Zum Inhalt springen

selektiver Mutismus

    Selektiver Mutismus ist eine psychische Störung, bei der die sprachliche Kommunikation vor allem von Kindern stark beeinträchtigt ist, d. h., Kinder sprechen nur mit auserwählten Personen oder in bestimmten Situationen. Selektiver bzw. manchmal auch elektiver Mutismus kennzeichnet demnach das Verhalten eines Kindes, das zwar fähig ist zu sprechen, aber in spezifischen Situationen oder bestimmten Personen gegenüber stumm bleibt, was jedoch nicht bedeutet, dass selektiv mutistische Kinder sich aus Trotz weigern, zu sprechen, sondern sie sind meist angstbedingt nicht in der Lage, sich mit Worten zu äußern. Mutismus zeigt sich oft in Verbindung mit ausdrucksloser Mimik (freezing), starren Lippen, steifem Körper und fehlendem Blickkontakt, wobei auch das gesamte Ausdrucksverhalten stark beeinträchtigt ist, denn sobald davon betroffene Kinder angesprochen werden, senken sie den Kopf zu Boden und wenden sich vom Gesprächspartner ab, lachen, weinen oder husten fast lautlos.

    Es gibt im Durchschnitt mehr mutistische Mädchen als Knaben, wobei mutistische Kinder normal intelligent sind und sich kompensatorisch häufig durch sehr gute schriftliche Leistungen auszeichnen. Kinder mit Mutismus haben auf Grund ihrer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit häufig Schwierigkeiten, Kontakte zu knüpfen und Anschluss zu finden, wobei durch die fehlende Versprachlichung von wichtigen Begriffen und Zusammenhängen auch der Lernzuwachs in der Schule beeinträchtigt sein kann. Mutismus tritt häufig in Zusammenhang mit Zweisprachigkeit auf.

    Für einige Kinder scheint selektiver Mutismus eine adäquate Art zu sein, mit der Welt zurechtzukommen, denn sie haben nur eine geringe Selbstwirksamkeitserfahrung bezüglich ihrer Kommunikationsfähigkeiten. Einige gehen davon aus, dass selektiver Mutismus bei einigen Kindern auf Grund angeborener Risikofaktoren entsteht, andere vermuten durch die Umstände des selektiven Mutismus eher ein erlerntes Verhalten.

    Im Umgang mit einem mutistischen Kind sollte man sich der besonderen Situation angepasst verhalten, wobei man das Kind immer dann loben und belohnen sollte, wenn man es in irgendeiner Situation sprechen hört. In keinem Fall sollte man Druck ausüben und in jedem Fall geduldig bleiben, wobei man ein mutistisches Kind niemals dazu zwingen darf, zu sprechen oder den Augenkontakt zu halten, denn damit verstärkt man nur die Angst, was zu einer Chronifizierung der Störung beitragen kann.

    Ein selektiver Mutismus, der beim Schuleintritt begonnen hat, verschwindet meist in einigen Monaten von selbst. Man schätzt, dass mindestens sieben von tausend Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter an einer Sprechhemmung leiden, wobei Mutismus aber oft mit Schüchternheit verwechselt wird, sodass die Dunkelziffer vermutlich wesentlich höher ist. Schüchterne Kinder sind in ungewohnten Situationen gehemmt, doch im Gegensatz zu mutistischen Kindern entscheiden sie sich aber bewusst für die Zurückhaltung, während Kinder mit selektivem Mutismus unbewusst auf stumm schalten. Zuhause sprechen mutistische Kinder oft extrem viel, als hätten sie Nachholbedarf, sodass Eltern oft überrascht sind, wenn sie von LehrerInnen oder ErzieherInnen erfahren, dass ihr Kind selbst auf direkte Ansprache nicht reagiert. Häufig wird dahe diese Sprechblockade deshalb nicht oder erst sehr spät entdeckt, weil sich die Kinder zu Hause vollkommen normal verhalten. Mit Eltern, Geschwistern oder anderen engen Bezugspersonen reden sie besonders viel und zwanglos, als müsste die Sprachlosigkeit in der fremden Außenwelt kompensiert werden. Doch wenn Menschen zu Besuch kommen, die das Kind nicht oder kaum kennt, verstummt es schlagartig, zieht sich zurück und verkriecht sich im eigenen Zimmer, wodurch dieses Verhalten oft falsch interpretiert wird. Manche denken, dass das Kind schüchtern, trotzig, unfreundlich oder einfach schlecht erzogen ist, wobei Eltern  dann oft die Schuld bei sich selbst suchen.

    Therapie bei selektivem Mutismus

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Brand (2009) ist der Ansicht, dass für einen therapeutischen Erfolg bei Kindern ein realistisches Bewusstsein für die eigenen Möglichkeiten zu fördern ist, wobei selbstbehauptende, aber kooperative Formen der eigenen Darstellung und Auseinandersetzung entwickelt werden müssen, aktive Formen der Auseinandersetzung mit Anforderungen gefunden werden müssen und auch den Eltern dabei geholfen werden muss, bei ihrem Kind dessen Möglichkeiten und Grenzen realistisch zu betrachten. Dabei muss für die Kindern und Jugendlichen aber auch den Eltern Schweigen neu definiert werden, denn weniger ist das Nichtsprechen wichtig, sondern das Mitteilen sollte im Mittelpunkt stehen, das kann in einer Therapiegruppe auch zunächst ohne Worte gelingen. Denn durch diesen Ansatz kommen die schweigenden Kinder und Jugendlichen zunehmend in eine Rolle mit eigener Verantwortlichkeit, aber auch die Eltern können Verantwortung abgeben und haben die Möglichkeit, ihr Kind mehr von außen zu betrachten. Neu ist auch für viele schweigende Kinder, dass sie, abgesehen von der Möglichkeit, sich ohne Worte mitzuteilen, nun keine Sonderstellung mehr haben, sondern eben eine andere Form der Mitteilung besitzen. Vorteile der Gruppentherapie sind dabei, dass die Peer-Gruppe mit ähnlicher Symptomatik ein Wir-Gefühl erzeugt, die Betroffenen keine Sonderstellung mehr im Umfeld haben und damit die Angst vermindert wird, Peers als Modelle dienen können, so dass spontane Verhaltensänderungen möglich werden, soziales und kommunikatives Lernen in ungezwungenen Situationen möglich wird. Auch kann in der Gruppe die Übernahme neuer Rollen geprobt werden, wobei die Rückmeldungen der Peers ein verändertes Selbstbild ermöglichen.

    Selektiver Mutismus bei Erwachsenen: Therapiemöglichkeiten

    Die Behandlung eines selektiven Mutismus bei Erwachsenen richtet sich nach den spezifischen Begleiterkrankungen bzw. Ursachen der Störung, d.h. der therapeutische Ansatz muss individuell auf die Bedürfnisse des einzelnen Betroffenen abgestimmt werden, da manche zusätzlich an einer sozialen Phobie, andere an einer Depression oder einer generalisierten Angststörung leiden. Psychotherapie ist eine der wichtigsten Maßnahmen, wobei vor allem die kognitive Verhaltenstherapie die wirksamste und am häufigsten angewandte Therapieform darstellt. In manchen Fällen ist zusätzlich eine medikamentöse Therapie erforderlich.


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Inhaltsverzechnis