Viele Neurosen haben ihre Ursache
in einem Sog des Verbotenen,
der aber erst wirksam werden kann,
wenn zuvor Tabus errichtet worden sind.
Simone de Beauvoir
Eine Neurose ist eine seelisch bzw. psychosozial bedingte Gesundheitsstörung ohne nachweisbare organische Grundlage. Der Begriff selbst ist heute etwas veraltet, denn man definiert dafür heute meist klare Krankheitsbilder, für die es auch eigene Namen gibt: Angst- oder Zwangsstörungen und Depressionen, aber auch posttraumatische Belastungsstörungen. Alle diese Erkrankungen treten meist in einer Lebenskrise auf, wobei Psychoanalytiker annehmen, dass dahinter ein ungelöster Konflikt aus der Kindheit steht. Neurosen mit sogenannter typischer Symptombildung werden beispielsweise als Zwangsneurose, Angstneurose, hypochondrische Neurose und eben depressive Neurose oder neurotische Depression bezeichnet.
Der Begriff wurde vor allem durch Sigmund Freud und die Psychoanalyse bekannt. Neurosen werden nach Sigmund Freud durch einen unbewussten Konflikt verursacht, z.B. ausgelöst durch ein sexuelles Trauma, wobei nur die äußeren Symptome, wie z.B., Ängste, Zwänge und Lähmungen sichtbar sind. Freud sieht also in der Neurose das Resultat einer unvollständigen Verdrängung von Es-Impulsen durch das Ich, wobei der verdrängte Impuls trotz der Verdrängung (verschleiert, gewissermassen durch die Hintertüre) in das Bewusstsein und in das Verhalten einbricht. Um diesen Einbruch des Es-Impulses in dass Verhalten erneut abzuwehren, bildet der psychische Organismus das neurotische Symptom aus. Dieses dient einerseits der Ersatzbefriedigung des verdrängten Impulses, andererseits (und gleichzeitig) dem Versuch, diesen (als lästig empfundenen) Impuls endgültig zu beseitigen.
Freud teilt die Neurosen ein in
- Aktualneurosen mit vorwiegend vegetativen Symptomen auf Grund starker Affektwirkungen auf das vegetative System im Zusammenhang eines aktuellen Konflikts (z. B. Schreckneurose, Angstneurose) und
- Psychoneurosen mit psychischen oder somatischen Symptomen, verursacht durch einen chronischen Triebkonflikt. Zu den Psychoneurosen zählen:
- alle Formen der Hysterie (stets begleitet mit psychisch bedingten körperlichen Symptomen, z. B. Lähmungen, Ausfälle der Sinnesorgane)
- die Phobien (real nicht begründete, psychisch bedingte Furcht vor irgend einem beliebigen Objekt)
- die Zwangsneurosen (zwanghafte Wiederholung stereotyper Verhaltensweisen)
- die Charakterneurosen (Verwahrlosung, Psychopathie).
In der Psychoanalyse wird auf Grund der vermuteten Ursachen folgerichtig der unbewusste Konflikt aufgearbeitet indem er bewusst gemacht wird, wodurch die Symptome der Neurose von selbst verschwinden sollten. Bei einer Neurose bleiben der Realitätsbezug und die Funktionen des Ichs weitgehend erhalten. In der Diagnostik (ICD-10) wird der Begriff Neurose zunehmend vermieden und durch theorieneutrale Begriffe ersetzt, da der Begriff neben der Beschreibung einer Störung meist gleichzeitig eine psychoanalytische Deutung nahelegt. Den Neurosen sind als psychische Störungen die Psychosen gegenübergestellt, die eine tiefgreifende Störung der Ich-Funktionen und des Realitätsbezuges bezeichnen. Je nach Störungsbild gibt es unterschiedliche Psychotherapieformen, wobei sich Zwänge, Phobien und depressive Verstimmungen nicht nur psychoanalytisch sondern auch durch eine Verhaltenstherapie behandeln lassen.
1. Definition
Unter Neurose versteht man im Allgemeinen störende, länger andauernde psychische Einstellungen oder Verhaltensgewohnheiten wie z.B. Angst, Unsicherheit, Depression. Diese haben keine nachweisbare organische Ursache und werden durch einschneidende Erlebnisse ausgelöst. Weiters sind sich die Betroffenen ihrer Störung bewusst (vgl. Brockhaus – Die Enzyklopädie 1998, S. 550).
2. Definition
Es ist nicht klar, ob eine Neurose als Geisteskrankheit betrachtet werden soll oder Teil der menschlichen Natur ist. Freud sah in der Neurose eine Verteidigungsinstanz vor einer überwältigenden Angst. Eine Neurose beeinträchtigt das Leben der Betroffenen weniger stark als andere psychische Erkrankungen wie z.B. Schizophrenie. Neurotiker haben eine gewisse Einsicht in ihre Probleme und können ein Leben wie jeder andere führen. Neurosen werden oft mit Beruhigungsmittel und Gesprächstherapien behandelt (vgl. Deninger & Friedlich 1995, S. 205-206).
3. Definition
Laut Freud haben alle Menschen Triebe, die nicht annehmbar sind. Daher kommt es zu Abwehrmechanismen. Der übermäßige Gebrauch dieser Abwehrmechanismen macht die Neurose aus. Neurotiker verwenden ihre psychische Energie um nicht annehmbare Triebe umzulenken, um dadurch ihre Angst zu reduzieren (vgl. Zimbardo 1995, S. 489).
4. Definition
“Die ganze Persönlichkeit eines Neurotikers ist geprägt durch seine Angst und seine zu starken Abwehrmechanismen“ (Schenk-Danzinger 1993, S. 47).
5. Definition
Der Begriff der Neurose wird für Zustände vagen Unbehagens bis zu psychiatrischen Krankheitsbildern verwendet. Daher werden mit diesem Begriff auch neurotische Reaktionen und neurotische Entwicklungen (Symptome) verbunden (vgl. Asanger & Wenninger 1988, S. 483).
Historisches: Im Jahr 1796 führte William Cullen den Begriff Neurose in der Medizin ein, um Störungen des Nervensystems zu bezeichnen, die sensorische und motorische Dysfunktionen verursachen, wobei demnach eine Halbseitenlähmung eine Art Neurose wäre. Später wurde der Begriff in der Psychologie verwendet, um bestimmte Krankheitsbilder zu beschreiben. Sigmund Freud verstand die Neurose als eine Struktur der psychischen Funktion, und wies neurotischen Menschen Symptome wie Angst, Hysterie, Zwänge und sexuelle Funktionsstörungen zu.
Literatur
Asanger, Roland & Wenninger, Gerd (1988). Handwörterbuch der Psychologie. München/Weinheim: Verlag Psychologie Verlags Union.
Brockhaus – Die Enzyklopädie Bd. 15 (1998). Leipzig/Mannheim: Verlag F. A. Brockhaus.
Deninger, Bärbel & Friedlich, Heinrich (1995). Lexikon der Psychologie. München: Verlag Wilhelm Heyne.
Fellner, Richard L. (2004). Die Psychoanalyse Sigmund Freuds.
WWW: http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/psychoanalyse/psychoanalyse.phtml (09-05-21)
Schenk-Danzinger, Lotte (1993). Entwicklungspsychologie. Wien: Verlag Österreichischer Bundesverlag.
Zimbardo, Philip G. (1995). Psychologie. Berlin/Heidelberg/New York: Verlag Springer.