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Genderismus

    Genderismus ist die abwertende Bezeichnung für Gender mainstreaming und vergleichbare gesellschaftliche Konzepte, die als eine Ideologie betrachtet werden, die eine vollkommene Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen erreichen möchte.

    1955 hatte der Psychologe John Money die Unterscheidung von «gender» und «sex», also zwischen sozialem und biologischem Geschlecht, vorgeschlagen, wobei vor allem Feministinnen dieses Modell attraktiv fanden, denn einerseits negierte es die biologischen Differenzen zwischen Männern und Frauen nicht, und ebenso wenig auch einen gewissen Zusammenhang zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, anderseits trug es der prägenden Macht gesellschaftlich determinierter Rollenbilder Rechnung, ohne aber die Hoffnung auszublenden, dass diese durch sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandel aufgeweicht werden und damit Frauen wie Männern neue Freiheiten schenken könnten. In der Folge wurde die Rolle der Biologie bei der Herausbildung der Persönlichkeit zunehmend heruntergespielt, während die Bedeutung kultureller und gesellschaftlicher Prägungen in den Vordergrund rückte. Dahinter stand die Überzeugung, dass Unterschiede zwischen Knaben und Mädchen, Männern und Frauen nicht naturbedingt sind, sondern Resultat einer entsprechenden Sozialisierung.

    Der Genderforschung liegt explizit die Auffassung zu Grunde, dass die Geschlechtsidentität nicht allein unter Rekurs auf die Biologie zu erklären ist, also nichts natürlich Gegebenes darstellt, sondern permanent sozial, kulturell und sprachlich konstituiert wird. Die Geschlechtsidentität ist somit vielmehr ein kulturelles Konstrukt, das sich biologische Gegebenheiten zunutze macht. Manche sind sogar der Auffassung, dass die Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht nichts weiter als eine kulturell konstruierte Ideologie darstellt. Im Übrigen liegt den meisten heutigen Gesellschaften eine Unterscheidung von Männlichkeit und Weiblichkeit zu Grunde, die dabei symbolisch konstruierte Muster darstellen, wobei die oft als natürlich bezeichnete Einstellung zum Geschlecht als restriktive Zweigeschlechtlichkeit von einem dichotomen Denken beherrscht wird, das jeder Person das Merkmal Frau oder Mann zuordnet und sie mehr oder minder dazu verpflichtet, sich dem einen oder dem anderen Geschlecht zuzuordnen bzw. zuordnen lassen zu müssen.

    Von kirchlicher Seite – insbesondere der katholischen Kirche – gibt es zahlreiche Versuche, die Gender-Forschung als Wissenschaft zu desavouieren, wobei eine Gleichsetzung von Gender und Genderismus mehr oder weniger offen unterstellt, die Geschlechterforschung sei eine politische Ideologie, deren Begrifflichkeit unwissenschaftlich sei. Das wird sehr häufig mit anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu untermauern versucht. Bei einer solchen Argumentation wird nicht nur ein mit Blick auf die naturwissenschaftlich orientierte Geschlechterforschung falscher Gegensatz von Gender-Studies und Naturwissenschaft konstruiert, sondern es wird zugleich den geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Dimensionen der Geschlechterforschung ihre Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Die von kirchlicher Seite dabei verwendete Argumentation basiert letztlich vor allem auf der von ihr vertretenen repressiven Sexualitätslehre, die Sexualität allein auf den Zeugungsakt reduzieren möchte. Bekanntlich ist die Sexualität jene zentrale Dimension vor allem der katholischen Kirche, um alle Gläubigen in einer Art sündhafter Abhängigkeit zu halten, damit sie diese leichter kontrollieren kann. Die fast zwangläufigen Folgen einer solchen widernatürlichen Sexualmoral kann man nicht zuletzt an den in den letzten Jahren entdeckten Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche beobachten.

    Siehe auch Warum ist die Gender-Sprache problematisch?

    Literatur

    Alkemeyer, T. (2000). Zeichen, Körper und Bewegung. Aufführungen von Gesellschaft im Sport. Habilitation am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. Berlin.
    Meyer, K. (2013). Wider Natur und Schöpfungsordnung? NZZ vom 18. Dezember.
    Money,  J. (1995). Gendermaps. Social Constructionism, Feminism, and Sexosophical History. New York: Continuum.


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