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jahrgangsgemischtes Lernen

    In Jenaplan-Schulen, die an den Ideen des Reform­pädagogen, Erziehungswissenschaftlers und Schulleiters Peter Petersen orientiert sind, sieht dessen Konzept unter anderem eine Alters­mischung vor, sodass der Unterricht an der jahr­gangs­über­greifend organisiert ist, wobei Schülerinnen und Schüler der Stufen eins bis drei, vier bis sechs und sieben bis neun jeweils in Stamm­gruppen gemeinsam lernen. Auch wenn seither jede Schule den Jenaplan anders umsetzt, sind die vier Grundsäulen des Konzeptes gleich: Arbeit, Gespräch, Spiel und Feier tragen das sogenannte Jenaplan-Haus. Petersen nannte sein Konzept nach amerikanischem Muster Plan, denn im Zentrum seiner Pädagogik steht das Kind in der sozialen Gemeinschaft, dem die Schule Raum zum entdeckenden, forschenden Lernen geben soll.

    Der Jenaplan von Peter Petersen wird oft als Vorbild für Offenen Unterricht gesehen, da er die Schulklasse durch Stammgruppen ersetzt, in denen SchülerInnen unterschiedlichen Alters lernen. Damit wollte Petersen die natürlichen altersgemischten Gruppen auch für Erziehung und Lernen in der Schule ausnutzen (vgl. Grünberger 1999, S. 63ff). Öffnung meint in diesem Zusammenhang, dass Kinder mit ihren Lernmöglichkeiten und ihren Einstellungen, mit ihrer Begeisterung für die Sache im Mittelpunkt des Unterrichts stehen. Es ist zunächst eine Öffnung für die Vorschläge und Ideen der Kinder, so dass die Unterrichtsergebnisse deutlich als eigene Leistungen und eigene Lösungen erfahren werden können. Kinder dürfen an deshalb auch viel mitreden und mitbestimmen, denn wenn die Kinder ihre Anliegen begründen können, dann kann man immer darüber reden. Dazu müssen die Lehrkräfte auch flexibel sein und ihre Unterrichtsplanung anpassen, auch wenn es Punkte gibt, die nicht diskutiert werden, wobei das Regeln sind, die für alle in der Gemeinschaft gelten.

    Neben der Kernzeit, in der die Kinder frei arbeiten, findet Fachunterricht in kleinen Gruppen statt, d. h., eine Pausen- oder Stundeneinteilung wie an Regelschulen gibt es in Jenaplan-Schulen nicht. Jedes Kind bekommt Zeit anzukommen, in Beziehung mit den anderen Kindern und den Pädagoginnen und Pädagogen zu treten, denn erst dann wenn ein Kind sich wohl und sicher fühlt, kann es auch frei sein für das Lernen. Auch Schularbeiten oder Tests sieht der Jenaplan nicht vor, sondern man arbeitet mit Wochenplänen und gibt individuelles Feedback, wenn ein Kind etwa Probleme hat, seinen Aufsatz fertigzustellen, d. h., jedes Kind darf im eigenen Tempo arbeiten, doch erledigt werden müssen die Aufgaben in jedem Fall. Grundsätzlich gehört Feedback zu den wesentlichen Elementen der Jenaplan-Pädagogik und erklärt auch, weshalb Noten nicht nötig sind. Die Unterichtenden schreiben ihr Feedback in regelmäßigen Abständen so auf, dass sowohl Eltern als auch Kind dieses nachvollziehen kann.

    Beim jahrgangsgemischten Lernen können sich Kinder gegenseitig helfen und stehen nicht ständig in Konkurrenz mit­einander, und auch die Rolle der Lehrerin oder des Lehrers ist eine andere, denn sie bzw. er muss nicht mehr vorne stehen und die Kinder frontal unterrichten, sondern begleitet sie beim Lernen. Als Lern­begleiterinnen gewinnen die Unterrichtenden Zeit und erhalten die Möglichkeit, Kinder gezielt zu unter­stützen, die gerade Hilfe brauchen.

    Gemeinsame Aufgaben und Prozesse fördern das Wir-Gefühl, wobei im jahr­gangs­gemischten Unterricht die Jüngeren von den Älteren, lernen die damit zugleich ihr Wissen vertiefen. Neben sozialen Kompetenzen erwerben alle auch Fähigkeiten des methodischen Lernens, aus dem die Kinder und Jugendlichen Vertrauen in sich selbst entwickeln und ihre Stärken kennenlernen. Da am Ende des Schul­jahres immer nur ein Drittel die Klasse verlässt, bleibt die Klassen­gemein­schaft weit­gehend stabil, wobei jede Schülerin und jeder Schüler sich abwechselnd in der Rolle der Jüngsten, der Mittleren und der Ältesten befindet.

