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Erziehungsstil

    Laut Erich Weber sind Erziehungsstile relativ sinneinheitlich ausgeprägte Möglichkeiten erzieherischen Verhaltens, die sich durch typische Komplexe von Erziehungspraktiken charakterisieren lassen (vgl. Domke 1991, S. 16). Erziehungsstile umfassen daher alle Muster erzieherischen Erlebens und Handelns, die über verschiedene Situationen hinweg relativ konsistent gezeigt werden, also die individuelle Art und Weise, wie Eltern oder Erzieher ihre Erziehungsaufgabe wahrnehmen. Erziehungsstile betreffen vor allem Formen der Autorität und Machtausübung, die Entscheidungsstruktur, den Einsatz von Rückmeldungen, Belohnung und Bestrafung, Aufgabenzuteilung und Zusammenarbeit, soziale und emotionale Beziehungen. Erziehungsstile basieren einerseits auf Gewohnheiten, andererseits auf Kenntnissen von Erziehungsmethoden und subjektiven Annahmen über deren Wirksamkeit. Erziehungseinstellungen beinhalten zusätzlich affektive Bewertungen der Erziehungsmethoden, etwa eine gefühlsmäßige Bevorzugung von Anerkennung oder eine Ablehnung von körperlichen Strafen. Schließlich haben Erzieher Ziele, die sie kurzfristig in der gegenwärtigen Situation oder langfristig im Erziehungsprozess erreichen wollen. Daraus ergeben sich drei Aspekte von Erziehungsstilen;

    • Erziehungspraktiken als Verhaltensweisen von Erziehenden in pädagogischen Situationen, zu denen zählen dabei sowohl bewusst geplante als auch unwillkürliche Verhaltensweisen, sowohl Verhaltensweisen mit einer intendierten als auch mit einer unbeabsichtigten Erziehungs- oder Bildungswirkung.
    • Erziehungseinstellungen sind schließlich jene Überzeugungen und Meinungen, die pädagogische Maßnahmen und deren Wirkungen sowie die sozialen und emotionalen Beziehungen im pädagogischen Kontext betreffen.
    • Erziehungsziele bilden die Zielvorstellungen und Prioritätensetzungen, die sich auf die anzustrebenden Ergebnisse von Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungsprozessen beziehen.

    Für das Entstehen von Erziehungsstilen lassen sich nach Domke (1991, S. 16f) drei hauptsächliche Bedingungsfelder ausmachen:

    • Soziokulturelle Bedingungen, wie etwa unterschiedliche soziale Herkunft, Schulbildung, Arbeit’s und Wohnbedingungen, Normen und Wertvorstellungen, gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Verhältnisse bringen unterschiedliches Erziehungsverhalten hervor. Erziehungsstile, die in einfachen Kulturen oder in verschiedenen Sozialschichten vorherrschen sowie die antiautoritäre Erziehung sind Beispiele für Stile dieses Bedingungsfeldes.
    • Persönlichkeitsspezifische Bedingungen in Form von individuell ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmalen beeinflussen das Verhalten ganz allgemein und selbstverständlich das Erziehungsverhalten im besonderen. Der autokratische und auch der sog. permissive (d.h. von Gleichgültigkeit bestimmte) Erziehungsstil stehen als Beispiele für eine vorwiegend von typischen Persönlichkeitsstrukturen beeinflusste Stilausprägung.
    • Methodenspezifische Bedingungen, nicht losgelöst, aber doch relativ unabhängig von den genannten Bedingungen, kann auch methodische Reflexion das Erziehungsverhalten entscheidend beeinflussen und stilprägend wirken. Im selben Maße, wie dies der Fall ist, gründet Stil auf Methode, stiftet Methode die Sinneinheit für einen bestimmten Erziehungsstil. Dies trifft weitgehend für den als „sozialintegrativ“ oder auch „emanzipatorisch“ bezeichneten Erziehungsstil zu, bei dem die Verbesserung der Beziehungen und der Selbstbestimmungsmöglichkeiten im Mittelpunkt pädagogischer Bemühungen steht.

    Erziehungsstil ist also eine relativ einheitliche Ausprägung erzieherischen Verhaltens, die sich als typische Konfiguration von pädagogisch relevanten Verhaltensmerkmalen (Erziehungspraktiken) von anderen Ausprägungsformen abheben läßt. Der Erziehungsstil wird bestimmt durch

    • die soziokulturelle Situation (Schichtzugehörigkeit der Familie), in deren Rahmen spezifische Erziehungsnormen gültig sind,
    • die Persönlichkeitsstruktur einzelner Mitglieder der Familie,
    • die typische Konfliktkonstellation innerhalb der Familie (Familiendynamik),
    • die konkreten Erziehungsinhalte und Erziehungsziele,
    • die gesamtgesellschaftliche Situation, die auf die Familie einwirkt.

