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Benzodiazepin

    Benzodiazepine gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten gegen Schlaf- und Angststörungen weltweit, wobei bekanntester Vertreter dieser Substanzgruppe Diazepam ist, das unter dem Handelsnamen Valium auf den Markt gebracht wurde. Benzodiazepine docken im Gehirn an und unterdrücken die Erregungsbildung und -weiterleitung in den Nervenzellen, sie wirken damit im Gehirn als eine Art Bremse. Sie wirken daher generell angstlösend (anxiolytisch), muskelentspannend, krampflösend (antikonvulsiv), beruhigend (sedierend) und schlafanstoßend (hypnotisch), wobei sich die zahlreichen Vertreter dieser Substanzgruppe in ihrem Wirkprofil unterscheiden.

    Es gibt etwa Benzodiazepine, bei denen die anxiolytische Komponente besonders ausgeprägt ist und die daher vor allem zur Behandlung von Angststörungen eingesetzt werden. Benzodiazepine sind seit Jahrzehnten eine medikamentöse Standardbehandlung von Angststörungen, doch während die ihre Wirkungsweise auf molekularer und zellulärer Ebene gut erforscht sind, sind die neuronalen Wechselwirkungen weitgehend unbekannt. Griessner et al. (2018) fanden nun heraus, dass Benzodiazepine die Weiterleitung aversiver Signale durch die Amygdala stören. Daran sind mehrere neuronale Schaltkreise beteiligt, die das Gefühl der Angst verursachen, d. h., Angst entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer Netzwerke im Gehirn, wobei es aber einen entscheidenden biomedizinischen Hot-Spot gibt, der der angstlösenden Wirkung zugrunde liegt. Dabei verglich man die an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse mit menschlichen Gehirnscans und fanden Hinweise darauf, dass die gleichen Mechanismen auch beim Menschen wirksam sind. Aufgrund dieser Forschungen könnten wirksamere Medikamente ohne die bekannten Nebenwirkungen von Benzodiazepinen entwickelt werden.

    Benzodiazepine machen nämlich bereits in geringer Menge und nach sehr kurzer Zeit der Einnahme abhängig, und gelten daher als die Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate, d. h., sie sollten stets nur als Notfallmedikament, jedoch nie über längere Zeit hinweg verabreicht werden. Benzodiazepine sind also nur in Akutphasen angebracht, da sie Anspannung und Schlaflosigkeit reduzieren und die Basis für viele psychotherapeutische Maßnahmen vorbereiten können. Benzodiazepine wie etwa Valium beeinflussen dabei den Botenstoff GABA im Rückenmark und im Gehirn, d. h., indem sie die Wirkung von GABA verstärken. GABA ist dabei jener Neurotransmitter, der für die Beruhigung des Menschen zuständig ist, indem er die Produktion anderer Botenstoffe hemmt. Benzodiazepine sind daher also keine Wiederaufnahme-Hemmer wie andere Medikamente, sondern Releaser, indem sie an den GABA-Rezeptoren andocken und die Chloridkanäle öffnen, sodass mehr dieses Botenstoffs ausgeschüttet werden kann. Allerdings ist der GABA-Speicher aber irgendwann leer und die Symptome kehren zurück, und wiederholt man die Einnahme von Benzodiazepinen regelmässig, leert sich der GABA-Speicher immer mehr und das Gehirn produziert weniger GABA, da es sich daran gewöhnt hat, die notwendigen Impulse durch die Benzodiazepine zu erhalten. Dadurch kommt es zu einem Rebound-Effekt, d. h., dass die ursprünglichen Symptome in verstärkter Form abermals auftreten. Durch die mangelnde Produktion sowie die Gewöhnung an die Außenimpulse kommt es zu einer Toleranzentwicklung. Schon nach wenigen Wochen regelmäßigen Konsums tritt daher die Abhängigkeit ein, wobei die Absetzung ähnliche Folgen zeitigt wie andere Entzüge von Suchtmitteln (z. B. Entzugsdelir). In Verbindung mit Alkohol und anderen sedierenden Drogen kann es zu Blackouts kommen, wobei auch Atem- und Herzstillstand die Folge sein können (Stangl, 2018).

    Nimmt man solche Medikamente über einen längeren Zeitraum ein, kann darunter aber die geistige Leistungsfähigkeit leiden, und zwar bis hin zur Demenz. Dies wurde in neueren Tierexperimenten gezeigt, denn bei Mäusen bildeten sich die Dornfortsätze (Spines) an ihren Nervenenden zurück. An diesen Spines befinden sich aber die Synapsen, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren, sodass die Tiere kognitiv abbauten.

    Literatur

    Griessner, Johannes, Pasieka, Manuel, Böhm, Vincent, Grössl, Florian, Kaczanowska, Joanna, Pliota, Pinelopi, Kargl, Dominic, Werner, Barbara, Kaouane, Nadia, Strobelt, Sandra, Kreitz, Silke, Hess, Andreas & Haubensak, Wulf (2018). Central amygdala circuit dynamics underlying the benzodiazepine anxiolytic effect. Molecular Psychiatry, doi:10.1038/s41380-018-0310-3.
    Stangl, W. (2014). Stichwort: ‚Psychopharmakon‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/5035/psychopharmakon-psychopharmaka/ (2014-12-07)
    https://www.spektrum.de/news/synapsen-gefahr-durch-benzodiazepine/2009806 (22-04-19)


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