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Focusing

    Die Methode des erlebensbezogenen Focusing wurde im Zusammenhang der klientenzentrierten Psychotherapie (Carl Rogers) seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Eugene T. Gendlin an der Universität Chicago entwickelt. Die Besonderheit ist die innere Orientierung des Gesprächs an bedeutungshaltigen Körperempfindungen, dem Felt Sense, die die Klientin bzw. der Klient als körperliche Resonanz zu ihrem/seinem Problem zu spüren lernt. Durch schrittweise Symbolisierung (Suchen stimmiger Wörter, Bilder, Bewegungen) dieser körperlich fühlbaren Bedeutung eines Problems sollen die zuvor nicht dem Bewusstsein zugänglichen, unklaren Aspekte dieses Problems klarer verstanden und damit einer Veränderung zugänglich gemacht werden. Focusing ist dabei eine Art innerer, körperlicher Aufmerksamkeit, die einige wenige Menschen natürlicherweise kennen. Focusing bedeutet aber nicht einfach, mit Emotionen oder Gefühlen in Kontakt zu sein, und es bedeutet auch nicht, sich über sich selbst im Kopf Gedanken zu machen und Vermutungen anzustellen. Focusing ist vielmehr ein Weg, eine körperliche Empfindung dazu zu bekommen, wie es einem in einer bestimmten Lebenssituation geht. Dieser felt sense ist zunächst unklar und vage, doch wenn man ihm jedoch Aufmerksamkeit widmet, kann er sich in Worten oder Bildern ausdrücken, was schon oft zu kleinen Veränderungs- und Handlungsschritten und neuen Gedanken führen kann. Um diesen Vorgang zu erlernen, braucht man gewöhnlich einige Tage mit entsprechender Anleitung.

    Beim Focusing geht es also praktisch darum, sich selbst wahrzunehmen, und zwar indem man innehält, ganz ruhig und still sitzt oder liegt und versucht, möglichst genau zu spüren, was in einem vorgeht, wie sich der Körper anfühlt, wo man Schmerzen fühlt oder wo man vielleicht angespannt ist. Doch es geht dabei nicht allein um den Körper, sondern auch darum, wahrzunehmen, welche Gedanken, Gefühle und Bilder in der Auseinandersetzung mit sich selber auftauchen. Focusing ist ein meist angeleitetes System aus konkreten inneren Schritten, um ein tieferes Verständnis für die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungsmöglichkeiten im Leben zu entwickeln, sodass man gleichsam in ein Selbstgespräch mit den eigenen Wahrnehmungen eintritt. Focusing kann auch als eine Methode verstanden werden, die Menschen aus alten Mustern und inneren Kämpfen befreit.

    Es ist heute auch möglich, sich beim Focusing begleiten zu lassen, wobei Focusing auch gut über Telefon, Skype oder andere Online-Methoden funktioniert. Focusing kann auch in Kombination mit anderen psychologischen Methoden verwendet werden, etwa im Rahmen einer Psychotherapie oder eines Coaching, wobei dann aber die Möglichkeiten und Grenzen des jeweiligen Settings zu beachten sind.

    Kontraindikation: Focusing sollte man eher nicht anwenden, wenn man mit den eigenen Themen schlecht umgehen kann, wenn man nicht daran interessiert ist, sich den eigenen grundlegenden Fragen zu stellen oder auch, wenn man nach schnellen Lösungen sucht.

    Focusing ist letztlich auch kein Therapieersatz. Die Focusing-orientierte Psychotherapie hat übrigens keine wissenschaftliche Anerkennung gefunden und wird daher in Deutschland und Österreich von den Krankenkassen auch dann nicht erstattet, wenn sie von Ärzten oder Psychologischen Psychotherapeuten angewendet wird.


    Aus einer Werbung für Focusing-Seminar: „Nichts ist auf Dauer brüchiger als die Sehnsucht nach permanenter Glückserfüllung, denn Glück ist als einziges Ziel äußerst vergänglich. Positiv erfüllende Glücksmomente können Menschen nur dann begegnen, wenn sie sich bemühen, vertrauensvoll und kompromissbereit aus dem unterschiedlichen Ich und Du immer wieder tief verbindende Wir-Momente zu schaffen. Die Methode des Focusing hilft  Menschen dabei, genauer wahrzunehmen, was Glück für sie bedeutet und worauf sie achten sollten, um den zeitlich vergänglichen Glückmomenten eine Chance zu geben, in ein sinnerfüllt erlebtes Dasein immer wieder neu eingebunden und tief berührend Wirklichkeit zu werden.“


    Zur Person: Eugene Gendlin (1926-2017) entwickelte die Focusing-Methode und hat durch seine psychologischen und philosophischen Forschungen einen wesentlichen Beitrag zur modernen Psychotherapie geleistet. Gendlin mit seiner Familie 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA flüchten, studierte an der Universität Chicago bei Carl Rogers, dem Begründer der klientenzentrierten Therapie. In seiner Forschungsarbeit zeigte Gendlin, dass die Fähigkeit von KlientInnen, durch die Psychotherapie eine anhaltende positive Veränderung zu bewirken, von ihrer Fähigkeit abhängig ist, Zugang zu einem non-verbalen, körperlichen Gefühl zu den Themen zu erlangen, die sie in die Therapie mitbringen. Gendlin bezeichnete dieses intuitive Körpergefühl als den „Felt Sense“, den gefühlten Sinn, und untersuchte, wie erfolgreiche Klienten Zugang dazu erhalten. Aus diesen Beobachtungen entwickelte er das „Focusing“, das Körperempfindungen bei der Suche nach Quellen und Ursachen persönlicher Probleme einbezieht. Es handelt sich dabei um eine „Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme, wobei man in sechs Schritten seinen „Felt Sense“ entdecken und diesen für die eigene persönliche Entwicklung nutzen kann. Er war der Überzeugung, dass kein Fachmann die persönlichen Probleme lösen oder vorschreiben kann, wie man leben soll, sondern man muss sich als Therapeut bemühen, den Menschen beizubringen, wie sie sich selbst und anderen helfen können.


    Literatur

    Stangl, W. (1999). Focusing. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOTHERAPIE/Koerperorientierte-Therapie-Reich.shtml (99-08-09)
    http://www.therapeutenfinder.com/lexikon/focusing.html (15-11-21)
    http://www.focusing.org/german.html (15-11-21)
    https://science.apa.at/rubrik/kultur_und_gesellschaft/Psychologe_und_Philosoph_Eugene_Gendlin_gestorben/SCI_20170509_SCI39351351635929264 (17-05-10)


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