Zum Inhalt springen

confirmation bias

    Der Begriff BestätigungsfehlerBestätigungs-Irrtum, Bestätigungstendenz bzw. confirmation bias bezeichnet in der Kognitionspsychologie die Neigung von Menschen, Informationen so auszuwählen, zu suchen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen bestätigen. Dabei werden  Informationen ausgeblendet, die eigene Erwartungen widerlegen könnten, sodass man einer Selbsttäuschung oder einem Selbstbetrug erliegt. Dieser Confirmation Bias bewirkt etwa bei Entscheidungen, dass man nur nach jenen Gründen sucht, die die eigene Entscheidung bestätigen. Der confirmation bias ist ein wesentlicher Aspekt der selektiven Wahrnehmung.

    Ursache für diese Bestätigungstendenz ist auch das menschliche Gehirn, das die Tendenz hat, neue Informationen immer so zu interpretieren, dass sie bestehende Vorannahmen unterstützen. Die Gründe für einen Bestätigungsfehler können an verschiedenen Stellen eines Entscheidungs- ode Urteilsprozesses entstehen. Entweder bestehen bereits starke Vorannahmen vor der Informationssuche, die man sich erst bewusst machen müsste, eine verzerrte Informationssuche, d. h., eine bewusste Suche nach Informationen, die die Vorannahmen potenziell widerlegen könnten, werden einfach ausgeblendet, eine äußerst subjektive Interpretation der Informationen ohne kritische Analyse der eigenen Interpretationen, und eine generell geringe Bereitschaft von Menschen, einmal aktualisierte Vorannahmen zu verwerfen. Der Bestätigungsfehler verlangt aber einerseits ein hohes Maß an Kreativität, andererseits offenbart man damit auch eine gehörige Portion Faulheit, denn Umdenken oder das Eingehen auf andere Meinungen ist nämlich meist anstrengend, erfordert Neugier, geistige Flexibilität und kostet mentale Energie.

    Eine permanente Quelle für den confirmation bias sind etwa Facebook, Twitter und andere Meinungsverteilungssysteme, denn dort bekommen NutzerInnen aufgrund der Algorithmen vorwiegend nur solche Nachrichten angezeigt, die ihre Meinung und Interessen spiegeln. Wenn jemand etwa denkt, dass die Kriminalität durch Flüchtlinge gestiegen ist, dann erhält er oder sie vermehrt Polizeimeldungen zu Einbrüchen und Flüchtlingskriminalität angezeigt.

    Beispiele für den Bestätigungs-Irrtum

    Das einzige Mittel, den Irrtum zu vermeiden, ist die Unwissenheit.
    Jean-Jacques Rousseau

    Hat man etwa viel Geld in ein Projekt gesteckt oder viel Arbeit investiert, und es tauchen verschiedene sowohl positive als auch negative Gerüchte über dieses Projekt auf, wird man sich eher auf die positiven Bemerkungen konzentrieren, um sich selber zu bestätigen, dass man die richtige Entscheidung getroffen hat. Diese bleiben dann auch nachhaltiger im Gedächtnis.

    Liest man etwa ein Buch, ist es in der Regel wahrscheinlicher, dass jene Passagen besonders auffallen, wenn sie Gedanken oder Meinungen wiedergeben oder wiederzugeben scheinen, die vertraut sind und die man teilt. Begegnet man beim Lesen hingegen einer Position, die der eigenen Auffassung widerspricht, neigt man dazu, sie zu übergehen, sie zu relativieren oder so zu interpretieren, dass sie irgendwie zur eigenen Sicht passt, also dass etwa der Autor oder die Autorin provozieren wollte und es eigentlich gar nicht so meint.

    Dieser Effekt erklärt auch das von manchen als übernatürliches Phänomen erklärte Gefühl, dass man sich von hinten beobachtet fühlt. Fühlt man sich nämlich von hinten beobachtet und dreht sich dann um, dann behält man jene Fälle im Gedächtnis, in denen man tatsächlich jemanden entdeckt, dessen Blick auf einen gerichtet ist und fühlt sich dadurch in seiner Vermutung bestätigt. Alle anderen Fälle, in denen niemand anwesend ist oder in denen niemand den Blick auf einen gerichtet hat, vergisst man sofort wieder. Hinzu kommt die Tatsache, dass wenn jemand einen Menschen sieht, der sich in der eigenen Blickrichtung umdreht, man diesen natürlich anschaut.

