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Apophänie

    Als Apophänie bezeichnet man das wahrnehmungspsychologische Phänomen, dass Menschen die Realität plötzlich als doppelbödig empfinden, wobei banale und zufällige Alltagserlebnisse, ein Gespräch mit dem Nachbarn, die Bemerkung eines Radiomoderators, ein vorbeifahrendes Auto eine tiefere, oft bedrohliche Bedeutung erhalten. Besonders im Bereich der Verschwörungstheoretiker begegnet man häufig der Apophänie, denn Ereignisse, die unabhängig voneinander und zufällig geschehen, werden miteinander verknüpft und mit einer für andere nicht nachvollziehbaren Logik erklärt, die oft als Ursache eine höhergestellte Macht behauptet wird, sei es eine Regierung, die Illuminati, Reptiloiden oder gar Außerirdische.

    Für die Betroffenen – man findet das Phänomen oft im Zusammenhang mit Wahnerkrankungen – hängt alles mit allem zusammen, alles ist verknüpft, möglicherweise Teil einer Verschwörung oder eines Komplotts. Psychologisch betrachtet hat sich die angeborene Fähigkeit zur Mustererkennung im Alltag selbstständig gemacht hat und der vom Wahn Betroffenen sieht Muster und Regelmäßigkeiten dort, wo keine sind.

    Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten Wissenschaftler diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. In der Gestalttheorie hat man eingehend  mit der Fähigkeit des menschlichen Gehirns beschäftigt, Erscheinungen aus der Umwelt zu einem Ganzen zu ordnen und ihnen eine Gestalt zu geben bzw. in der Umwelt Muster zu erkennen.

    Apophänie lässt sich auch als soziales Phänomen begreifen, denn zahlreiche Verschwörungstheorien sind nichts anderes als der Versuch, das Weltgeschehen zu deuten und dabei im Verborgenen tätige Mächte zu entlarven. Manche dieser Theorien haben einen wahren Kern, der es den Verschwörungstheorien leicht macht, sich in den Köpfen von Menschen festzusetzen.

    Ein besonders fruchtbares Feld bilden die neuen Medien, denn hier werden etwa in Filterblasen Bedrohungen phantasmagoriert, die für den naiven User oder die naive Userin immer wahrscheinlicher werden, je häufiger sie geteilt werden. Filterblasen beschreiben jenen Isolationsprozess, der durch immer mehr vorgefertigte Informationen befördert wird, da neue Informationen durch Computersysteme wie Suchmaschinen vorwiegend Informationen liefern, die auf den eigenen Interessen basieren. Eine Resonanz innerhalb eines solchen abgeschlossenen Systems entspricht dabei Watzlawicks ‘More of the same’-Phänomen, d. h., man dreht sich sozusagen immer im Kreis und ist wegen der eigenen Umgebung in einer bestimmten engen Sichtweise gefangen. So gibt es etwa glühende Verfechter von Wikipedia, die noch der Illusion anhängen, dort gäbe es objektive Informationen, die durch eine zukunftsfreudige Community bespielt werden. Tatsächlich haben sich die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die zu Beginn von der Idee noch begeistert waren, immer mehr zurückgezogen, da oft geradezu in einer Art Blockwartmentalität von ModeratorInnen verhindert wird, dass alternative Ansichten geäußert werden können. Der Vorwurf, der auch am Beginn der Entwicklung von Wikipedia stand, dass man eine demokratische Wissenskultur gegen die alten Medien etablieren möchte, wurde immer mehr zur Illusion, sodass man reumütig zu den traditionellen Informationslieferanten wie den alten Wissenschaftsverlagen zurückkehrt. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, denn auf dem schier unendlich großen Informationsmarkt treiben sich zahlreiche Raubritter herum.

    Literatur

    Conrad, K. (1958). Die beginnende Schizophrenie. Versuch einer Gestaltanalyse des Wahns. Stuttgart: Thieme.


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