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Östrogen

    Östrogen ist neben Progesteron das zweite wichtige weibliche Geschlechtshormon, wobei Östrogene werden vor allem in den Eierstöcken gebildet und außerdem in der Plazenta, der Nebennierenrinde und in geringer Menge auch im männlichen Hoden produziert werden. Östrogene bestimmen die erste Hälfte des äußerst komplizierten weiblichen Zyklus, wobei der Östrogenspiegel im Blut abhängig vom weiblichen Zyklus ist dementsprechend schwankt. Östrogene verursachen den Eisprung und bereiten die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor.

    In der Pubertät bewirken sie die Ausbildung der typischen weiblichen Geschlechtsmerkmale, stimulieren die Knochenreifung, senken den Cholesterinspiegel und führen zu vermehrter Wassereinlagerung im Gewebe.

    Östrogene haben zahlreiche weitere Wirkmechanismen, sodass Östrogene nicht nur für Fortpflanzung und Schwangerschaft wichtig sind, sondern sie sind auch in zahlreiche andere Regelkreise aber auch in viele Beschwerden, die für die Frauengesundheit von Bedeutung sind, involviert. Im Rahmen des Genomprojektes hat man immer mehr Andockstellen für die Östrogenrezeptoren in den Regulationseinheiten der Genen gefunden, was die Bedeutung der Östrogene in der Regulation zahlreicher anderer Gene, etwa für den Stoffwechsel, für das Körpergewicht, für die Immunabwehr, für das Funktionieren der Sinnesorgane und das Nachwachsen der Haut mitverantwortlich sind. Hinzu kommt die Funktion für den Körpergeruch, denn Männer bewerten den Duft von Frauen als am anziehendsten, je höher der Östrogenspiegel und je niedriger der Progesteronspiegel der Frau ist. Auch wenn die am besten riechenden Frauen die höchsten Östrogen- und niedrigsten Progesteronwerte besitzen, bleibt dennoch ungeklärt, ob das eine das andere ursächlich bedingt.

    Aus evolutionsbiologischer Sicht macht ein solcher Mechanismus durchaus Sinn, denn dieser Sexualhormonspiegel weist während der fruchtbaren Tage im weiblichen Zyklus auf  hohe Chancen auf Empfängnis hin, denn Männer suchen nach Partnerinnen, mit denen sie sich möglichst erfolgreich fortpflanzen können. Es ist allerdings fraglich, ob allein der Spiegel der Geschlechtshormone für Attraktivität sorgt, denn so fand man früher schon Hinweise darauf, dass das Immunsystem eine wichtige Rolle dabei spielt. Frauen suchen sich demnach Partner aus, dessen Immunprofil sich möglichst von dem ihren unterscheidet, wobei vor allem Frauen mit ihrem Liebesleben zufriedener waren, wenn sich ihr Mann immunologisch stark von ihnen unterschied.

    Dieser Zusammenhang ist spiegelbildlich zur Tatsache zu betrachten, dass Männer mit bestimmten äußerlichen Merkmale auf Frauen besonders anziehend wirken, die mit einem hohen Testosteronspiegel zusammenhängen, wobei jedoch übersteigerte dominant-maskuline Merkmale auf Frauen eher aggressiv und daher weniger attraktiv wirken.

    Östrogen und Gedächtnis

    Nach neueren Untersuchungen hat ist das weibliche Sexualhormon Östrogen möglicherweise auch von entscheidender Bedeutung für kognitive Fähigkeiten, denn wie Experimente an Mäusen zeigten, fördert eine im Gehirn von Männern und Frauen produzierte Form dieses Botenstoffs die synaptische Plastizität und damit Lern- und Erinnerungsprozesse. Ob das allerdings auch auf den Menschen zutrifft, müssen weitere Studien allerdings noch bestätigen. Bei Mäusen war in Experimenten die synaptische Plastizität durch das fehlende Östrogen offenbar deutlich geschwächt, denn es veränderten sich die Synapsen als Reaktion auf Lernprozesse weniger stark, vor allem kam es zu einer verminderten Langzeitpotenzierung, die eine nachhaltige Verstärkung der Signalübertragung bei bestimmten Synapsen bewirken.

    Östrogen ist daher mehr als ein Sexualhormon, denn es hat tiefgreifende Auswirkungen auf das weibliche Gehirn und beeinflusst Kognition, Gedächtnis, Stimmung und sogar das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer. Seit den 1980er-Jahren zeigen wissenschaftliche Studien, dass hohe Östrogenspiegel mit einer besseren Vernetzung des Gehirns und einer erhöhten Konzentration wichtiger Neurotransmitter verbunden sind. Besonders betroffen ist der Hippocampus, eine zentrale Gehirnregion für Lernen und Gedächtnis. Während der (Peri-)Menopause, wenn der Östrogenspiegel stark schwankt oder dauerhaft sinkt, kann dies zu kognitiven Beeinträchtigungen wie „Brain Fog“ führen, einer verringerten geistigen Leistungsfähigkeit, insbesondere im Bereich des verbalen Lernens und Erinnerns. Nicht nur ein Östrogenmangel, sondern auch starke hormonelle Schwankungen können sich negativ auswirken, etwa während der Lutealphase des Menstruationszyklus, in der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Frauen reagieren unterschiedlich auf diese Veränderungen: Manche leiden besonders unter dem Östrogenentzug, während andere empfindlich auf einen Anstieg reagieren. Studien zeigen zudem, dass in der Perimenopause depressive Symptome häufiger auftreten – auch bei Frauen ohne vorherige Depressionserkrankungen. Stress, Schlafstörungen und Hitzewallungen verstärken diese Effekte zusätzlich.
    Da Frauenärztinnen und -ärzte oft nicht ausreichend auf die Wechseljahre spezialisiert sind, ist es wichtig, Symptome ernst zu nehmen und sich gezielt Unterstützung zu suchen. Eine Hormontherapie kann helfen, insbesondere wenn sie frühzeitig begonnen wird, sollte jedoch individuell abgewogen werden. Alternativ können auch Antidepressiva oder hormonelle Verhütungsmittel zur Linderung der Symptome beitragen. Zudem spielen Lebensstilfaktoren eine wesentliche Rolle: Regelmäßiger Sport, Achtsamkeitsübungen, Yoga und soziale Aktivitäten können helfen, die Stimmung zu stabilisieren. Auch Psychotherapie, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie, hat sich als wirksames Mittel zur Stressbewältigung erwiesen. Jede Frau erlebt aber die hormonellen Veränderungen anders. Wichtig ist, Symptome nicht zu ignorieren, sondern aktiv nach Lösungen zu suchen, um das eigene Wohlbefinden zu unterstützen.

    Siehe dazu auch Menopause.


    Amüsantes: Ein Bericht über einschlägige Forschungen zu diesem Thema erschien in einer Schweizer Tageszeitung unter dem Titel „Du riechst heute aber fruchtbar“ 😉


    Literatur

    Lu, Yujiao, Sareddy, Gangadhara R., Wang, Jing, Wang, Ruimin, Li, Yong, Dong, Yan, Zhang, Quanguang, Liu, Jinyou, OConnor, Jason, Xu, Jianhua, Vadlamudi, Ratna K. & Brann, Darrell (2019). Neuron-Derived Estrogen Regulates Synaptic Plasticity and Memory. The Journal of Neuroscience, doi:10.1523/JNEUROSCI.1970-18.
    Stangl, W. (2005, 19. Jänner). Östrogen ist mehr als ein Sexualhormon. was stangl bemerkt ….

    Östrogen ist mehr als ein Sexualhormon


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