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Bedürfnishierarchie

    Bedürfnishierarchie (hierachy of needs) ist eine von Abraham Maslow theoretisch forumulierte Abstufung der menschlichen Bedürfnisse, die beginnend mit den physiologischen Bedürfnissen, die nach verschiedenen Interpretationen des Modells erst erfüllt sein müssen, bevor auf einer höheren Stufe das Bedürfnis nach Sicherheit und danach die psychischen Bedürfnisse aktuell werden.

    Die ersten vier Bedürfnisse nennt Maslow auch „Defizitbedürfnisse“, da ungünstige Folgen zu erwarten bei Nichtbefriedigung sind (z.B. Krankheit) und ein Gefühl der Entbehrung hervorrufen. Je höher das Bedürfnis, desto später in der Entwicklung einer Person entsteht es, sodass man bei Erwachsen in der Regel komplexere Bedürfnisstrukturen feststellen kann. Je höher das Bedürfnis, desto weniger wichtig ist es für das reine Überleben, denn es kann leichter aufgeschoben werden, sie werden als weniger drängend erlebt und können auch ganz verschwinden (Stangl, 2011).
    1. Physiologische Bedürfnisse: Die wichtigsten sind Hunger, Durst und Sexualität. Wenn diese konstant befriedigt werden verlieren sie an Bedeutung.
    2. Sicherheitsbedürfnisse: Bedürfnis nach Sicherheit, Stabilität, Ordnung, Schutz, Freiheit von Angst und Chaos, Struktur, Ordnung, Gesetz. Wenn die physiologischen Bedürfnisse befriedigt sind, die Sicherheitsbedürfnisse aber nicht, bestimmen diese weitgehend unser Verhalten. Menschen wünschen sich eine vorhersagbare Welt, Inkonsistenz und Ungerechtigkeit verunsichern sie.
    3. Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse: Ergebnisse soziologischer Studien bestätigen die negativen Auswirkungen von Entwurzelung aus Bezugsgruppen (Wegzug der Familie in einen anderen Ort; Auflösung der Familie z.B. durch Scheidung; Emigration, Aussiedler)
    4. Wertschätzungs- und Geltungsbedürfnis: Das Bedürfnis umfasst zum einen den Wunsch nach Stärke, Leistung und Kompetenz, zum anderen das Bedürfnis nach Prestige, Status, Ruhm und Macht. Darauf gründet sich das Selbstwertgefühl eines Menschen.
    5. Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (Wachstumsbedürfnis, Selbstaktualisierung): Damit spricht Maslow das Streben nach der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit an. Die Effekte dieses Strebens sind von Person zu Person sehr unterschiedlich. Es zeigt sich darin eine „Vorwärtstendenz“ im menschlichen Wesen. Der Mensch drängt danach, die Einheit seiner Persönlichkeit zu erleben, er ist auf der Suche nach Wahrheit. Er drängt nach „vollem Sein“: Heiterkeit, Freundlichkeit, Mut, Ehrlichkeit, Liebe, Güte …

    Uwe P. Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, kritisiert Maslows Theorie, da sie zahlreiche konzeptionelle Probleme aufweist:

    • Statt der fünf Bedürfnisse ließen sich mit gleicher Berechtigung acht oder zwölf Bedürfnisse unterscheiden.
    • Maslow glaubt, dass bei den vier ersten Bedürfnissen eine natürliche Obergrenze der Bedürfnisbefriedigung existiert. Eine Überbefriedigung soll als unangenehm erlebt werden. Dies scheint die Realität nicht widerzuspiegeln. Wie plausibel ist es beispielsweise, dass Politiker oder Musiker zu viel Anerkennung als negativ erleben?
    • Maslow geht davon aus, dass bei allen Menschen die Bedürfnisse in gleicher Weise hierarchisch aufgebaut sind. Dies ist weder empirisch begründet, noch ist es plausibel. Die Theorie kann beispielsweise nicht erklären, warum Menschen gesundheitliche oder wirtschaftliche Risiken eingehen, um sich sportlich oder künstlerisch zu verwirklichen.
    • Unmittelbar benachbarte Stufen sollten stärker miteinander korrelieren als Stufen, die weiter entfernt sind. Dies ist nicht der Fall.
    • Bedürfnisse, die nicht befriedigt werden, sollten unser Denken und Streben stärker prägen als Bedürfnisse, die bereits befriedigt wurden. Dies lässt sich empirisch nicht belegen.

    Seiner Meinung nach hat diese Theorie nur noch als historischen Wert, da sie sich letztlich nicht bewährt hat, d. h., fundierte Handlungsanleitungen lassen sich hieraus nicht ableiten.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Berühmt wurden Maslows Bedürfnishierarchie vor allem durch Douglas McGregor vom Massachusetts Institute of Technology, der auf Basis von Maslows Arbeit die Idee formulierte, dass nicht die Belohnung sondern die Erfüllung die Antriebsfeder des Menschen darstellt. Durch diese Interpretation veränderte sich das Verständnis von Maslows Bedürfnishierarchie grundlegend, denn aus seiner positivistischen Individualpsychologie wurde eine Lebensstrategie, bei der Menschen von einer Stufe zur nächst höheren gelangen wollen. Das entsprach aber nicht Maslows Idee, denn der glaubte, dass man verschiedene Bedürfnisse gleichzeitig haben kann, und dass es Menschen gibt, für die Selbstverwirklichung z. B. wichtiger ist als Liebe. Viele Menschen empfinden unterschiedliche Bedürfnisse zu verschiedenen Zeiten, andere haben überhaupt keine. Irgendjemand kam auf die Idee, die Theorie mit einer Pyramide zu illustrieren, die damit jenes Bild schuf, das zwar anschaulich aber falsch war, da die Pyramidenform insinuiert, dass die Bedürfnisse beim Menschen in einer bestimmten Abfolge befriedigt werden müssen. Maslow versuchte lange Zeit, die Pyramide aus den Lehrbüchern entfernen zu lassen – wie man heute weiß, vergeblich. Dieses Bild passte einfach zu gut in das Weltbild von Managern. Es ist nach Tschäppeler & Krogerus (2019) daher kurios, dass die einzige Management-Theorie, die je viral gegangen ist und zum Meme wurde, inhaltlich eigentlich falsch interpretiert wird.

    Bildquelle
    http://www-public.tu-bs.de:8080/~wedelman/seminare/motivation_v.1/abb/maslow.jpg (02-09-10)

    Literatur

    Tschäppeler, R. & Krogerus, M. (2019). All you need. Was wir wirklich wollen. Verlag Kein und Aber.
    Stangl, W. (2011). Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOTIVATION/Beduerfnis-Pyramide-Maslow.shtml (2011-09-01)
    https://www.haufe.de/personal/hr-management/kolumne-warum-die-beduerfnispyramide-nicht-funktioniert_80_549052.html (21-08-11)


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