Divergentes Denken, divergent thinking, bedeutet, sich offen, unsystematisch und experimentierfreudig mit einem Thema oder Problem zu beschäftigen, wobei das divergente Denken das Gegenstück zum konvergenten Denken darstellt. Verwandt ist das divergente Denken dem lateralen Denken, das wie divergentes Denken für ein offenes, spielerisches Denken steht. Divergentes Denken versucht Denkblockaden und kritische Einwände auszuschalten, die beim konvergenten Denken einengen. Divergentes Denken bedeutet daher in der Praxis, auch einmal um die Ecke zu denken. Divergentes Denken ist durch folgende Grundsätze charakterisiert:
- es wird zugelassen, dass vorliegende Informationen subjektiv bewertet und selektiv verwendet werden,
- nicht jedes Zwischenergebnis richtig sein muss,
- Details nicht analytisch, sondern intuitiv erfasst werden,
- gedankliche Sprünge und Assoziationen zugelassen werden,
- Ja/Nein-Entscheidungen vermieden werden,
- auch nicht durchführbare Lösungen ein Schritt zum besseren Verständnis des Problems sein können,
- konventionelle Denkmuster in Frage gestellt werden, indem etwa bewusst nach der unwahrscheinlichsten Lösung eines Problems gesucht wird,
- Ausgangssituation und Rahmenbedingungen nicht als unveränderbar hingenommen werden.
Divergentes Denken kann als eine Technik zur Ideenfindung verstanden werden, und ist eine wirkungsvolle Denkmethode, die auf kreative Weise Probleme lösen bzw. völlig neue Problemlösungen generieren kann, indem verschiedene Denk- und Wahrnehmungsperspektiven eingenommen werden. Je nach Problemstellung führt divergentes Denken aber nicht zwangsläufig zu praktisch umsetzbaren Lösungen, doch es kann neue Sichtweisen eröffnen. Dennoch setzen viele Unternehmen Divergenz-Tests bei ihren Bewerbern ein, denn nach Untersuchungen soll das Ausmaß an divergentem Denken höher mit dem Lebenserfolg eines Menschen korreliert sein als der Intelligenzquotient.
Nach einer Untersuchung von Onysko (2016) in Neuseeland denken mehrsprachige Menschen kreativer und flexibler, denn sie denken weniger linear, ihre Gedanken sind breiter gestreut und kommen daher eher auf Ideen abseits des Mainstreams. Erfasst wurde dabei das divergente Denken, das bei Mehrsprachigen vermutlich durch insgesamt mehr Sprachaktivität im Gehirn gefördert wird und daher die Fähigkeit, flexibel zu assoziieren, erhöht.
Untersuchungen (Ritter & Ferguson, 2017) haben einen inspirierenden Effekt von Musik auf divergentes Denken festgestellt, wobei fröhliche Hintergrundmusik der Kreativität auf die Sprünge hilft. In diesem Experiment teilte man die Probanden in fünf Gruppen auf, wobei vier davon einige Tests absolvierten, während der sie von unterschiedlichen Musikstücken unterhalten wurden, die fünfte Gruppe löste die Fragen ohne Musik. Dabei waren divergentes Denken, das neue Ideen hervorbringt, und konvergentes Denken, bei dem es darum geht, korrekte Lösungen für ein Problem zu finden, gefordert. Es zeigte sich, dass die Probanden wesentlich kreativer waren, wenn sie einer positiven, stimmungshebenden Musik hörten, während Stille dagegen zu signifikant weniger Ideen inspirierte. Konvergentes Denken dagegen ließ sich von keiner Musik anregen, woraus man schließen kann, dass man konkrete logische Aufgaben eher in eine stillen Atmosphäre lösen sollte.
Literatur
Onysko, A. (2016). Enhanced creativity in bilinguals? Evidence from meaning interpretations of novel compounds. International Journal of Bilingualism, 20, 315 – 334.
Ritter, S. M. & Ferguson, S. (2017). Happy creativity: Listening to happy music facilitates divergent thinking. PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0182210.