Als Ferieneffekt – manchmal auch als Sommervergessen – bezeichnet man in der Bildungsforschung die Auswirkungen der unterrichtsfreien Zeit auf die Entwicklung der Kompetenzen von Schülern, die hauptsächlich durch Schule vermittelt werden. Der Ferieneffekt bezeichnet somit das Phänomen, dass die freie Zeit im Sommer sich negativ auf Rechtschreibung und rechnerisches Denken der Schüler auswirkt, allerdings holen die Kinder ihre Wissen innerhalb der ersten Schulwochen wieder auf. Die Verluste in der Mathematik und der Rechtschreibung lassen damit erklären, dass diese Fähigkeiten im Ferienalltag selten angewendet werden, doch auch beim logischen Denken bzw. der Intelligenz zeigen sich Einbußen, wie Studien in den USA gezeigt haben. Man findet übrigens auch schichtspezifische, milieuspezifische, migrationsspezifische Ferieneffekte, da Kinder aus höheren sozialen Schichten auch in den Sommerferien Lernzuwächse – wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie in der Schulzeit – zeigen, denn bei Kindern aus unteren sozialen Schichten findet man beim Lesen eine Stagnation, in Mathematik sogar einen deutlicher messbaren Verlust. Dieser spezielle Ferieneffekt zeigt die Bedeutung des familiären und sozialen Milieus für den Lern- und Bildungserfolg von Kindern, da sich die Schere der Kompetenzentwicklung offensichtlich vor allem in solchen Zeiten öffnet, in denen der Einfluss von Schule minimal, hingegen der Einfluss des sozialen Umfelds maximal ist.
Manuela Paechter testete 182 Schüler aus ländlichen steirischen Bezirken im Alter von zehn bis zwölf Jahren jeweils vor, unmittelbar nach und neun Wochen nach den Sommerferien hinsichtlich Lesefertigkeit, Rechtschreibung, mathematische Fähigkeiten, Kreativität und logisches Denken/Intelligenz. „Besonders in der Mathematik und der Rechtschreibung lassen sich Verluste feststellen, da diese – im Unterricht geförderten – Fähigkeiten im Alltag seltener angewandt werden“, so Paechter in einer Aussendung der Uni. Auch beim logischen Denken/Intelligenz zeigten sich Einbußen. Allerdings schnitten Schüler in Bezug auf die Lesefertigkeit unmittelbar nach den Ferien besser ab als davor. Ob das auch bei Schülern aus einem städtisch geprägten Umfeld so beobachtet werden kann, gelte es noch zu klären. Die aktuellen Ergebnisse lassen sich am ehesten durch unterschiedliche kognitive Anregung der Schüler erklären: So wird etwa in den Ferien mehr gelesen als geschrieben. „Es ist also ganz entscheidend, inwiefern sie in der schulfreien Zeit zu kognitiven Beschäftigungen angeregt werden. Insgesamt verdeutlicht die Studie, welche enorm wichtige Rolle die Schule genau dafür spielt“, so die Psychologin. Dieser Befund wird dadurch untermauert, dass die Schüler die Verluste neun Wochen nach Schulbeginn wieder wettmachen konnten. In US-Studien kam es dagegen in Folge unterschiedlicher Förderung der Kinder in den Ferien zu beständigeren Unterschieden in den Leistungen. Für den Schulstart empfehlen die Forscher, in den ersten Wochen besonders darauf zu achten, den Unterricht so zu gestalten, dass etwaige Verluste aufgeholt werden können.
Kurioses: In der Aussendung eines Nachhilfeinstituts liest sich ein Hinweis auf den Ferieneffekt dann so: „Verehrte Eltern, falls Ihr Kind im vorigen Schuljahr bei uns Lernstunden besucht hat, haben Sie mit jeder einzelnen Rechnung Brainpoints bekommen, einzulösen gegen WarmUps am Ende der Ferien bzw. zum Schulstart. Bei Auffrischungskursen in Gruppen ist jeder Brainpoint einen Euro wert, bei Auffrischung im Einzelunterricht die Hälfte. Wir wollen damit unterstützen, dass Ihr Kind rechtzeitig von Ferien-Stand-by im Köpfchen wieder auf Denken umschaltet, also nicht etwa den Start vertrödelt. Wir organisieren gerne zusätzlich WarmUps in der ersten und zweiten Schulwoche.“
Und in der Werbemail eines Anbieters von Gehirntraining-Apps so: „Nach Monaten anspruchsvoller Arbeit und schlechten Wetters flüchten sich in den kommenden Wochen viele Menschen in den Urlaub. Ob in fernen Ländern oder gemütlich zu Hause – für viele von uns bedeutet Urlaub ein langersehntes Nichtstun. Und obwohl Entspannung wohlverdient auf dem Plan steht, sollten wir uns bewusst machen: Geistiger Stillstand senkt unseren IQ schnell um mehrere Punkte. Bereits in den 80er-Jahren hat der Psychologe Dr. Siegfried Lehrl durch seine Untersuchungen nachgewiesen, dass der Intelligenzquotient bei geistiger Unterforderung schon nach kurzer Zeit um bis zu 20 Punkte sinken kann. Und obwohl dieser Abfall nicht von langfristiger Natur ist, kann es bis zu vier Wochen dauern, bis unser Gehirn den alten Höchststand wieder erreicht. Das für viele von uns bekannte Gefühl, nach dem Urlaub von der Menge der Aufgaben erstmal überfordert zu sein, ist also keine unheilbare Arbeitsunverträglichkeit, sondern eine wissenschaftlich belegte Eigenschaft unseres Gehirns. Dennoch können Sie die Seele baumeln lassen, ohne den Verstand zu gefährden. Schon 15 Minuten aktivierendes Gehirntraining am Tag fordern die grauen Zellen und machen die wohlverdiente Erholung noch unbeschwerter. Dank unserer App können Sie Ihr tägliches Training auch bequem auf dem Smartphone oder dem Tablet direkt von der Liege absolvieren. Zum Start der Sommersaison möchten wir auch zum Wohlbefinden Ihrer Urlaubskasse beitragen und schenken Ihnen deshalb 50% Rabatt auf alle Trainingspakete. Erholen Sie sich gut und bleiben Sie fit – zu jeder Zeit!“
Siehe auch Lernen in den Ferien? Der Ferieneffekt.
Literatur & Quellen
Fink, A., Krammer, A., Macher, D., Papousek, I., Weiss, E. M. & Paechter, M. (2015). Psychologie in Erziehung und Unterricht, 62.
http://www.focus.de/schule/lernen/schule-ferien-sind-keine-zweite-schulzeit_aid_584193.html (10-12-25)
http://lerntipps.lerntipp.at/lernen-in-den-ferien-ferieneffekt/ (10-12-25)
https://www.schule.at/news/detail/studie-ferieneffekt.html (15-08-04)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferien-Effekt (15-08-04)