In der Psychologie nannte man dieses Phänomen früher Ausdrucksbewegungen oder ideomotorische Bewegung. Wenn man sich eine Bewegung vorstellt, dann macht man oft kleine, kaum bewusste reale Bewegungen. Visuelle, akustische und somatosensorische Vorstellungen lösen beim Menschen unwillkürlich ideosensorische, ideoaffektive und ideomotorische Prozesse aus, die denen externer Stimulation oder willkürlicher Innervation entsprechen. So führt etwa die Vorstellung einer kreisförmigen Bewegung zu entsprechenden Ausschlägen eines zwischen zwei Fingern gehaltenen Fadenpendels (Chevreulsches Pendel); die Vorstellung von Wärme in der Hand wie beim autogenen Training zur Temperaturerhöhung (Dilatation der Gefäße) in dieser Region. Wenn jemand eine Wendeltreppe beschreibt, dann macht er mit seiner Hand eine entsprechende schneckenförmige Bewegung. Dieser Effekt tritt auch in der Psychotherapie auf: Die Erinnerung an eine konflikthafte Auseinandersetzung erzeugtdie damit verbundenen Emotionen, meist gebunden an spezifische Sinnesqualitäten (erinnerter Klang einer Stimme, Gesichtsausdruck, visualisierte Szene, eine Körperhaltung oder Verspannung usw.). In der Therapiesituation können solche intern generierten Muster für die Bearbeitung (Bahnung, Reizüberflutung in sensu, Dissoziation von überwertigen Komponenten, Assoziation abgespaltener unterstützender Aspekte usw.) genutzt werden.
Weitere Beispiele aus dem Alltag: Trainer von Hochspringern machen bei einem Sprung ihres Schützlings eine kleine Mitbewegung parallel zum realen Sprung mit. Der kluge Hans (Pfungst 1907/1983) war ein Pferd, das schwere Rechenaufgaben „lösen“ konnte und die Antwort mit dem Huf stampfte, wobei die Anzahl der Huftritte die fast immer richtige Antwort war. Erst nach genauer Beobachtung und Tests konnte Pfungst feststellen, dass das wirklich Pferd aufhörte, mit dem Huf zu klopfen, wenn sein Besitzer unbewusst kurz vor der richtigen Anzahl der Hufschläge die Körperspannung änderte und ganz leicht seinen Kopf bewegte. Siehe dazu im Detail [stangl] test & experiment: beispiele: intelligenzmodelle
In einem Experiment (Gordon & Rosenbaum, 1984) gab es drei Versuchsbedingungen, bei denen jeweils die Bewegungsgeschwindigkeit des rechten Arms gemessen wurde.
- Bedingung 1: „Bewegen Sie Ihren Arm so langsam wie möglich nach rechts!“
- Bedingung 2: „Halten Sie Ihren Arm ruhig!“
- Bedingung 3: „Halten Sie Ihren Arm ruhig, aber stellen Sie sich vor, eine Kraft würde von links gegen Ihren Arm drücken!“
Das Ergebnis war, dass die Probanden in Bedingung 3 eine langsamere Bewegung nach rechts machten als in Bedingung 1. Menschen können also Bewegungen machen, die real, aber so gering sind, dass sie sie selbst nicht wahrnehmen. Parapsychologische Phänomene wie Wünschelrutengehen, Tischrücken, den Muskeltest der Kinesiologen oder Ouija-Brett kann man teilweise auf diese Art und Weise gut erklären.
Kurioses: Findigen Forschern ist es jüngst gelungen, mit Gpld1 (Glycosylphosphatidylinositol specific phospholipase D1) ein Protein bei Mäusen und bei Menschen zu finden, das als molekularer Signalgeber fungiert und dem Gehirn körperliche Aktivität meldet und es zu verjüngenden Prozessen anregt. Somit muss man, wenn man seinem Gehirn etwas Gutes tun und Nerven und Gedächtnis fit halten will, nur eine Gehirnverbesserungspille mit diesem Protein einwerfen.
Bewegungsplanung und Bewegungsausführung
Geplante und tatsächliche Bewegungen bzw. deren neuronale Aktivität sind im Gehirn schwer zu unterscheiden, denn beide äußern sich über sehr ähnliche neuronale Signale. Eriksson et al. 2021) haben eine neue Methode entwickelt, diese Impulse genauer zu differenzieren, und auch nachzuvollziehen, wie eine geplante Bewegung an der unmittelbaren Ausführung gehindert wird. Man zeichnete dabei die Aktivität einzelner Neuronen von Nagetieren in mehreren motorischen Arealen auf, und zwar während sich die Tiere frei bewegen, wobei sich zeigte, dass im sensomotorischen Cortex die neuronalen motorischen Planungsprozesse mit langsamerer Dynamik ablaufen als die bewegungsbezogenen Reaktionen. Bewegungsplanung und -ausführung entwickeln sich demnach im Gehirn gleichzeitig, aber auf unterschiedlichen Zeitskalen. Während also das Ausführen von Bewegungen auf schnellen neuronalen Veränderungen beruht, basieren Bewegungspläne auf langsamen neuronalen Veränderungen, wobei diese langsameren Planungsprozesse zudem durch einen Filter an der Weiterleitung an die Muskeln gehindert werden. Daraus lässt sich ein allgemeines Modell für die motorische Kontrolle ableiten, wobei man zudem vergleichen kann, wie etwa unterschiedliche Arten von Verhalten neuronal verarbeitet werden, etwa das Bewegen des gesamten Körpers oder nur einer Hand.
Literatur
Eriksson, D., Heiland, M., Schneider, A. & Diester, I. (2021). Distinct dynamics of neuronal activity during concurrent motor planning and execution. Nature Communications, doi:10.1038/s41467-021-25558-8.
Gordon, A. M. & Rosenbaum, D. A. (1984), Conscious and subconscious arm movements: Application of signal detection theory to motor control. Bulletin of the Psychonomic Society 22, 214-216.
Hell, Wolfgang (2010). Der Sechste Sinn und die unbewusste Wahrnehmung.
WWW: http://www.gwup.org/component/content/article/999-von-schafen-und-ziegen (10-09-26)