lebewesen ist übrigens von der Deutschen Gesellschaft für Protozoologie zum „Einzeller des Jahres 2021“ gekürt worden, um seine Bedeutung für die Ökosysteme hervorzuheben.

    Hinweis: Der Astronaut Thomas Pesquet soll bei seiner Reise ins Weltall, die am 22. April 2021 starten soll, gleich mehrere Exemplare des Einzellers namens „Blob“ im Gepäck haben. Pesquet soll auf der ISS erforschen, ob der „Blob“ sich im Weltall anders verhält als auf der Erde, wobei auch für die Forschenden von Interesse ist, wie sich die Schwerelosigkeit oder die Strahlung im All auf seine Entwicklung auswirken. Pesquet soll zwei Versuche durchführen: Zwei „Blobs“ sollen in einer Umgebung ohne Nahrung beobachtet werden, zwei andere sollen mehrere Nahrungsquellen zur Auswahl haben.

    Übrigens: Um die Bewegungen von Physarum sichtbarer zu machen, wurden Roboter gebaut, welche von Physarum gesteuert werden. Die Bewegungen des Schleimpilzes werden dabei in elektrische Impulse umgewandelt, welche die Richtung des Roboters bestimmen. Dabei hält sich der Roboter in seinen Bewegungen eher von Licht fern, da der Schleimpilz grelles Licht meidet. Möglicherweise kann diese Technologie genutzt werden, um die Oberfläche von fremden Planeten zu erkunden. Der Vorteil von biologischen Komponenten ist hierbei, dass sie oft energieeffizienter sind als Maschinen und sich selbst regenerieren können.

    Schleimpilz

    Schleimpilze haben sich im Laufe der Jahrmillionen auf der ganzen Welt ausgebreitet und kommen dabei bevorzugt in den gemäßigten Zonen vor, auch in Europa oder Nordamerika, wo die Vegetation zu einem großen Teil aus Nadel- und Laubwäldern besteht, und damit dem Lebensraum der meisten Schleimpilze. Diese Organismen siedeln sich bevorzugt auf abgestorbenen Bäumen, verfaulten Pflanzenresten und Waldböden an, denn auf diesem organischen Material befinden sich meist Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder auch Pilze, die der schleimige Zellhaufen abweidet. Er hat zwar keinen Mund, aber kann dafür die Nährstoffe mittels Phagozytose aufnehmen, d. h., er umstülpt er die Nahrung ähnlich wie eine Amöbe mit kleinen Fortsätzen und verdaut sie. Nährstoffe, die er nicht verwerten kann, scheidet er wieder aus, sodass er beim Vorankriechen eine Art Schleimspur hinterlässt. Einige Schleimpilz packen manchmal sogar einen Snack für später ein, denn einige der Einzeller bilden im Laufe ihres Lebens Fruchtkörper aus und setzen Sporen frei, wobei sie für diesen Fall lebende Bakterien mit sich herumtragen, die am neuen Standort den freigesetzten Keimlingen das Nahrungsangebot sichern können. Der Schleimpilz scheint übrigens keine direkten Fressfeinde zu haben, die sich auf die Jagd nach dem Schleimpilz spezialisierten, doch ist ungeklärt, ob die schleimige Erscheinung oder die mitunter grellen Farben Tiere davon abhalten, den Schleimpilz zu fressen. Die schützende Biomembran, die die Zellflüssigkeit umgibt, ist jedoch eine Schwachstelle des Schleimpilzes, denn fallen etwa schwere Regentropfen auf den Einzeller, kann die Membran Schaden nehmen und den großen Zellorganismus in mehrere Einzelteile zersprengen. Am anfälligsten ist der Schleimpilz aber gegenüber Schimmel, der unter ähnlichen Bedingungen gedeiht, denn ein Befall durch einen Schimmelpilz zerstört ebenfalls die Membran und fügt dem Schleimpilz erheblichen Schaden zu.


    Literatur

    Becker-Schmidt, R. (1993). Geschlechterdifferenz – Geschlechterverhältnis: Soziale Dimensionen des Begriffs ‚Geschlecht‘. Zeitschrift für Frauenforschung, 11, 37-46.
    Laqueur, T. (1990). Making Sex: Body and Gender from the Greeks to Freud. Cambridge Mass.: Harvard University Press.
    Stern, Caroline (2010). Intersexualität. Geschichte, Medizin und psychosoziale Aspekt. Marburg: Tectum Verlag.
    Mitsch, J. (2019). Der Blob – Intelligenz ohne Gehirn?
    WWW: https://www.arte.tv/de/ (19-12-12)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Laqueur (16-12-14)
    https://www.scinexx.de/dossierartikel/einzeller-aber-oho/ (22-04-25)


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