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Dreieckstheorie der Liebe

    Sternberg (1984) setzte sich bekanntlich zunächst mit verschiedenen Intelligenzmodellen (triarchische Intelligenztheorie) auseinander und versuchte gemeinsam mit anderen, die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf die Beziehung zwischen Menschen zu übertragen.

    In der Dreieckstheorie der Liebe (triangular theory of love) geht Sternberg (1986) nun davon aus, dass sich das Phänomen der Liebe aus drei Komponenten zusammensetzt, die in Form eines Dreiecks dargestellt werden können. Jede Seite des Dreiecks wird durch eine der drei Liebeskomponenten repräsentiert: Die Komponente Vertrautheit bzw. Intimität ist eng mit dem Konstrukt der Sympathie verbunden und umfasst positive Gefühle, zu denen Nähe, Respekt dem Partner gegenüber, Bindung, Gebundenheit, Intimität, Behaglichkeit, Verbundenheit, Wunsch nach Wohlbefinden, Wärme, glücklich sein, Zuverlässigkeit, gemeinsames Teilen des Geschaffenen, Wertschätzung, emotionale Unterstützung zählen. Vertrautheit kann man als emotionale Komponente der Beziehung betrachten, denn mit ihr ist die Einheit von Gefühlen und Verhalten gemeint, die der Beziehung ihre Innigkeit verleiht. Es geht hier vor allem um Aspekte wie die emotionale Unterstützung des anderen, die Pflege einer von Vertrauen getragenen Verständigung mit dem anderen, die Einstellung, die Gegenwart des anderen für das eigene Leben als wertvoll anzusehen, den Wunsch, zum Wohlbefinden des anderen beizutragen, das Aufbringen von Respekt dem anderen gegenüber, das Fördern von und Investieren in die persönliche Entwicklung des anderen. Der Leidenschaft (passion) wird innerhalb der Dreieckstheorie die motivationale Komponente zugeschrieben, denn diese fördert eine hohe Aktivierung. Motive sind etwa die Vermeidung von Einsamkeit, Dominanz und Unterwürfigkeit, ebenso sexuelle Bedürfnisse, wobei die Stärke dieses Bedürfnisses von weiteren Faktoren ab hängt, etwa der Art der Beziehung, der Situation und von der betreffenden Person. Diese Komponente beinhaltet, dass man sich  vom anderen angezogen fühlt, dass man seine Berührung und Nähe schätzt, dass man den Wunsch hat, sich dem anderen auch körperlich hinzugeben, und das Verlangen, dass der andere dies auch tut. Daher spielen bei dieser Komponente psychophysiologische Bedingungen eine Rolle. Vertrautheit und Leidenschaft stehen dabei in Verbindung, denn einerseits kann Leidenschaft durch Verbundenheit ausgelöst werden,  andererseits kann Leidenschaft, die sich zumeist früh in einer Beziehung entwickelt, mit der Zeit Vertrautheit erzeugen. Daher ist es auch möglich, durch Vertrauen gegenüber dem Partner die Verbundenheit in einer Beziehung zu stärken. Während Vertrautheit als emotionale Komponente betrachtet wird und Leidenschaft als motivationale, ist Entscheidung bzw. Bindung die kognitive Komponente, wobei hier die kurzfristige und die langfristige Komponente unterschieden werden können, bei der der Langzeitaspekt im Sinne von commitment die Entscheidung dafür darstellt, die Beziehung weiter zu pflegen. Eine Mensch kann einen anderen sympathisch finden und Zeit mit diesem verbringen, ohne daran zu denken, ob man mit diesem eine langfristige Beziehung oder Bindung eingehen möchte, und ebenso kann darüber nachgedacht werden, ob dieser Mensch der richtige Partner oder die richtige Partnerin ist, und ob eine längerfristige Beziehung bzw. Bindung eingegangen werden sollte.

    Die drei Komponenten beeinflussen einander gegenseitig und treten in der Regel gemeinsam auf, wobei die Komponente Leidenschaft eher als heiße Vertrautheit angesehen wird, und Entscheidung bzw. Bindung als kühle Komponente, wobei die drei Bereiche nicht in jeder Beziehung gleich große Flächen einnehmen, denn so spielt etwa in engen Beziehungen Vertrautheit eine größere Rolle als in Beziehungen, die keine oder nur wenig Nähe aufweisen. Auch muss man stets die Beziehungsdauer betrachten, denn in kurzen Beziehungen wird die Leidenschaft eine größere Rolle spielen als etwa die Vertrautheit, die sich erst entwickeln muss.

    Grafisch veranschaulicht ergeben sich dabei acht Arten von Liebe bzw. Beziehung, wobei Menschen im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Arten der Liebe durchleben können, sei es mit den gleichen oder unterschiedlichen Partnern. Gleichzeitig spielen situationsbedingte Einflüsse eine wesentliche Rolle:

    sternberg

     

    Bei der Nicht-Liebe ist keine der drei Komponenten (Vertrautheit, Leidenschaft und Entscheidung/Bindung) vorhanden, sodass die meisten oberflächlichen Interaktionen zwischen Menschen dieser Kategorie zuzuordnen sind.

    Sympathie beansprucht die Komponente der Vertrautheit bzw. Verbundenheit, wobei Sympathie in diesem Kontext in Bezug auf Gefühle zu verstehen ist, die für kurze Beziehungen und Freundschaften charakteristisch sind.

