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Berufswahl

    1. Definition
    Bei der Berufswahl handelt es sich nicht um eine einmalige Entscheidung, sondern um einen Prozess, durch den der Einzelne zu einer beruflichen Position kommt (Kohli, 1973, S. 6).
    2. Definition
    Die Berufswahl ist ein Prozess, in dem sich der Einzelne für ein Berufsfeld entscheidet, für die zugehörigen Positionen qualifiziert und, oft mehrfach im Arbeitsleben, um eine dieser oder auch anderer Positionen bewirbt (Fuchs, 1978, S. 101).
    3. Definition
    Die Wahl eines Berufes ist kein Ereignis, das an einen bestimmten Lebensabschnitt gebunden ist. Sie involviert vielmehr Handlungsvorgänge, die sich über das gesamte berufstätige Leben erstrecken. Vom entwicklungspsychologischen Standpunkt aus handelt es sich um ein Spannungsverhältnis zwischen Assimilations- und Akkommodationsmechanismen im Sinne von Jean Piaget (1945) (Stauffer, 1981, S. 379).
    4. Definition
    Beruf: „eine Tätigkeit in einem bestimmten Aufgabenbereich, mit der man seinen Lebensunterhalt verdient und zu der man meist eine spezielle Ausbildung braucht >ein technischer, kaufmännischer Beruf; einen Beruf erlernen, ergreifen, ausüben, wählen; einem Beruf nachgehen; den Beruf wechseln; keinen festen Beruf haben<“ (vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie, © 2009 Microsoft Corporation).
    Wahl: „die Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten < eine Wahl reffen; die Wahl haben zwischen verschiedenen Dingen; vor der Wahl stehen; jemanden vor die Wahl stellen, ob …; die Wahl fällt jemandem schwer>“ (vgl. Microsoft Encarta Enzyklopädie, © 2009 Microsoft Corporation).
    5. Definition
    So wird z.B. der relativ klar und eindeutig anmutende Begriff „Berufswahl“ in der vorliegenden Literatur nicht einheitlich verwendet, die einzelnen Autoren verstehen darunter z. T. sehr Unterschiedliches:
    • den Beruf, in den das Individuum eingetreten ist, d. h. die Berufseinmündung;
    • die Wahl (choice), d. h., was ein Individuum am liebsten tun möchte;
    • den Wunsch (aspiration), d.h., den „Idealberuf des Individuum“ („Phantasiewahl“, meist im Hinblick auf die Prestigeskala) (Otto Kohl, 1980, S. 12).


    Die Berufswahl, also auch die Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium, hat Auswirkungen auf die Persönlichkeit von Menschen, denn so waren in Deutschland etwa Jugendliche, die nach der zehnten Klasse in das Arbeitsleben einsteigen, gewissenhafter als jene, die weiter zur Schule gingen. Man erklärt dies damit, dass Auszubildende eine Umwelt erleben, in denen es klar definierte Anforderungen und strengere Verhaltensregeln als in der Schule gibt und die Zuverlässigkeit Einzelner für das gesamte Team wichtig sind. Die Ergebnisse der Langzeitstudie (Golle et al., 2018), bei der Jugendliche zunächst zum Zeitpunkt der Entscheidung für eine weiterführende Schule oder berufliche Ausbildung und dann sechs Jahre später befragt wurden, zeigen erneut die Bedeutung der Lernumgebung auf die Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen auf, und zwar auch jenseits der erworbenen berufsspezifischen Fähigkeiten. Jugendliche, die sich für eine Ausbildung entschieden hatten, interessieren sich nach sechs Jahren aber weniger für forschende Tätigkeiten, zum Beispiel in einem Labor zu arbeiten oder Sachverhalte zu beobachten und zu analysieren, auch zeigten sie weniger Interesse an sozialen Tätigkeiten, wie sich um andere Menschen zu kümmern oder sie zu unterrichten. Das gleiche gilt für unternehmerischen Tätigkeiten, wie etwa ein Team zu führen oder mit anderen zu verhandeln, was in vielen Fällen nicht im Interesse der jeweiligen Arbeitgeber liegen dürfte. Keine Unterschiede zeigten sich bei Persönlichkeitsmerkmalen wie emotionale Stabilität, Verträglichkeit oder Offenheit.


