Man kann laufen soweit man will, man sieht überall nur seinen eigenen Horizont.
Max von Eyth
Perspektivismus oder Perspektivität bezeichnet das Phänomen, dass Wirklichkeit immer vom Standpunkt und den Eigenschaften des betrachtenden Subjekts abhängig ist. Das bedeutet, dass menschliches Denken, Erkennen und Handeln stets Einschränkungen unterliegt, die sich aus den Bedingungen von Zeit und Raum, den individuellen Fähigkeiten, der jeweiligen Situation ergeben. Den Begriff der Perspektive und den Begriff des Standpunktes führte Gottfried Wilhelm Leibniz in die Philosophie ein.
1.Definition
Perspektivität ist auf den Begriff „Perspektive“ zurückzuführen und ist daher im Bereich der visuellen Wahrnehmung beheimatet. Der Begriff „Perspektive“ ist der Basisbegriff der Geisteswissenschaften geworden, bzw. aller Redewendungen die sich mit der Struktur von Sinnbildungen beschäftigen.
Wortgeschichtlich geht der Begriff „Perspektive“ auf das lateinische Verb perspicere zurück, das soviel bedeutet wie genau sehen oder gewiss wahrnehmen. Dementsprechend wurde bis zur Renaissance perspektiva als Lehre vom richtigen genauen Sehen verstanden (vgl. Köller, 2004, S. 6).
2.Definition
Perspektivität bezeichnet eine besondere projektive Abbildung. Es ist ein Begriff der Phänomenologie: Die Welt jeweils so darzustellen, wie sie von einer bestimmten Person oder Gruppe erfahren wird, – rein in den Grenzen dieser Erfahrung –, mündet in eine Strukturanalyse, in der sich Erfahrung in ihrer Perspektivität zeigt (vgl. Das Psychologie-Lexikon, http://www.psychology48.com/deu/d/perspektivitaet/perspektivitaet.htm).
3.Definition
„[…] jeder hat eine eigene Perspektive zu der Welt […] Eine Konsequenz der Perspektivität ist, dass der Kontrast zwischen Objektivität und Subjektivität nicht länger so furchtbar bedeutsam ist: Man kann letztlich nur eine Perspektive einnehmen, und obwohl einige Perspektiven zweifelsohne besser sind als andere, ist keine davon als die ultimative Perspektive geeignet. Wenn man die Gesamtheit der Realität verstehen möchte, muss man alle möglichen Perspektiven zusammennehmen. Das ist natürlich unmöglich, somit können wir nur unser Bestes geben, um das Unendliche zu verstehen. Und damit wir uns dem Verstehen nähern können, müssen wir der Vielfalt der Perspektiven, denen wir begegnen, größten Respekt entgegenbringen, weil eben jede zu unserem Verständnis des Ganzen beitragen kann und wird“ (Boeree, 2007, http://www.social-psychology.de/sp/tdp/1-philosophisches-prospekt).
4.Definition
Perspektivität von Wissenschaft am Beispiel „Schule“:
Perspektivität wird von mehreren Faktoren bestimmt:
1. Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroebene
Mikroebene: Beziehungen zwischen den konkret handelnden Personen vor Ort
Makroebene: Teil des Bildungssystems eines Staates mit individuellen bzw. gesetzlich definierten Aufgaben und Funktionen.
2. Je nach Motivationen und Interesse erhält man wiederum unterschiedliche Resultate. Beispielsweise werden für Ökonom/inn/en die Kosten der Schule von großem Interesse sein, während Bildungswissenschafter/innen ihre Aufmerksamkeit eher den Inhalten des Unterrichts sowie der Art und Weise wie unterrichtet wird schenken.
3. Differenzierung nach der Ausschnitthaftigkeit – verschiedene Standpunkte zeigen verschiedene Ausschnitte der Schule. Architekt/inn/en legen den Focus auf die bauliche Betrachtungsweise. Ebenso unterschiedlich ist die Betrachtungsweise von innen (durch die Schulleitung…) bzw. von außen (vom Standpunkt der Eltern…)
4. Weiters spielt der Zeitpunkt eine wichtige Rolle. Vergleicht man seine alte Schule mit der heutigen, dann wird man wahrscheinlich eine Veränderung feststellen können (vgl. Graumann, 2002, S. 22-31).
5.Definition
„Die neuere Kindheitsforschung ist daran orientiert die sozialräumliche und akteurszentrierte, das heißt die erlebte und selbst erzeugte Wirklichkeit mit methodisch kontrollierten und reflektierten Mitteln zu erschließen. […] Die ‚wechselseitige Bezogenheit von Kinder- und Erwachsenenperspektive‘ ist es, was hier forschungsmethodische Sensibilität verlangt. […] Perspektivität wird daherzum ,reflexiven Strukturmerkmal von Erwachsenen-Kind Verhältnissen‘[…].“(Siegmund & Bröcher zit. nach Honig et al., 2010, S. 17f.).
Literatur
Köller, W. (2004). Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern. Denken und in der Sprache.Berlin: Walter de Gruyter GmbH & Co. KG.
Psychology48.com. Das Psychologie-Lexikon.
Online im Internet: http://www.psychology48.com/deu/d/perspektivitaet/perspektivitaet.htm (10-10-25)
Boeree, C. G. (2007). Theorie der Perspektiven: 1. Philosophisches Prospekt.
Online im Internet: http://www.social-psychology.de/sp/tdp/1-philosophisches-prospekt (10-10-25)
Graumann, C. F. (2002). Toleranz und Perspektivität. In F. Heinzel& A. Prengel (Hrsg.), Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe (S. 22-31). Opladen: Leske&Budrich.
Siegmund, M.& J. Bröcher. (2009). Pädagogische Grundlagen der angewandten Kindheitswissenschaften. (Stendaler Studienmaterial Band 1). Norderstedt: Books on Demand.