    Verliebtheit beinhaltet etwa die Liebe auf den ersten Blick, in der die Komponente der Leidenschaft vorrangig ist. Bei der Verliebtheit wird die Leidenschaft von psychophysiologischen Faktoren begleitet wie erhöhte Herzfrequenz, Herzklopfen oder vermehrte Hormonausschüttungc. Sich zu verlieben ist schnell möglich, aber genauso kann die Verliebtheit in rasch vorbei sein.

    Die leere Liebe beinhaltet die Komponente der Entscheidung bzw. Bindung, wobei gerade in längerfristig dauernden Bindungen beobachtbar ist, dass Vertrautheit und Leidenschaft allmählich nachlassen bzw. auch komplett verschwinden. Dennoch halten die Paare die Beziehung aufrecht, weil sie sich einmal dazu entschieden haben. Diese Aufrechterhaltung der Beziehung kann etwa wegen gemeinsamer Kinder erfolgen. Leere Liebe kann etwa im Falle einer Zwangsheirat auch schon am Beginn bestehen.

    Der romantischen Liebe fehlt es meist an der Komponente Entscheidung bzw. Bindung, doch sind sowohl Leidenschaft als auch Vertrautheit vorhanden. Klassische Beispiele sind etwa Romeo und Julia oder Tristan und Isolde.

    Die kameradschaftliche Liebe basiert auf Vertrautheit und Entscheidung bzw. Bindung, wobei bei der Sympathie nur die Komponente der Vertrautheit vorhanden ist, während bei der kameradschaftlichen Beziehung auch die Entscheidung und Bindung wesentlich sind. Es fehlt bei dieser Form die Entscheidung, eine tiefgehende und langfristige Bindung einzugehen. Typisch ist diese Bindungsform für langfristige Freundschaften und Geschwister.

    Der albernen Liebe fehlt es an Vertrautheit und ist dann zu finden, wenn Menschen zu schnell Bindungen eingehen, wobei diese Beziehungen meist nur kurzfristig bestehen bleiben.

    Die vollkommene Liebe, die von vielen angestrebt, aber kaum erreicht wird, ist die jene Liebesart, die alle drei Komponenten inkludiert. Zwar kann diese in langfristigen Beziehungen zu finden sein, jedoch nur von Zeit zu Zeit, da Leidenschaft keine stabile Komponentedarstellt.


    Übrigens: Die Liebe auf den ersten Blick gibt es nach Ansicht von Wissenschaftlern relativ häufig, denn etwa die Hälfte aller Beziehungen basiert darauf, doch gehen diese meisten nach kurzer Zeit in Brüche. Aus der Wahrnehmungspsychologie weiß man, dass drei Sekunden reichen, um unbewusst eine Entscheidung für oder gegen das Gegenüber zu treffen, wobei hier weder Geld, Status, Religion oder andere Statusaktoren eine Rolle spielen. Studien zeigen, dass Menschen ein Gesicht als attraktiver bewerten, wenn sie direkten Blickkontakt zum Gegenüber haben, denn dieser aktiviert im Gehirn sowohl die für Gefühlsleben zuständige Areale wie auch die Belohnungszentren im Gehirn. Der positive Eindruck, den ein attraktives Gegenüber  hinterlässt, führt dazu, dass man die betreffende Person idealisiert, d. h., man schreibt ihr mehr positive Eigenschaften zu als realistischerweise bekannt sein können. Sich auf den ersten Blick zu verlieben hängt daher allein von der äußeren Attraktivität des Mannes oder der Frau ab, wobei zuerst das Gesicht und dann die Stimme wahrgenommen wird. Das führt auch dazu, dass große Männer als attraktiver eingestuft werden als kleine, Frauen mit Übergewicht eher Probleme haben. Bei der Liebe auf den ersten Blick ist das Gefühlserleben deshalb besonders intensiv, weil es überraschend kommt und keine Zeit bleibt, sich darauf einzustellen. Der Körper produziert in der Zeit großer Verliebtheit vor allem Serotonin und Dopamin, wodurch die Testosteronproduktion erhöht wird. Nach durchschnittlich sechs Monaten gewinnt Oxytocin gewinnt die Oberhand und dann beginnt die Zeit von Nähe und Bindung. Was man als Liebe auf den ersten Blick bezeichnet, ist demnach also eine körperliche Anziehung, die die Bereitschaft steigert, eine Beziehung einzugehen, doch damit dieses kurze Gefühl in anhaltende Zuneigung mündet, muss man einander kennen lernen. Erst wenn die Gefühle Bestand haben, nachdem der erste Eindruck einem realistischeren Bild vom anderen gewichen ist, kann man wohl von Liebe sprechen.


    Literatur

    Sternberg, R. J. (1984). Toward a triachic theory of human intelligence. Behavioral and Brain Sciences, 7, 269-287.
    Sternberg, R. J. (1986). A triangular theory of love. Psychological Review, 93, 119–135.
    Sternberg, R. J. & Grajek,  S. (1984). The nature of love. Journal of Personality and Social Psychology, 47, 312-329.
    https://www.spektrum.de/frage/gibt-es-liebe-auf-den-ersten-blick/1560830 (19-12-04)


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