    Der Begriff Erziehungsstil umfasst die Kategorien Führungsstil und Unterrichtsstil, wobei allerdings vornehmlich die Rolle des Erziehenden, Führenden oder Unterrichtenden akzentuiert ist. Die klassische Einteilung:

    • Der autoritäre Erziehungsstil fordert eine widerspruchslose, bedingungslose Unterwerfung des Kindes. Befehl und Gehorsam stehen im Vordergrund. Dem Erzieher ist es am wichtigsten, dass sich das Kind an seine Vorgaben anpasst. Er lässt wenig Selbstentfaltung zu. Dabei zeigt er oftmals Gefühlskälte und pocht auf seine Macht. Lob und Strafe sind die vorherrschenden Erziehungspraktiken. Anweisungen und Verbote werden nicht begründet. So bekommt das Kind wenig Sicherheit für eigenständige Entscheidungen.
    • Der Laissez-faire-Erziehungsstil überlässt die Kinder weitgehend sich selbst. Der Erzieher stellt die Entfaltung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt seiner Erziehung und lässt so gut wie alles zu. Er stellt kaum Regeln auf und achtet wenig auf die Einhaltung. Das Kind lernt nicht genügend, sich an die Normen des Zusammenlebens anzupassen und Bedürfnisse aufzuschieben.
    • Der kooperative (demokratische) bzw. sozial-integrative Erziehungsstil zeichnet sich durch ein Verhalten der Erzieher gegenüber ihren Kindern aus, das sich in erster Linie um einen guten Kontakt bemüht und durch steuernde Vorschläge und Anregungen bei den Kindern die eigene Entscheidungsfindung auf der Grundlage des Lernens durch Einsicht fördert. Der Erzieher gewährt dem Kind viel, doch nicht unbegrenzte Freiheit. Wenn er ein Verbot ausspricht, erklärt und begründet er es. Wenn er das Kind kritisiert, zeigt er auf, was er stattdessen erwartet. So lernt das Kind, sich in ähnlichen Situationen richtig zu verhalten. Dieser Stil wird auch als partnerschaftlicher oder demokratischer Erziehungsstil bezeichnet.
    • Der autokratische (autoritative) Erziehungsstil betont die Autorität der führenden Elternfigur oder des Erziehers, auf deren Anweisungen, Kontrollmaßnahmen, Lob und Kritik sich das Interesse und die Aufmerksamkeit des Kindes zu richten haben. Bei der Fortführung des sozial-integrativen Stils zeigt der Erzieher dem Kind gegenüber einerseits sehr viel Wertschätzung, doch übt er andererseits auch sehr viel Einfluss aus. Entsprechend seinen Erziehungszielen lenkt er das Kind und behält sich auch die Kontrolle vor. Verstößt das Kind gegen Regeln, greift er ein, erklärt und begründet dies. So erhält das Kind viel Sicherheit, welches Verhalten von ihm erwartet wird, entwickelt Zielstrebigkeit und kann sich in der Gemeinschaft sicher bewegen.

    „Die Ausprägung des Erziehungsverhaltens der Eltern werden in der Forschung meist zu bestimmten Gruppen zusammengefasst, die als „Erziehungsstile“ bezeichnet werden. Unter Erziehungsstilen werden die beobachtbaren und verhältnismäßig überdauernden tatsächlichen Praktiken der Eltern verstanden, mit ihren Kindern umzugehen“ (Hurrelmann, 2006,  S. 157).

    In einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung zur Erziehungskompetenz österreichischer Eltern setzt ein Fünftel auf Autorität, bei 29 Prozent steht das Kind im Mittelpunkt und die Hälfte sieht sich pragmatisch-ausgewogen. 74 Prozent sagen, sie teilen sich die Kindererziehung mit ihrer Partnerin, aber dieser Ansicht sind nur 60 Prozent der Frauen. Die Hälfte der Eltern in Österreich erzieht ihre Kinder pragmatisch und ausgewogen (50 Prozent) – also mit einem gesunden Mittelmaß. Daneben gibt es den reflektierten und kindzentrierten Erziehungsstil, für den sich knapp ein Drittel der Mütter und Väter entscheiden (29 Prozent). Genau umgekehrt ist es bei etwa einem Fünftel der Eltern: Sie erziehen bestimmt-kontrollierend, bevorzugen also einen autoritären Erziehungsstil (21 Prozent). Insgesamt sind 23,5 Prozent sogenannte Helikopter-Eltern, wobei man die meisten bei den bestimmt-kontrollierenden Erziehungstypen findet und auch mehr Väter als Mütter Helikopter-Tendenzen aufweisen. Haupt-Konfliktthemen sind in allen Familien ähnlich. Neben Ordnung und Sauberkeit sind das der Geschwisterstreit und der Medienkonsum. Diese drei Typen von Erziehung im Detail:

    • Bestimmt-kontrollierend: Dieser Stil hat deutliche Parallelen zum autoritären Erziehungsstil, d. h., die Eltern legen großen Wert auf Höflichkeit und gutes Benehmen, üben ein hohes Maß an Kontrolle aus mit einer Tendenz zur Überbehütung. Schule und Lernen haben den höchsten Stellenwert, sodass man etwa deutlich früher mit der Mediennutzung beginnt, und zwar ab drei Jahren, während man beim kindzentrierten Typ erst ab sechs Jahren damit beginnt.
    • Hochreflektiert-kindzentriert: Für die Eltern steht die Meinung des Nachwuchses im Fokus, die Eltern haben hohe Erziehungsideale und respektieren das Kind als eigenständige Persönlichkeit, übernehmen Verantwortung ohne das Kind zu bevormunden. Hier ist die Handynutzung ein häufiges Konfliktthema.
    • Bewusst-pragmatisch: Diese Eltern liegen zwischen den beiden Polen des autoritären und des kindzentrierten Stils.

    Literatur
    Domke, H (1991). Erziehungsmethoden. Aspekte und Formen des Methodischen in der Erziehung. In E. Weber (Hrsg.), Pädagogik. Eine Einführung. Band 2. Donauwörth: Auer.
    Hurrelmann, Klaus (2006). Einführung in die Sozialisationstheorie. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
    Medizinisch-Psychologie – Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
    http://www.medpsych.uni-freiburg.de/OL/glossar/body_erziehungsstil.html


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