Astrozyten gehören neben Oligodendrozyten und Mikroglia zu den Gliazellen und sind neben den Neuronen eine wichtige zelluläre Komponente des Gehirns und nehmen dort verschiedene grundlegende Aufgaben wahr. Astrozyten machen dabei etwa die Hälfte der menschlichen Gehirnmasse aus, doch obwohl man sie schon lange kennt, weiß man weniger über sie als über Neuronen. Astrozyten beinflussen ständig die Aktivität der Neuronen, wobei vermutlich viele entzündliche Gehirnerkrankungen ihren Ursprung nicht in defekten Neuronen, sondern in der mangelhaften Interaktion zwischen Neuronen und Gliazellen haben. Während Gliazellen eher versuchen, die Funktionen der Neuronen zu bewahren, zeigte sich in neueren Untersuchungen, dass Astrozyten während einer Entzündung die Funktion der Neuronen eher beeinträchtigen. Die Astrozyten spüren das Zytokin TNF, einen Botenstoff der Entzündung, auf und senden daraufhin ein Signal an die Neuronen. Im gesunden Hirn ist die Konzentration von TNF sehr niedrig und die Astrozyten unterstützen die Aktivität der Neuronen, doch tritt im Gehirn eine Entzündung auf, nimmt die Menge an TNF stark zu und die Astrozyten reagieren darauf mit einer Veränderung ihrer neuronalen Funktion. Geschieht dies in Bereichen des Gehirns, die für das Gedächtnis zuständig sind, wie etwa im Hippocampus, beeinträchtigt dies die Speicherung von Informationen und somit die Erinnerungsfähigkeit (Habbas et al., 2015).
Dass Astrozyten lediglich dazu dienen, den Neuronen mechanischen Halt zu geben, muss auf Grund umfangreicher neuerer Forschung korrigiert werden, denn die Hippocampalen Astrozyten besitzen im Gehirn eine Art Wächterfunktion beim Merkvorgang, indem diese Nervenzellen den Botenstoff Glutamat aussenden, woraufhin das Abrufen von Erinnerungen gehemmt wird, sodass sie in neuartigen Situationen als Filter dienen, der neue Informationen durchlässt, während schon gespeicherte Informationen blockiert werden. Dabei regt vor allem Acetylcholin die Astrozyten an, den Botenstoff Glutamat freizusetzen. Wird nämlich experimentell die Funktion von Astrozyten gehemmt, wirkt sich das etwa negativ auf die Wiedererkennung von Objekten aus (Pabst et al., 2016).
Astrozyten halten die Konzentration von Kalium-Ionen in der Umgebung von Neuronen konstant. Astrozyten bilden die Mehrheit der Gliazellen im zentralen Nervensystem von Säugetieren und Menschen und sind sternförmig verzweigt. Einige davon sind den Neuronen sehr ähnlich, manche können sich in Nervenzellen verwandeln. Mit ihrer Hilfe wird zum Beispiel die physiologische Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Zentralnervensystem, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, aufgebaut und aufrechterhalten. Des Weiteren spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung zwischen den Neuronen im Gehirn. Astrozyten kommunizieren miteinander biochemisch durch Schwankungen der Kalziumkonzentration. In Tierversuchen an Mäusen wurde gezeigt, dass die Astrozyten die Mikroglia aktivieren, denn sind sie experimentell ausgeschaltet, kommt es zu keiner Regeneration der Isolationsschicht der Nervenzellen (Skripuletz et al., 2013). Es konnte sogar in vivo gezeigt werden, dass die Astrozyten die Mikroglia aktivieren und nicht umgekehrt, wie man davor annahm.
Neuere Untersuchungen (García-Cáceres et al., 2016) zeigen, dass einige Stoffwechsel- und Verhaltensprozesse nicht nur über Nervenbahnen reguliert werden, sondern dass auch andere Zelltypen wie Astrozyten, eine wichtige Rolle spielen. Mithilfe bildgebender Verfahren konnte man bei Mäusen zeigen, dass die Hormone Insulin und Leptin an Gliazellen wirken, um die Aufnahme von Zucker ins Gehirn zu regulieren. Bei diesen Tieren, denen Insulinrezeptoren auf bestimmten Astrozyten fehlte, war eine deutlich geringere Aktivität in jenen Neuronen nachweisbar, die die Nahrungsaufnahme zügeln. Solche Mäuse hatten auch Schwierigkeiten, ihren Stoffwechsel anzupassen, wenn sich die Zuckerzufuhr änderte. Ohne Insulinrezeptoren zeigten die Astrozyten vor allem im Bereich der Appetitzentralen im Hypothalamus entsprechend schlechtere Transportraten von Glucose ins Gehirn. Diese Erkenntnisse könnten im Zusammenhang mit Diabetes und Adipositas von Bedeutung sein.
Samia Habbas, Mirko Santello, Denise Becker, Hiltrud Stubbe, Giovanna Zappia, Nicolas Liaudet, Federica R. Klaus, George Kollias, Adriano Fontana, Christopher R. Pryce, Tobias Suter & Andrea Volterra (2015). Neuroinflammatory TNFα impairs memory via astrocyte signalling. Cell 163, 1-12.
Milan Pabst, Oliver Braganza, Holger Dannenberg, Wen Hu, Leonie Pothmann, Jurij Rosen, Istvan Mody, Karen van Loo, Karl Deisseroth, Albert Becker, Susanne Schoch & Heinz Beck (2016). Astrocyte intermediaries of septal cholinergic modulation in the hippocampus. Neuron, dos: 10.1016/j.neuron.2016.04.003.
Qian, Hao, Kang, Xinjiang, Hu, Jing, Zhang, Dongyang, Liang, Zhengyu, Meng, Fan, Zhang, Xuan, Xue, Yuanchao, Maimon, Roy, Dowdy, Steven F., Devaraj, Neal K., Zhou, Zhuan, Mobley, William C., Cleveland, Don W. & Fu, Xiang-Dong (2020). Reversing a model of Parkinson’s disease with in situ converted nigral neurons. Nature, 582, 550-556.
Stangl, W. (2012. Neuronen – Nervenzellen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/Gehirn-Neuronen.shtml (12-11-12)
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