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extrazelluläre Matrix

    Im Gehirn sind für die Verarbeitung von Sinneseindrücken nicht nur die Nervenzellen wichtig, sondern auch der Raum zwischen den Zellen spielt eine Rolle, wobei in erwachsenen Gehirnen extrazelluläre Matrixstrukturen (kurz die extrazelluläre Matrix) den Informationsaustausch der Nervenzellen modulieren. Diese extrazelluläre Matrix bilden Neuronen im erwachsenen Gehirn, die die Hirnfunktionen eines Areals wesentlich mitbestimmt, da sie sich wie eine Art Netz schützend um die synaptischen Kontaktstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen legt und neuronale Schaltkreise stabilisiert, wodurch Gedächtnisinhalte konserviert werden, was eine grundlegende Voraussetzung für die Langzeitspeicherung von Erinnerungen bildet. Eine solche Stabilisierung geht jedoch auf Kosten der Freiheitsgrade beim flexiblen Umgang mit bestehenden Gedächtnisinhalten und ist bei notwendigen kognitiven Umlernprozessen hinderlich. Die extrazelluläre Matrix setzt sich dabei aus Grundsubstanz und Fasern zusammen, wobei das Verhältnis der Grundsubstanz zum Faseranteil je nach Lokalisation ebenso wie der Anteil der extrazellulären Matrix am Gewebe insgesamt schwankt, bedingt durch dessen jeweilige Funktion.

    Werden solche Matrixstrukturen aufgebrochen, kommunizieren die Zellen stärker miteinander, und zwar auch über weite Entfernungen hinweg, wie El-Tabbal et al. (2021) gezeigt haben, und nun auch vermuten, dass dieser Mechanismus erst das Lernen im Gehirn eines Erwachsenen ermöglicht. Während das Gehirn reift, bildet sich zwischen den Zellen eine stabilisierende Gelstruktur aus Proteinen und Zuckermolekülen, die wie ein Korsett wirkt und verhindert, dass sich die Zellen im ausgereiften Gehirn wild neu vernetzen. Man hat an Wüstenrennmäusen untersucht, wie die Verarbeitung von Sinnesinformationen durch diese extrazelluläre Matrix beeinflusst wird, indem man den Tieren Töne vorgespielt und dabei die Aktivität vieler Tausender Nervenzellen in der Hörrinde gemessen hat. Dabei werden nah benachbarte Nervenzellen aktiv, wenn zwei Tonhöhen sich ähneln, und weit entfernte Nervenzellen feuern, wenn die Töne sich deutlich unterscheiden. Die extrazelluläre Matrix zwischen den Nervenzellen sorgt nun dafür, dass die Nervenzellen in der Hörrinde erwachsener Tiere stärker mit ihren nahen Nachbarn als mit weit entfernten Nervenzellen kommunizieren, d. h., dieses enge Korsett zwischen den Zellen erfüllt die wichtige Funktion, Verbindungen zu stabilisieren, die sich im Laufe der frühen Erfahrungen gebildet und als sinnvoll erwiesen haben. Dadurch limitieren sie auf der anderen Seite aber auch das Bilden neuer Verbindungen, d. h., sie limitieren Lernprozesse im erwachsenen Gehirn. Als man in dem Versuch mittels einer lokalen Injektion eines Enzyms die Matrix-Strukturen zwischen den Nervenzellen in der Hörrinde reduzierte, ohne dabei die Zellen oder ihre Kontaktstellen zu schädigen, konnte man beobachten dass allein die Verringerung der stabilisierenden Matrix zwischen den Zellen dafür sorgte, dass die Kommunikation von vielen Nervenzellen auch über größere Distanzen im Gehirn gefördert wird. Bei Lernprozessen können also auch wieder mehr Nervenzellen aus weiter entfernt liegenden Bereichen neu verschalten werden, ähnlich, wie dies in jungen Gehirnen passiert. Man vermutet nun, dass auch im Gehirn von Erwachsenen diese Matrix-Strukturen bei Lernprozessen zumindest teilweise abgebaut werden können. Dabei spielt Dopamin eine wichtige Rollen, denn dieser Botenstoff aktiviert körpereigene Enzyme, die die extrazelluläre Matrix im Hirn teilweise abbauen. Nach dem Lernen werden diese wieder aufgebaut, um auch neu Gelerntes langfristig abzuspeichern und zu stabilisieren. Durch die richtige Balance der Molekülketten zwischen den Nervenzellen scheint das Gehirn also beides zu bewerkstelligen, einerseits Stabilität von bereits Gelerntem und andererseits Flexibilität für neu Gelerntes.

    Literatur

    El-Tabbal, Mohamed, Niekisch, Hartmut, Henschke, Julia U., Budinger, Eike, Frischknecht, Renato, Deliano, Matthias & Happel, Max F. K. (2021). The extracellular matrix regulates cortical layer dynamics and cross-columnar frequency integration in the auditory cortex. Communications Biology, doi:10.1038/s42003-021-01837-4.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Extrazellul%C3%A4re_Matrix (13-11-21)


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