Das menschliche „Selbst“ existiert gar nicht, sondern das bewusst erlebte Ich wird von unserem Gehirn erzeugt, und was wir wahrnehmen, ist nichts als „ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität“. Dies beweisen nach Thomas Metzinger die Erkenntnisse der aktuellen Forschung. Menschen sind also Ego-Maschinen, natürliche Informationsverarbeitungssysteme, die im Verlauf der biologischen Evolution auf diesem Planeten entstanden sind. Das Ego ist ein virtuelles Werkzeug: Es hat sich entwickelt, weil wir mit seiner Hilfe unser eigenes Verhalten kontrollieren und vorhersagen und das Verhalten anderer verstehen konnten. Jeder von uns lebt sein bewusstes Leben in seinem eigenen Ego-Tunnel, ohne direkten Kontakt mit der äußeren Wirklichkeit, aber wir besitzen eine innere Erste-Person-Perspektive. Wir alle haben bewusste Selbstmodelle – integrierte Bilder von uns selbst als einer Ganzheit, die fest in Hintergrundgefühlen und Körperempfindungen verankert sind. Aus diesem Grund baut sich die Weltsimulation, die ständig durch unsere Gehirne geschaffen wird, um einen Mittelpunkt herum auf. Wir sind jedoch unfähig, sie als solche zu erleben oder unsere Selbstmodelle als Modelle. Der Ego-Tunnel verleiht Menschen das stabile Gefühl, in direktem Kontakt zur Außenwelt zu stehen, weil er gleichzeitig eine anhaltende »außergehirnliche Erfahrung« und ein Gefühl des unmittelbaren Kontakts zum eigenen »Selbst« erzeugt.
Das Ich ist ein Prozess
Auf die Frage „Wer bin ich?“ gibt es demanach genau genommen keine Antwort, denn das Ich ist eine Illusion, denn in der Wissenschaft ist man längst von der Idee eines zentralen Ichs abgekommen, also es gibt kein Ich-Zentrum, das im Gehirn das Kommando hat. Das Ich ist eine metaphysische Erfindung des Christentums und der Philosophie des Geistes, denn Philosophen von Platon bis Heidegger setzten sich mit der Frage nach Sein und Bewusstsein auseinander. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand das Leib-Seele-Problem, also ist der Geist etwas Körperliches oder gibt es so etwas Flüchtiges, Nichtstoffliches wie eine Seele?
Heute geht man also davon aus, dass das Ich kein Ding ist, sondern ein Prozess, das Ich ist plastisch, formbar, passt sich bewusst und unbewusst an seine Umgebung an. Menschen sind Ich immer nur im Moment und in der Rolle, die sie verkörpern, was aber das Gehirn aber nicht daran hindert, ein Gefühl für dieses Ich aufzubauen, wobei es einige Anstrengungen unternimmt, um in einer immer komplizierter werdenden Welt bei sich zu bleiben. Der kontinuierlich ablaufende Vorgang des bewussten Erlebens ist weniger ein Abbild der Wirklichkeit, als vielmehr ein Tunnel durch die Wirklichkeit.
Quellen
http://www.perlentaucher.de/artikel/5634.html