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Fassadentheorie

    Die Fassadentheorie der Moral besagt, dass die kulturellen Errungenschaften des Menschen wie Vernunft, Bildung und Selbstkontrolle in Wirklichkeit nur Fassade sind, die den wirklichen Charakter des Menschen hinter seiner Maske überdecken. In extremen Krisen oder Momenten großer Wut lässt sich der Mensch eher von seinen Instinkten und Bedürfnissen leiten und verdrängt seine soziale Erziehung. Die Kontrollübernahme des von Freud als Es bezeichneten destruktiven und triebgesteuerten Teiles der menschlichen Psyche lässt auch einen sonst gutmütigen Menschen zum egoistischen mutieren. Statt als soziales Wesen der Gemeinschaft zu dienen, verwandelt sich der Mensch in einen Egoisten, der nur noch seine eigene Haut retten will.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Diese Idee, dass der Mensch von Natur aus böse und nur durch gesellschaftliche Normen gezähmt wird, geht auf Thomas Hobbes zurück. Tho­mas Hobbes’ Lehre, der Mensch sei dem Menschen ein Wolf, hat die Denkrichtung begründet, dass die menschliche Moral nur eine brüchige Kruste bzw. eine Fassade sei, hinter der sich der humane Ego-Shooter verbirgt. Daneben prägte auch Thomas Huxley das Bild des Menschen als Gärtner, der permanent das Unkraut seiner natürlichen Triebe niederkämpft, sodass die menschliche Ethik nur ein Sieg über den evolutionären Prozess ist und nicht dessen Produkt. Die Fassadentheoriker betrachten jede vermeintlich gute Regung eines Menschen als Teil eines Nützlichkeitskalküls, denn wie der Affe, der vorausschau­end eine Banane verschenkt, gibt auch der Mensch nur dann etwas weiter, wenn sich für ihn ein Gegenwert abzeichnet, etwa in Form künftiger Hilfe in der Gruppe, soziales Ansehen oder das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Empathie ist daher eher ein Leiden, das sich der Mitfühlende eingefangen hat, so dass selbst eine tröstende Geste dem eigenen schlech­ten Gefühl gilt und nicht dem Anderen.

    Kritik an diesem Ansatz wird in letzter Zeit vor allem vom Primatenforscher Frans de Waal mit Verweis auf seine Forschungen mit Bonobos und Schimpansen geübt. Er geht davon aus, dass moralische Verhaltensweisen wie Empathie und Rücksichtnahme bei Menschen wie Tieren als Vorteil im Evolutionsprozess aufkamen. Moralisches Verhalten entstand daher auf natürliche Weise im Rahmen das Anpassung in gruppenspezifische Entwicklungsprozessen, die Empathie, Fairness und Reziprozität aufkommen ließen. De Waal hält also den Menschen von Natur aus für gut und glaubt nicht an die Vorstellung, wonach Moralität von außen oder von oben auf den Menschen aufgesetzt ist und nur eine dünne Schicht bildet, unter der sich seine egoistische und gefühllose Natur verbirgt.

    Literatur

    de Waal, Frans (2008). Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte. München.


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