    Für die Entwicklungs­arbeit an einer solchen Schule benötigt man die gemeinsame Über­zeugung unter Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehr­kräften, dass jahr­gangs­gemischtes Lernen große Potentiale besitzt. Hilf­reich ist dabei, bei erfolg­reichen Schulen zu hospitieren, um Beispiele vor Ort kennen­zu­lernen, wobei Lehr­kräfte offen dafür sein müssen, die klassische Lehrerrolle zu verlassen und neue Unterrichts­formate auszuprobieren.


    Im Überblick: Die Jenaplan-Pädagogik basiert auf den vier Säulen: Gespräch, Spiel, Arbeit und Feier. Diese Schulen fördern das gemeinschaftliche Lernen in altersgemischten Gruppen, um soziale Kompetenzen sowie individuelle Fähigkeiten zu stärken. Der Unterricht ist projektorientiert und integriert verschiedene Fächer und Themenbereiche. Statt klassischer Noten gibt es individuelle Lernberichte, die den Lernfortschritt der Schüler*innen detailliert beschreiben. Einige Hauptmerkmale der Jenaplan-Schulen:

    • Altersgemischte Gruppen: Anstatt Schüler ausschließlich nach ihrem Alter zu klassifizieren, werden sie in altersgemischten Gruppen unterrichtet. Dies ermöglicht den Schülern, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und soziale Kompetenzen zu entwickeln.
    • Individualisierter Unterricht: Der Unterricht wird auf die individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen der Schüler zugeschnitten. Lehrer berücksichtigen die Vielfalt der Lernstile und fördern Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.
    • Lebensweltorientierung: Der Unterricht wird oft an realen Lebenssituationen und Erfahrungen der Schüler orientiert. Dies hilft den Schülern, den Unterrichtsinhalt besser zu verstehen und ihn auf ihr eigenes Leben anzuwenden.
    • Gemeinschaft und Partizipation: Die Schule wird als lebendige Gemeinschaft betrachtet, in der Schüler, Lehrer und Eltern zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Es wird Wert auf demokratische Entscheidungsprozesse und aktive Beteiligung gelegt.
    • Projektarbeit und handlungsorientiertes Lernen: Statt ausschließlich auf Frontalunterricht setzen Jenaplan-Schulen oft auf Projekte und handlungsorientiertes Lernen. Dies ermöglicht es den Schülern, aktiv zu sein, kreativ zu sein und tieferes Verständnis zu entwickeln.
    • Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen: Neben dem reinen Wissenserwerb wird viel Wert auf die Entwicklung der Persönlichkeit und sozialer Kompetenzen gelegt. Schüler lernen, Verantwortung zu übernehmen, Konflikte konstruktiv zu lösen und empathisch zu sein.

    Anmerkung: Peter Petersen wird eine deutliche Nähe zum Nationalsozialismus nachgesagt, denn er hielt während des Krieges Vorlesungen vor der Nazi-Elite und Vorträge im KZ Buchenwald. Es finden sich sich Texte von Peter Petersen, die auf nationalsozialistisches Gedankengut schließen lassen, etwa einen Text mit dem Titel „Es gibt rassische Hochwertigkeit. Sie verpflichtet!“. In diesem 1941 erschienenen Text schreibt Peter Petersen von „Herrenvölkern.“, wobei es die Pflicht hochwertiger Völker und Rassen sei, ihr Erbgut reinzuhalten. Andere Äußerungen Petersens richteten sich gegen Juden. Noch 1949 klagt Peter Petersen in seinem Buch „Der Mensch in seiner Erziehungswirklichkeit“ darüber, dass das deutsche Volk „rassisch verunreinigt“ sei. Die Verfechter seines Konzepts halten allerdings dagegen, dass Petersens Reformpädagogik in ihren humanistischen Grundzügen nichts mit der NS-Ideologie zu tun habe. Petersens Verhalten ist ihrer Auffassung zufolge eine Art politischer Pragmatismus gewesen, mit dessen Hilfe er sein pädagogisches Konzept durch schwierige Zeiten gebracht habe. Der Jenaer Historiker Jürgen John hingegen wirft den Petersen-Verteidigern Verdrängungstendenzen vor, denn die NS-Zeit würde von ihnen einfach ausgeblendet. Peter Petersen wurde 1884 nahe Flensburg geboren und starb 1952 in Jena.

    Literatur

    Grünberger, I. (1999). Schule als Lern-Spiel-Platz. Gesellschaftliche Begründung, didaktische Rechtfertigung und praktische Erfahrungen mit Offenem Lernen. Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität Linz.
    Stangl, W. (2021, 22. April). Offener Unterricht.
    https://psychologie.stangl.eu/praesentation/unterricht_offener.shtml
    https://deutsches-schulportal.de/konzepte/jahrgangsgemischtes-lernen-miteinander-und-voneinander-lernen/ (17-12-03)
    https://www.news4teachers.de/2022/04/altersgemischt-ohne-tests-keine-noten-an-der-jenaplan-privatschule-laeuft-vieles-anders-aber-nicht-alles/ (22-04-22)

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