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Smartphone-Sucht

    Nach Ansicht amerikanischer Forscher hat das ständige Kontrollieren neuer Inhalte auf Social Networks und Nachrichtenkanälen Suchtcharakter. In einer Untersuchung wurden die Checking Habits sichtbar: E-Mails, Facebook und Nachrichten werden am Handy abgerufen, und zwar mehrmals pro Stunde und im gesamten Zeitraum vom Aufwachen bis zum Bettgehen, wobei ein Check meist kürzer als dreißig Sekunden dauert: Tastensperre aufheben, Programm starten.

    Mechanismen wie die Vergabe von Likes auf Facebook verlängern die Nutzungszeit, ebenso die Doppelhaken-Funktion auf Whatsapp, denn nach dem Versenden einer Nachricht signalisieren blaue Haken, dass eine Nachricht gesehen wurde. Der Empfänger gerät unter Zugzwang, denn der Sender könnte sich fragen: Warum schreibt mein Gegenüber nicht zurück, obwohl die Nachricht gelesen wurde? Das führt dazu, dass Nachrichten dadurch schneller generiert werden.

    Bei manchen Nutzern beschränkt sich der Smartphone-Gebrauch fast ausschließlich auf dieses kurze Überprüfen, wobei dies meist zu bestimmten Zeitpunkten, allen voran bei Langeweile oder während der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt. Trotz der häufigen Nutzung werten die Untesuchten ihr Verhalten selbst nicht als Abhängigkeit, stoßen sich jedoch durchaus daran und bezeichnen ihren Gebrauch als übermäßig. Nach einer US-Studie führt der Entzug von Smartphones zu Symptomen wie Unruhe und Stress bei Jugendlichen, denn es fällt ihnen schwer, sich ohne Handy zu unterhalten. Siehe dazu auch Nomophobie.

    Döring (2005) weist darauf hin, dass man bei einer umfassenden Betrachtung von pathologischen Symptomen im Zusammenhang mit der Handynutzung neben tatsächlicher oder vermeintlicher Sucht auch andere Verhaltensauffälligkeiten wie aggressives oder belästigendes Verhalten per Handy, Handy-Angst, Wahnvorstellungen (z.B. Stimmenhören) usw. berücksichtigen muss (S. 80).

    Einige Experten halten übrigens wenig davon, bei einer intensiven Nutzung von Social Media oder Smartphones von einer Sucht zu sprechen, da dies in den allermeisten Fällen sicherlich unbegründet ist. Es gibt nur einen sehr kleinen Anteil von Nutzerinnen und Nutzern, die tatsächlich ein problematisches, süchtiges Verhalten zeigen, und bei diesen liegen zudem häufig verschiedene Suchterkrankungen gleichzeitig vor, d.h. die süchtige Mediennutzung ist nur ein Aspekt ihres Suchtverhaltens. Schließlich ist das Smartphone zu einer zentralen Drehscheibe für viele verschiedene Anwendungen geworden, die sowohl positive als auch negative Gewohnheiten hervorrufen können. Der zentrale Schritt muss daher die Selbstreflexion sein, indem man sich fragt, was man eigentlich mit seinem Smartphone in den sozialen Medien macht bzw. was man positiv und bereichernd erlebt und was als belastend erlebt wird.


    Manche Kulturen umarmen technische Innovationen schneller als andere, wobei Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen neue Technologien eher nutzen als andere. Nutzt man ein Smartphone in sinnvollem Ausmaß, macht es Menschen produktiv, aber es gibt einen Scheitelpunkt bei der Nutzung, wo es ins Negative kippt. Dieser Scheitelpunkt ist durch eine Fragmentierung des Alltags gekennzeichnet, denn wenn Studierende im Durchschnitt etwa hundertmal am Tag ihre Smartphones aktivieren, zeigt das, dass die dazwischen liegenden Zeiteinheiten viel zu kurz geworden sind, um vertieft arbeiten zu können. Man muss daher jetzt neue Umwelten schaffen, die in einem digitalen Zeitalter wieder längerfristige Konzentration ermöglichen.
    Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie der Universität Ulm (zusammengefasst; W. S.)

    Wie bei Alkohol oder Kaffee ist es so, dass wir ein Problem bekommen, wenn wir es überdosieren. Krankmachend ist beim Digitalen, wenn Symptome der Überdosierung auftauchen. Wenn ich etwa merke, dass es ohne gar nicht mehr geht. Nicht, wenn man sich nur gelangweilt fühlt, wenn man das Handy aus der Hand nimmt – sondern wenn man das Gefühl hat, dass ein Körperteil fehlt. Dann kommt es zu Nebenwirkungen, wir verlernen es, Pausen zu machen. Das Gehirn kann nicht ständig mit Informationen gefüttert werden. Und das gilt auch für Bücher lesen: Manchmal einfach sitzen und schauen, das fehlt beim digitalen Überkonsum. Das ins Narrenkastl schauen fehlt, das Tagträumer-Netzwerk wird nicht aktiviert und es bleibt nur das Grübeln. Das Problem dabei ist, dass wir keine neuen Perspektiven bekommen. Wir verlieren uns in Meinungsblasen im Internet und in Jammerkultur. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt, es wird kühler, egoistischer und oberflächlicher, Aufmerksamkeitsstörungen nehmen zu. Aber das sind Nebenwirkungen, die digitale Welt hat natürlich auch Vorteile.
    Neurobiologe Bernd Hufnagl in einem Interview


    Literatur

    Döring, N. (2005). Psychologische Aspekte der Mobilkommunikation. In J.R. Höflich & J. Gebhardt (Hrsg.), Mobile Kommunikation. Perspektiven und Forschungsfelder (S. 61-88). Frankfurt am Main: Peter Lang.
    Stangl, W. (2018). Smartphone-Sucht. Werner Stangls Psychologie News.
    WWW: http://psychologie-news.stangl.eu/1303/smartphonesucht (2016-07-08)
    http://www.vice.com/de/read/ich-und-mein-smartphone-oder-wie-smartphones-unsere-hirne-zerstoeren (13-05-26)
    https://www.derstandard.at/story/2000109188751/psychologe-smartphone-konterkariert-spieltrieb-von-kindern (19-09-30)
    https://www.profil.at/specials/digitale-welt/das-herumspringen-im-gehirn-kommt-von-der-algorithmen-logik/402501679 (23-06-28


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    Ein Gedanke zu „Smartphone-Sucht“

    1. Smartphones triggern die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn

      Untersuchungen zeigen, dass ein Smartphone auch dann ablenkt, wenn es nicht aktiv genutzt wird. denn schon die pure Anwesenheit von einem Handy im Raum kann Auswirkungen auf das Gedächtnis haben. Apps wie Facebook, Instagram und Co. sind bewusst so konzipiert, so viel Zeit wie möglich auf ihnen zu verbringen. Timelines gehen nicht zu Ende – es geht immer weiter. Und so geht es auch dem Gehirn – es will weiter und weiter. Dazu kommt: Es war noch nie so leicht, Bestätigung zu erhalten wie heute. Denn bei jedem Like, Kommentar oder Reaktion auf Social Media schüttet das Gehirn das Glückshormon Dopamin aus. Und auf der Suche nach noch mehr positiver Bestätigung ist man schnell angekommen: im Sog des Handys.

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