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implizites Gedächtnis

    Da menschliche Informationsverarbeitung nur teilweise bewusst und kontrolliert verläuft, bleiben viele Wahrnehmungen und Gedächtnisleistungen aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit unbewusst, können aber dennoch das Verhalten beeinflussen, indem dieses ohne bewusste Steuerung abläuft.
 Das implizite Gedächtnis ist daher jener Teil des menschlichen Gedächtnisses, der sich auf Erleben und Verhalten des Menschen auswirkt, ohne dabei ins Bewusstsein zu treten, und grenzt diesen zum expliziten Gedächtnis ab, dessen Gedächtnisinhalte bewusst sind und daher auch berichtet werden können. Ein zentraler Teil des impliziten Gedächtnisses ist das prozedurale Gedächtnis, in dem automatisierte Handlungsabläufe wie Gehen, Radfahren usw. gespeichert sind. Wirksam wird das implizite Gedächtnisses unter anderem beim Priming, d.h., wenn ein Reiz implizit Gedächtnisinhalte aktiviert, kann dadurch die Verarbeitung eines nachfolgenden Reizes beeinflusst werden. Auch der Mere-Exposure-Effekt, nach dem Menschen Dinge nach bloßer Wahrnehmung positiver bewerten, beruht meist auf dem impliziten Gedächtnis, sodass man etwas Aussagen nur deshalb als zutreffend ansieht, da man sie schon öfter gehört hat.


    Beispiel für das implizite Gedächtnis: Sie betrachten das Foto einer Küche und an dem Küchentisch sitzt ein großer Fuchs. Würden man Sie fragen, was auf dem Bild nicht stimmt, würde Ihnen sofort klar sein, dass ein Fuchs nichts an einen Küchentisch verloren hat. Ohne Anstrengung und ohne bewusste Suche in Ihrem Gedächtnis haben Sie sich erinnert, dass ein Fuchs nichts an einen Küchentisch zu suchen hat.


    Daniel Schacter beschreibt den Fall einer Frau, die am Computer zu arbeiten lernte, dennoch behauptete sie jedes Mal, wenn sie sich an das Gerät setzte, ein solches noch nie gesehen zu haben. Offenbar gibt es in unserem Gehirn eine unterirdische Welt unbewusster Erinnerung, die dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Er nannte diese Form er Erinnerung implizites Gedächtnis. Menschen speichern im Alltag vieles automatisch und unbewusst, wobei dieser Mechanismus im Gehirn unabhängig von der bewussten Erinnerung abläuft.

    Hirnforscher entdeckten bei Unfallpatienten mit vollständiger Amnesie ein rätselhaftes Phänomen, mit dem sie zunächst nichts anfangen konnten. Betroffene waren zwar als Folge schwerer Kopfverletzungen im Stande, neue Fertigkeiten zu erlernen, konnten sich aber hinterher überhaupt nicht an dieses Lernen mehr erinnern. Zeigte man ihnen etwa ein Puzzle mit der Bitte, dieses zu lösen, konnten sie das, aber am nächsten Tag konnten sie sich zwar nicht mehr an dieses Puzzle erinnern, lösten eine neue Aufgabe aber schneller als am Vortag, d. h., sie hatten das Lösen solcher Puzzles gelernt. Allerdings finden sich solche impliziten Erinnerungen auch bei gesunden Menschen, wobei diese zahlreiche Verhaltensweisen beeinflusst.

    Auch das perzeptuelle Gedächtnis wird zum impliziten Gedächtnis gerechnet, obwohl es eine Zwischenstellung zwischen bewusstem und unbewusstem Lernen einnimmt. Das perzeptuelle Gedächtnis ermöglicht ein Wiedererkennen von bereits bekannten Mustern, d.h. man erkennt z.B. jeden Apfel als Apfel, wenn er typische, im perzeptuellen Gedächtnis abgespeicherte Merkmale besitzt. Jeder Apfel ist unterschiedlich und man hat in seinem Leben niemals alle gesehenen Äpfel im Gedächtnis abgespeichert, sondern nur die Merkmale oder die Regel, die einen Apfel unverkennbar zu einem Apfel machen. Diese Merkmale bzw. Regeln sind nicht bewusst, wohl aber die Wahrnehmung oder die Erkennung des Apfels an sich. Gleiche Prinzipien gelten übrigens auch für die Gesichtererkennung.

    Jacoby et al. (1989) haben dazu ein Experiment durchgeführt. Den Versuchspersonen wurde eine Namensliste vorgelegt, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Namen auf dieser Liste von nicht berühmten Personen stammen. Eine Gruppe von Versuchspersonen war während des Lesens der Liste durch die Bearbeitung einer weiteren Aufgabe abgelenkt. Die andere Gruppe konnte sich die Liste ohne Ablenkung durchlesen. Anschließend sollten die Vpn auf einer weiteren Liste, die einige Namen von der vorherigen Liste und neue Namen enthielt, die Berühmtheit der genannten Personen einschätzen. Es stellte sich heraus, dass die Versuchspersonen, die beim Lesen der ersten Liste abgelenkt waren, Personen, die auf beiden Listen erwähnt wurden, als berühmter eingeschätzt. Sie bemerkten nicht, dass sie den Namen nur aufgrund des vorherigen Lesens wiedererkannten, sondern führten die Vertrautheit mit dem Namen auf die angebliche Berühmtheit der Person zurück. Die andere Gruppe hingegen konnte sich noch daran erinnern, dass die Namen auf der ersten Liste von nicht berühmten Personen stammten und hielten sie deshalb auch nicht für berühmt. Hier wird deutlich, dass aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit nur unbewusst. verarbeitete Informationen Urteile beeinflussen können.

