frühkindliche Bildung

Frühkindliche Bildung beinhaltet die Bildung von Kindern ab Geburt bis ins Vorschulalter, wobei es im Unterschied zur Frühförderung bei der frühkindlichen Bildung um die Förderung der geistigen, moralischen, kulturellen und körperlichen Entwicklung nicht behinderter Kinder geht. Frühkindliche Bildung wird meist im engen Zusammenhang mit der Betreuung und Erziehung von Kindern betrachtet und umfasst unterschiedliche institutionelle Formen, wobei sich die Frühpädagogik mit frühkindlicher Bildung und Entwicklung befasst. Alle späteren Bildungsprozesse wurzeln in den Bildungsprozessen der frühen Kindheit.

Frühkindliche Bildung ist vor allem eine Einführung in implizite und explizite Weisen, wie man im Einklang mit bestimmten, gesellschaftlich leitenden Meinungen und mit verschiedenen Wirklichkeiten in einer Kultur umgeht. Die frühe Kindheit ist in erster Linie eine Hinführung in die Weisen wie man etwas macht und erst in zweiter Linie eine Einführung in bestimmtes Können und Wissen. Mit den ersten Kompetenzen, die Kinder im Umgang mit Wirklichkeiten gewinnen, entwickeln sie auch die grundlegenden Fähigkeiten, wie man sie gewinnt, letztlich wie man Lernen lernen kann. Während sich Erkenntnisse im Verlauf eines Lebens verändern und verändern müssen, bleiben die in diesem Lebensabschnitt gewonnenen Haltungen in der Regel stabil, zumindest so lange sie nicht bewusst in Frage gestellt werden. Das bedeutet letztlich auch, dass man sich an keine klaren Vorgaben einer Entwicklungspsychologie halten kann, die bestimmt, wie Kinder lernen und die man frühkindlichen Bildungsprozessen als Orientierung zugrunde legen könnte. Die Entwicklungspsychologie kann allerdings sagen, wie Kinder in einem bestimmten soziokulturellen Rahmen lernen, weil sie die Wahl einer anderen Kultur nicht haben, d. h., eine Entwicklungspsychologie muss ihre Eingebundenheit in soziale und kulturelle Traditionen permanent reflektieren.

Frühkindliche Bildung im Spannungsfeld von Leistungsdenken und gesellschaftlichem Zusammenhalt

Frühkindliche Bildungsprogramme weltweit fokussieren sich stark auf kognitive Fähigkeiten und blenden zentrale soziale Kompetenzen sowie strukturelle Rahmenbedingungen weitgehend aus. Eine Studie von Bobrowicz et al. (2025) untersuchte 92 bildungspolitische Dokumente aus 53 Ländern sowie von internationalen Organisationen aus den Jahren 1999 bis 2023, wobei die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit dieser Programme den Bildungs- und Lebenserfolg primär als Resultat von individueller Anstrengung, Talent und Verantwortung begreift – ein Weltbild, das einer wirtschaftlich geprägten Meritokratie folgt. Sozioökonomische Bedingungen wie Herkunft, Bildungsgrad der Eltern oder belastende Lebensereignisse werden hingegen kaum berücksichtigt, aber auch die Rolle von Gemeinschaft, Solidarität und sozialem Rückhalt wird in den meisten Leitlinien vernachlässigt. Zwar wird der Zugang zu früher Bildung allgemein als wichtig erachtet, jedoch wird gesellschaftlicher Zusammenhalt vielfach nur durch wirtschaftliche Kennzahlen definiert. Soziale Kompetenzen – etwa Toleranz, Kooperation oder demokratisches Verständnis – finden in den untersuchten Curricula kaum Beachtung. Selbst die oft erwähnten sozio-emotionalen Fähigkeiten (z. B. Emotionsregulation) kommen überwiegend nur in den Positionspapieren internationaler Organisationen vor. Diese Ausrichtung zeigt ein verkürztes Leistungsverständnis, das wichtige Voraussetzungen für eine demokratische, solidarische Gesellschaft untergräbt, denn wenn frühkindliche Bildung nur Wettbewerb und individuelle Leistung fördert, droht schon in Kitas und Kindergärten ein Konkurrenzdenken, bei dem andere Bildungsziele – etwa soziale Integration oder die Förderung benachteiligter Kinder – zu kurz kommen. Dies könne langfristig das soziale Gefüge schwächen und zu einer individualisierten, wettbewerbsorientierten Bildungslandschaft führen, die Chancenungleichheiten verfestigt, statt sie abzubauen. Es sollten daher soziale und strukturelle Faktoren stärker in die Gestaltung frühkindlicher Bildung einbezogen und soziale Kompetenzen als gleichwertiges Bildungsziel anerkannt werden.

Literatur

Bobrowicz, K., Gracia, P., Teuber, Z., & Greiff, S. (2025). The meritocracy trap: Early childhood education policies promote individual achievement far more than social cohesion. PLOS ONE, 20(7), doi:10.1371/journal.pone.0326021
http://liga-kind.de/fk-111-schaefer/ (16-10-10)
https://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChkindliche_Bildung (16-10-10)


Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

Schreibe einen Kommentar