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Body Integrity Identity Disorder

    Body Integrity Identity Disorder, auch Apotemnophilie oder Amputee Identity Disorder – bezeichnen ein Krankheitsbild, bei dem Menschen das paradox erscheinende Gefühl erleben, ihre Körper wäre kompletter nach der Amputation eines Gliedes. d. h., ihr Körper entspricht nicht einer inneren Wirklichkeit. Dieses Gefühl kann so intensiv sein, dass die Betroffenen eine Amputation anstreben oder selbst versuchen, sich einen Finger, einen Arm oder ein Bein zu entfernen. Nach früheren Untersuchungen entspricht der Amputationswunsch keiner akuten psychotischen Störung, denn bei den meisten besteht der Wunsch nach Amputation schon seit früher Kindheit. Das führt aber nicht immer zu einer Amputation, doch die Betroffenen binden sich einen Arm oder ein Bein ab. Das unterscheidet die Betroffenen von Psychotikern, die sich etwa im Verlauf eines akuten Schubes eine Hand, die Brust oder den Penis abschneiden bzw. sich selbst blenden. Als Ursachen vermutet man Persönlichkeits-, körperdysmorphe oder neurotische Störungen, Depression, Wahn oder Psychosen, wobei die in einer Befragung erhobenen Argumente eher auf einer emotionalen Ebene liegen (Kasten, 2009).

    Saetta et al. (2020) haben nun festgestellt, dass sich diese Emotionen im Gehirn der Betroffenen widerspiegeln. Demnach könnte eine Ursache im Aufbau der Gehirnstruktur liegen, wobei der funktionelle Vernetzungsgrad bzw. die Dichte der Grauen Substanz jenes Areals, das für die Körperwahrnehmung zuständig ist, gestört ist. Im rechten Parietallappen ist verankert, wie der eigene Körper aussehen sollte, also die Repräsentation des Körperbildes. Je weniger Graue Substanz im rechten Parietallappen vorhanden ist, desto größer war der Wunsch nach einer Amputation der Gliedmaßen, wobei diese Menschen auch schon mehr als andere Betroffene simulierten, dass ein Bein oder Arm bereits amputiert bzw. nicht vorhanden sei, in dem sie dieses Glied wegbanden oder einfach nicht benutzten. Dieses Verhalten hilft ihnen mit dem Stress zurechtzukommen, den die Diskrepanz zwischen ihrem tatsächlichen Aussehen und dem gewünschten Körperbild auslöst. Bei dieser Störung handelt es sich zwar um ein äußerst seltenes Phänomen, doch die Dunkelziffer könnte relativ hoch sein, denn das Problem wird meist gar nicht diagnostiziert. Man hofft auf eine Behandlung mit der tiefen Hirnstimulation, um die betroffenen Areale zu stimulieren.

    Literatur

    Kasten, E. (2009). Body Integrity Identity Disorder (BIID): Befragung von Betroffenen und Erklärungsansätze. Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie, 77, 16-24.
    Saetta, Gianluca, Hänggi, Jürgen, Gandola, Martina, Zapparoli, Laura, Salvato, Gerardo, Berlingeri, Manuela, Sberna, Maurizio, Paulesu, Eraldo, Bottini, Gabriella & Brugger, Peter (2020). Neural Correlates of Body Integrity Dysphoria. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.


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