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Industriepädagogik

    Industriepädagogik ist ein vor allem aus historischer Sicht ein nicht unwesentliches Kapitel in der Entwicklung der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaften. Die ersten industriepädagogischen Gedanken entstanden im Zusammenhang mit speziellen Einrichtungen wie Armenschulen und Zuchthäusern, um der Armut entgegenzutreten. In einigen Ländern gab es zwar schon eine Schulpflicht, die allerdings nur bedingt Einzug in die Gesellschaft fand, denn die Schule kostete Geld, das viele arme Menschen nicht aufbringen konnten.

    Die Industriepädagogik zeigte sich dann vor allem auch in Form von Industrieschulen – Vorbilder waren dabei praktische Erfahrungen aus England und Holland -, denn in der Zeit der industriellen Revolution hoffte man, armen Kindern durch eine Industriebildung zu helfen.
    Für den Staat bedeuten die Industrieschulen qualifizierte und tüchtige Arbeiter zu bekommen und damit auch weniger Armut, auch sollten viele Menschen einfach von der Straße geholt werden. Im Bereich des Sozialen intendierte diese Industriepädagogik aber auch weniger Kriminalität und Sicherheit der Menschen. Der sparsame Arbeiter könnte demnach anderen armen Menschen und im Alter auch sich selbst versorgen, sodass durch die Industrieschulen Zufriedenheit und Wohlstand entstehen sollte. In der Industrieschule sollten Kinder nützliche industrielle Techniken kennenlernen, etwa Spinnen, Stricken, Nähen, Seidenraupenzucht oder Obst- und Gemüseanbau. Mit dieser Arbeit sollten die Kinder Geld verdienen, um für sich zu sorgen und auch die Schule zu bezahlen. Man hoffte auch, die Schüler könnten sich später im Leben selbst versorgen, und könnten in der Ausbildung früh ihre Neigungen und Fähigkeiten kennenlernen. Nicht zuletzt sollten Kinder aus der Unterschicht zur Arbeit erzogen und ausgebildet werden, damit sie später für das Erwerbsleben in der sich entfaltenden Industriegesellschaft gerüstet waren, wobei Tugenden wie Fleiß, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit natürlich nützlich waren.

    Die Industrieschulen waren zwar theoretisch als Kombination aus Schule und Arbeit gedacht,, doch sie verloren praktisch an Ansehen und Einfluss, weil in ihnen die Kinder ausgenutzt wurden. Bildung im heutigen Sinne erhielten die Kinder wenig bis gar nicht, denn die Industrie sah sie als billige Arbeitskräfte, sodass Arbeit zu einer Zwangsmaßnahme wurde. Da Kinder in dieser Zeit der Wachstumsphase schwere Arbeit verrichten mussten und sie körperliche Defizite entwickelten, entstand bald eine Gegenbewegung, um die Kinderarbeit zu verbieten, wobei einer der Protagonisten dieser Bewegung Johann Heinrich Pestalozzi war. Die Industrieschulen setzten sich daher letztlich nicht durch, da die Anstalten als Einrichtungen zur Förderung der Kinderarbeit und sozialer Ausbeutung immer mehr in Verruf gerieten, denn die Kinder wurden in ihnen pausenlos beschäftigt und die Vermittlung von Wissen sowie Fertigkeiten war nur auf die unmittelbar bezogene Tätigkeit beschränkt. Sie arbeiteten oft von 05:00 Uhr morgens bis 19:00 oder 21:00 Uhr am Abend, wobei durch Prügelstrafen jedes Fehlverhalten sanktioniert wurde.

    Als später der Begriff Industriepädagogik in der Weimarer Republik aufkam, sorgte er zunächst für einiges Befremden, denn Industrie und Pädagogik schienen ja nicht zusammen zu passen. Erziehung fand auf anderen Feldern als dem der Industriearbeit statt, Erzieher waren andere Figuren als das in der Industrie beschäftigte Personal. Die Initiative, den Ingenieur als Erzieher zu etablieren, die seit Mitte der 1920er Jahre vom Deutschen Institut für technische Arbeitsschulung ausging, stellte daher durchaus eine Provokation dar. Ausgangspunkt war die Überlegung, im Zeitalter von Wissenschaft und Technik für die Interaktion des Menschen mit der Maschine geeignete Formen zu finden. Dabei sollte der Ingenieur immer beide Interaktionspartner im Blick haben, die Maschine und den Menschen, d. h. es sollte ein neuer Ingenieurtypus erkennen, dass die Maschinen keine unstrittigen Sachzwänge schufen, sondern es sehr verschiedene Formen des Umgangs mit ihnen gab. Für diese intendierte Wieder-Ermächtigung des Menschen schuf man den Begriff der Menschenökonomie, womit ein vom Menschen und seinen Bedürfnissen her gedachtes Wirtschaften gemeint war.

    Literatur

    Becker, F. (2018). „Menschenökonomie“ statt „Herrschaft der Technik. Die industriepädagogischen Konzepte des „Deutschen Instituts für technische Arbeitsschulung“ (DINTA) 1925-1933. Body Politics, 6, 147-173.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Industrieschule (15-09-09)


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    Ein Gedanke zu „Industriepädagogik“

    1. Prügelstrafe in der Schule

      „Also richtig mit so einem Stecken, und der war schon 30 Zentimeter lang, aus Bambusrohr. Und da hat man sich dann vorne in der Mitte vom Klassenzimmer aufstellen müssen. Und da haben wir dann diese ‚Tatzen‘ gekriegt, je nachdem, wie stark die Strafe war. Von ein bis sechs Stück hat jeder bekommen, das hat ganz schön gezogen. Das hast du zwei, drei Tage richtig gespürt in den Fingern.“
      Elektromeister Martin Anker, 2010 in einem Interview mit BR24.

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