    Gegen den Bestätigungsfehler bei der Börsenspekulation

    Ein Investor an der Börse schreibt unter dem Titel „Die Gegenseite liest sich spannender“: „Mein drittes Learning in meiner Zeit als Investor ist, dass es kaum wirkliches Wissen zu Unternehmen und Aktien gibt. Wir bewegen uns in einem Bereich, den wir wirklich am ehesten als Thesen bezeichnen können. Klar: Fundamentaldaten sind irgendwie schon Fakten. Aber alles, was die Zukunft betrifft, ist irgendwo ein Modell. Als Investor neigen wir dazu, uns mit Meinungen abzugeben, die unserer ähnlich sind. Wir suchen teilweise die Bestätigung, dass wir Dinge richtig analysieren. Je erfahrener ich geworden bin, desto mehr merke ich: Die Gegenseite liest sich spannender. Ich suche inzwischen eher nach Meinungen, die konträr zu meiner sind. Manchmal, um sie als Blödsinn abzutun. Aber auch, um neue Dinge zu lernen und mir ein größeres Bild des Ganzen zu machen. Das kann dazu führen, dass ich meine Investitionsthese überdenke oder revidiere. Aber auch das gehört zum Leben als Investor dazu: Die eigene Meinung nicht zu sehr als in Stein gemeißelt anzusehen und einen gewissen Wandel zuzulassen“ (Uhr, 2024).

    Warum Menschen an Verschwörungstheorien und Götter glauben

    Der Bestätigungsfehler ist übrigens auch eine der Ursachen für Verschwörungstheorien, gegen die man mit echten Fakten meist nicht ankommen kann, denn diese treffen dabei auf den Versuch des Gehirns, sich zu schützen, in diesem Fall vor Unsicherheit, die diese andere Information auslösen könnte. Daneben liegt es bei Verschwörungstheorien auch daran, dass Menschen immer Antworten auf ihre Fragen haben wollen, und zwar, wenn möglich, einfache und die möglichst schnell. Dass sie in das Weltbild passen müssen, versteht sich von selbst. Menschen glauben Informationen also eher, wenn sie in ihr eigenes Weltbild passen, denn jede unpassende Information kann bisherigen Überzeugungen in Wanken bringen und ist daher zunächst bedrohlich. Studien zeigen auch, dass es doppelt so wahrscheinlich ist, dass man sich eine Information sucht, die mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmt als eine dissonante. Besonders stark wirkt dieser Bestätigungsfehler übrigens, wenn es um politische Ansichten oder eigene Werte geht. Vor allem online interagieren Menschen heute eher mit solchen, die dieselben Ansichten teilen wie sie selbst. Wer sich mit solchen verschwörungsmythischen Quellen zu einem Thema in den sozialen Medien informiert, gerät schnell auch bei anderen Themen in solche verschwörungsmythischen Blasen. Da im Internet bekanntlich Unmenden an Informationen verfügbar sind, ist es naturgemäß außerst einfach, wieder solche zu finden, die perfekt zum eigenen Weltbild passen. In sozialen Medien haben verschwörungsmythische Inhalte vor allem auch deshalb eine bessere Chance, weil Wahrheit und Wissenschaft meist eher langweilig sind, d. h., mit wissenschaftlichen Fakten wird meist keine gute Geschichte erzählt, wohingegen Verschwörungstheorien fast immer die besseren Narrative haebn, denn sie faszinieren mehr und sind deshalb auch attraktiver.

    Michael Shermer, Psychologe und Gründer der Skeptics Society sagte in einem Interview mit Daniela Wakonigg anlässlich der Säkularen Woche der Menschenrechte in Berlin 2018 über den Unterschied von Wissenschaft und Glauben, dass Menschen an Dinge aus emotionalen Gründen glauben, aus Gründen, die nicht auf Vernunft oder Beweisen basieren. Dass Menschen an Verschwörungstheorien glauben oder an Götter liegt vor allem am Bestätigungsfehler, jener einer kognitive Verzerrung, in der man die Art, wie man die Welt betrachtet, so formt, dass sie zu dem passt, was man bereits glaubt. „Der Bestätigungsfehler ist die Mutter aller kognitiven Verzerrungen, in denen man nach Beweisen für das sucht, von dem man überzeugt ist – und diese Beweise auch findet. Das ist sozusagen die erste Schicht. Darüber liegt als weitere Schicht eine Art allgemeiner Denkprozess, der versucht, die Welt insgesamt zu verstehen, ihr Sinn zu geben. Denn die Welt ist größtenteils ziemlich chaotisch. Es gibt viele Variablen, die ein Ereignis beeinflussen. Beliebigkeit und Zufall sind Faktoren, die wir meistens nicht wahrnehmen. Unsere Gehirne sind nicht richtig verkabelt, um große Muster zu erkennen. Sie sind eher dazu geeignet, kleine Muster zu erkennen, die etwas verstehbar machen. Besonders was Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrifft, sind Verschwörungstheorien attraktiv, weil sie einfach sind und nur einige wenige Faktoren beinhalten: Da ist irgendjemand, der im Geheimen die Strippen zieht und dafür sorgt, dass Kriege ausbrechen, dass die Wirtschaft sich in eine bestimmte Richtung entwickelt und all sowas. Aber die Wahrheit ist: So ist es nicht. Es ist viel chaotischer und komplexer. Aber wir sind einfach nicht so verdrahtet, dass wir das erkennen können.“

