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Erythropoietin – EPO

    Das Hormon Erythropoietin (EPO) wird von den Nieren erzeugt und regt die Bildung roter Blutkörperchen an, die für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich sind, kann jedoch auch gentechnisch hergestellt werden. Erythropoetin wirkt überall dort im Körper, wo der EPO-Rezeptor auf der Oberfläche der Zellen gebildet wird, vor allem in den Stammzellen im Knochenmark, was bewirkt, dass aus diesen Stammzellen Erythrozyten (rote Blutkörperchen) entstehen.

    Auch reagiert der menschliche Körper bei längerem Aufenthalt in hoch gelegenen Regionen in sauerstoffarmer Luft auf natürliche Weise mit der Bildung zusätzlicher roter Blutkörperchen, was beim Höhentraining zum Tragen kommt. Erythropoietin trägt im Ausdauersport zu einer Leistungssteigerung bei und steht daher auf der Dopingliste. Der analytische Nachweis einer künstlichen Zufuhr ist schwierig, weil das vom Organismus produzierte Erythropoietin nicht vom synthetischen Hormon zu unterscheiden ist. Die leistungssteigernde Wirkung hält zwei bis drei Wochen an, kann aber im Urin lediglich 48 Stunden lang zuverlässig nachgewiesen werden. Nebenwirkungen sind Blutverdickung und in weiterer Folge die Bildung von Blutgerinnseln, wobei als Maß für die Zähflüssigkeit des Blutes der Hämatokrit-Wert dient, der den Anteil von zellularen Bestandteilen im Verhältnis zum Gesamtvolumen angibt.

    Sauerstoffmangel im Gehirn ist eigentlich ein absoluter Notstand und kann Nervenzellen dauerhaft schädigen, dennoch gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass ein gewisses Maß davon auch ein wichtiges Signal für Wachstum sein kann. Man hat an Mäusen gezeigt, dass eine geistig und körperlich fordernde Tätigkeit nicht nur einen lokalen, sondern einen gehirnweiten Sauerstoffmangel auslöst, wobei dieser, wenn auch in abgeschwächter Form, ähnlich sich dem Entzug von Sauerstoff aus der Atemluft ist. Die Sauerstoffknappheit aktiviert unter anderem den Wachstumsfaktor Erythropoietin, der dann die Bildung neuer Synapsen und Nervenzellen anregt, sodass dieser Mechanismus erklären könnte, warum sich körperliches und mentales Training bis ins hohe Alter positiv auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns auswirken können. Um die Mäuse geistig und körperlich zu fordern, ließ man sie über mehrere Tage hinweg in besonders präparierten Laufrädern rennen, wobei sich in diesen Rädern die Tiere neben der körperlichen Anstrengung auch konzentrieren mussten, um nicht zu stolpern. Als Vergleichsgruppen dienten Mäuse, die keinen Zugang zu einem Laufrad hatten, sowie Mäuse, die sauerstoffarmer Luft ausgesetzt waren. Tatsächlich hatte das Laufradtraining ganz ähnliche Auswirkungen wie die Verringerung des Sauerstoffgehalts in der Atemluft, denn in beiden Fällen änderte sich die Aktivität vieler Gene ähnlich und im gesamten Gehirn trat leichter Sauerstoffmangel auf. Große Unterschiede gab es jedoch zwischen verschiedenen Zelltypen, denn so waren Gliazellen besonders betroffen, Neurone hingegen nur wenig. Zudem war das Epo-Gen im Gehirn zusammen mit einer Reihe anderer Gene bei geistiger und körperlicher Aktivität besonders aktiv. Nun plant man Studien, in denen Menschen in ähnlichen Situationen etwa auf einem Laufrad Sauerstoffmangel zeigen.

    Wakhloo et al. (2020) haben ebenfalls bestätigt, dass geistige Herausforderungen in den Nervenzellen des Gehirns einen leichten Sauerstoffmangel (funktionelle Hypoxie) auslösen, was die Produktion von Erythropoietin und seinen Rezeptoren in den aktiven Nervenzellen anregt, wodurch aus benachbarten Vorläuferzellen neue Nervenzellen gebildet werden, wodurch sich die Zellen auch effektiver miteinander verbinden. Am Mausmodell konnte gezeigt werden, welcher körpereigene Mechanismus dieser höheren Leistungsfähigkeit des Gehirns zugrunde liegt. Man fand, dass erwachsene Mäuse nach der Gabe von Erythropoietin zwanzig Prozent mehr Nervenzellen in der Pyramidenschicht des Hippocampus bildeten, also jener für Lernen und Gedächtnis entscheidende Hirnregion. In einer Reihe gezielter Experimente konnten sie auch belegen, dass Nervenzellen beim Lernen komplexer motorischer Aufgaben mehr Sauerstoff benötigen, als ihnen normalerweise zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende leichte Sauerstoffmangel liefert in den Nervenzellen das Signal zur vermehrten Erythropoietin-Produktion, wobei es sich hierbei um einen selbstverstärkenden Prozess handelt: Geistige Anstrengung führt zu leichter Hypoxie, der wiederum die Produktion von Erythropoietin und seinen Rezeptoren in den entsprechend aktiven Nervenzellen anregt. Erythropoietin steigert anschließend die Aktivität dieser Nervenzellen, bewirkt die Bildung neuer Nervenzellen aus benachbarten Vorläuferzellen, und erhöht deren komplexe Vernetzung, um auf diese Weise zu der bei Mensch und Maus messbaren Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit zu führen.

    Literatur

    Wakhloo, Debia, Scharkowski, Franziska, Curto, Yasmina, Javed Butt, Umer, Bansal, Vikas, Steixner-Kumar, Agnes A., Wüstefeld, Liane, Rajput, Ashish, Arinrad, Sahab, Zillmann, Matthias R., Seelbach, Anna, Hassouna, Imam, Schneider, Katharina, Qadir Ibrahim, Abdul, Werner, Hauke B., Martens, Henrik, Miskowiak, Kamilla, Wojcik, Sonja M., Bonn, Stefan, Nacher, Juan, Nave, Klaus-Armin & Ehrenreich, Hannelore (2020). Functional hypoxia drives neuroplasticity and neurogenesis via brain erythropoietin. Nature Communications, 11, doi:10.1038/s41467-020-15041-1.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Erythropoetin (14-08-12)
    https://www.mpg.de/14569809/epo-sauerstoffmangel (20-03-12)
    https://www.mpg.de/16392292/sauerstoffmangel-gehirn (21-02-12)


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