    Fotografieren kann die Erinnerung an Objekte beeinträchtigen

    In zwei Studien hatte Henkel (2014) untersucht, ob das Fotografieren von Objekten Auswirkungen darauf hat, woran man sich über sie erinnert. Die Probanden (Studenten) wurden auf einem geführten Rundgang durch ein Kunstmuseum angewiesen, einige Objekte zu betrachten und andere zu fotografieren. Die Ergebnisse zeigten einen Effekt der Beeinträchtigung durch das Fotografieren: Wenn die Teilnehmer jedes Objekt als Ganzes fotografierten, erinnerten sie sich an weniger Objekte und an weniger Details zu den Objekten und deren Standort im Museum, als wenn sie die Objekte nur beobachteten und nicht fotografierten. Wenn die Teilnehmer jedoch heranzoomten, um einen bestimmten Teil des Objekts zu fotografieren, war ihre anschließende Wiedererkennung und Detailerinnerung nicht beeinträchtigt, und tatsächlich war die Erinnerung an Merkmale, die nicht herangezoomt worden waren, genauso stark wie die Erinnerung an Merkmale, die herangezoomt worden waren. Diese Ergebnisse zeigte die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Gedächtnis der Menschen und dem Gedächtnis der Kamera, was darauf hindeutet, dass die zusätzlichen Aufmerksamkeits- und kognitiven Prozesse, die durch diese konzentrierte Aktivität ausgelöst werden, den Effekt der Beeinträchtigung durch das Fotografieren aufheben können. Ähnliches gilt auch für Aufnahmen mit Smartphones, denn auch hier löst sich durch das Fotografieren der Verstand und die Sinneswahrnehmung vom Objekt, das man sieht. Man ist dann mehr damit beschäftigt, ein gutes Bild zu machen, als die Inhalte des Objekts mit Interesse und Bewunderung zu bestaunen

    Es ist bekannt, dass von den großen Datenmengen, die ununterbrochen auf den Menschen einströmen, die meisten schnell verblassen und nur ein kleine Teil selektiv und langfristig gespeichert wird. Kuhbandner et al. (2017) konnten experimentell aber zeigen, dass Menschen doch wesentlich mehr der einströmenden Informationen langfristig speichern, und zwar auch ohne die Absicht sich etwas zu merken. Probanden wurden in schneller Abfolge insgesamt Bilder von Alltagsobjekten gezeigt, wobei über jedem Objekt ein davon unabhängiges Wort eingeblendet wurde. Die Versuchspersonen sollten dabei die Bilder ignorieren und nur auf die Wörter zu achten und bei einer Wiederholung eines Wortes einen Knopf drücken. Anschließend wurden die Erinnerungen an die nebenbei gezeigten Gegenstände überprüft, indem jeweils zwei davon präsentiert wurden, von denen eines ein vorher gezeigter war, während der andere ein neuer Gegenstand war, der aber teilweise dem gezeigten Objekt sehr ähnlich war. Die Versuchspersonen mussten angeben, welches der beiden Objekte sie vorher schon gesehen hatten und fall sie sich nicht erinnern konnten, sollten sie einfach raten. Obwohl die Probanden angaben, dass sie die meiste Zeit raten würden, identifizierten sie beim Test direkt nach dem ersten Versuch fast die Hälfte der Objekte, und beim Test am nächsten Tag immerhin noch ein Fünftel der Objekte, auch wenn für eine korrekte Identifikation hohes visuelles Detailwissen notwendig war. Die Befunde zeigen demnach, dass Menschen viel mehr Details ihrer Wahrnehmung abspeichern als ihnen bewusst ist.

    Bei der heutigen Informationsüberflutung können sich die Menschen nicht mehr daran erinnern, ob eine Nachricht falsch oder richtig war, nur noch, dass sie irgendwo gestanden hat. Die Mechanik der Intuition führt in die Irre, denn es gelang Forschern implizites und explizites Gedächtnis so gegeneinander auszuspielen, dass unbekannte Leute innerhalb von 24 Stunden zu Berühmtheiten avancierten. Den Versuchspersonen wurde eine Reihe von Namen vorgelegt mit dem Hinweis, dass niemand davon prominent sei. Am nächsten Tag erhielten sie eine gemischte Liste mit am Vortag gezeigten und neuen Namen. Die Aufgabe: Schätzen Sie die Berühmtheit dieser Leute ein. Das Resultat: Die am Vortag gezeigten Namen wurden überdurchschnittlich oft als berühmt eingeschätzt. Weil die bewusste Erinnerung verloren gegangen war, kramte die Intuition im impliziten Gedächtnis und fand die Namen dort, allerdings ohne den Hinweis, dass sie nicht berühmt sind.

    Auch das Lernen durch Konditionierung verbleibt in aller Regel im impliziten Gedächtnis.

    Siehe auch Implizites Lernen

    Literatur

    Henkel, L. A. (2014). Point-and-shoot memories: The influence of taking photos on memory for a museum tour. Psychological Science, 25, 396–402.
    Jacoby, L. L., Woloshyn, V., & Kelley, C. M. (1989). Becoming famous without being recognized: Unconscious influences of memory produced by dividing attention. Journal of Experimental Psychology: General, 118, 115-125.
    Kuhbandner, C., Rosas-Corona, E. A. & Spachtholz P. (2017). High-Fidelity Visual Long-Term Memory within an Unattended Blink of an Eye. Frontiers in Psychology, 8, doi:10.3389/fpsyg.2017.01859.
    Stangl, W. (2016, 8. Oktober). Gedächtnis des Menschen vs. Gedächtnis der Kamera. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4342/gedaechtnis-des-menschen-vs-gedaechtnis-der-kamera.


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