    Wie Jugendliche die Berufswahl erleben

    Das Meinungsforschungsinstitut iconkids & youth hat 2022 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in Deutschland eine repräsentative Untersuchung bei Jugendlichen durchgeführt, wobei 1.666 repräsentativ ausgewählte 14- bis 20-Jährige mittels Face-to-Face-Interviews in Privathaushalten in Deutschland befragt wurden.

    Die Mehrheit aller Jugendlichen (53%) findet sich in den vielfältigen Informationen zum Thema Berufswahl nur schwer zurecht, 37% der Befragten schätzen die Unterstützung bei ihrer beruflichen Orientierung als ausreichend ein. Wenn es um die Suche nach dem passenden Beruf geht, ist nur ein Viertel der Jugendlichen davon überzeugt, dass es genügend Informationen zur Berufswahl gibt, und man sich darin auch gut zurechtfindet. Demgegenüber sind 53% der Jugendlichen mit dem Informationsangebot überfordert. Immerhin weiß etwas mehr als jede bzw. jeder zweite Jugendliche (56%) „sehr gut“ oder zumindest „eher gut“ über den angestrebten Beruf Bescheid. Die wichtigsten Informationsquellen sind für die Hälfte der 14- bis 20-Jährigen (48%) Gespräche mit Lehrern, Ausbildern und Berufsberatern. Erst dann folgen mit 40% Informationen, die sie sich selbst anlesen und mit ebenfalls 40% Praktikumsplätze. Die wichtigsten Unterstützer bei der Berufswahl sind für drei Viertel (73%) der jungen Menschen nach wie vor die Eltern. Danach folgt die Schule bzw. Lehrerinnen und Lehrer mit 55%. Die Berufsberatung der Arbeitsagentur landet hier mit 36% nur auf dem vierten Platz, noch hinter der Unterstützung durch das Internet (48%).

    Bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung wurden nur 61% der Befragten von den Eltern unterstützt. Hier ist der Anteil derer, die sich durch die Berufsberatung der Arbeitsagentur unterstützt sehen, mit 51% deutlich höher. Wenn Eltern bei der Berufswahl nicht helfen können, werden also die Gesprächs- und Beratungsangebote der Schule und der Bundesagentur verstärkt genutzt. 25% der Jugendlichen mit niedriger Schulbildung sagen, dass sie sich nicht gerne mit dem Thema Berufsorientierung beschäftigen, d. h., dass diejenigen Jugendlichen, die wenig positive Erfahrung mit Berufsorientierung gemacht haben, auch ihre überfachlichen Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Tatendrang und Selbstvertrauen kritischer bewerten.

    Literatur

    Fuchs, W. (1978). Lexikon zur Soziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
    Golle, J., Rose, N., Göllner, R., Spengler, M., Stoll, G., Hübner, N., Rieger, S., Trautwein, U., Lüdtke, O., Roberts, B., & Nagengast, B. (2018). School or work? The choice may change your personality. Psychological Science, doi:10.1177/0956797618806298.
    Kohl, O. (1980). Berufliche Entscheidung und berufliche Laufbahn. In Grüner, G. (1980). Darmstädter Beiträge zur Berufspädagogik. Darmstadt: Leuchtturm Verlag.
    Kohli, M. (1973). Studium und berufliche Laufbahn. Stuttgart: Enke.
    Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2009 © 1993-2008 Microsoft Corporation.
    Stauffer, E. (1981). Berufswahl als Produkt von Eignung und Neigung. In Stoll, F. (1981). Die Psychologie des 20. Jahrhunderts XIII Anwendungen im Berufsleben. Zürich: Kindler Verlag.
    https://www.kyffhaeuser-nachrichten.de/news/news_lang.php?ArtNr=312910 (22-07-14)


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