    Der Bestätigungsfehler im Alltag

    Der Bestätigungsfehler beeinflusst die Art und Weise, wie Menschen Informationen interpretieren, indem sie Beweisen, die ihre eigenen Überzeugungen stützen, mehr Gewicht beimessen, während Beweise, die diesen Überzeugungen widersprechen, heruntergespielt oder verworfen werden. Darüber hinaus wird die Interpretation von Informationen durch vorhandenes Wissen, eigene Werte und Gefühle beeinflusst. Dabei wirkt sich der Bestätigungsfehler auch auf das Gedächtnis aus, denn man erinnert sich eher an Informationen, die bestehende Überzeugungen bestätigen, während Informationen, die diesen Überzeugungen widersprechen, vergessen oder verzerrt erinnert werden. Dieses Phänomen kann z.B. im Rahmen der Schematheorie erklärt werden, die besagt, dass vorhandenes Wissen und damit verbundene Überzeugungen als mentaler Rahmen fungieren, der beeinflusst, wie Informationen kodiert, gespeichert und abgerufen werden. Menschen neigen im Allgemeinen dazu, Bestätigung zu suchen, da dies ihr Selbstwertgefühl stärkt, ihre Identität verteidigt und letztlich den sozialen Zusammenhalt mit Gleichgesinnten erhöht. Eine Strategie gegen den Bestätigungsfehler ist ein kritisches und offenes Umfeld, in dem bestehende Überzeugungen in Frage gestellt werden können.

    Literatur

    Nickerson, R. S. (1998). Confirmation bias: A ubiquitous phenomenon in many guises. Review of General Psychology, 2, 175–220. Doi:10.1037/1089-2680.2.2.175.
    Uhr, V. (2024, 14. Jänner). 3 wichtige Dinge, die ich in meinen 9 Jahren als Investor gelernt habe.
    WWW: https://www.aktienwelt360.de/2024/01/14/3-wichtige-dinge-die-ich-in-meinen-9-jahren-als-investor-gelernt-habe/
    https://hpd.de/artikel/warum-menschen-merkwuerdige-dinge-glauben-16193 (18-11-17)>
    https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/darum-verbreiten-sich-verschwoerungsmythen-so-leicht/ (20-09-23)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Ein Gedanke zu „confirmation bias“

    1. Theaterproduktion

      Der Confirmation Bias oder Bestätigungsfehler kann auch im Rahmen einer Theaterproduktion auftreten, wenn Menschen etwa eine Rolle zu spielen haben, die ein anderes Geschlecht hat als das der Teilnehmenden. „Auch hier ist Vorsicht geboten hinsichtlich der Reproduktion von Stereotypen durch ihre Darstellung. Eine geschlechtskonträre Rollenbesetzung läuft Gefahr, die stereotype Darstellung zu verstärken, statt sie zu durchbrechen. Der Grund hierfür liegt in der selektiven Wahrnehmung und im sogenannten Confirmation Bias. Wir alle haben stereotype Ansichten der Geschlechter verinnerlicht. Diese haben für uns auch den Nutzen der Reduktion unserer Wahrnehmung auf das vermeintlich Wesentliche. Wir können Personen anhand des Geschlechts kategorisieren und ihnen Eigenschaften zuschreiben. Im Umkehrschluss nehmen wir aber auch besonders viele Merkmale wahr, welche die Stereotype bestätigen. Dieses Phänomen heißt Confirmation Bias oder Bestätigungsfehler: „Der Begriff Bestätigungsfehler […] bezeichnet in der Kognitionspsychologie die Neigung von Menschen, Informationen so auszuwählen, zu suchen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen bestätigen“ (Stangl Lexikon 2022). Für die theaterpädagogische Praxis bedeutet das: Wir müssen damit rechnen, dass die geschlechtskonträre Darstellung stark auf Stereotypen beruht, da sie aus einer Außenperspektive geschieht und somit einem Confirmation Bias unterliegt. Wollen wir die Reproduktion von Stereotypen verhindern, muss der Confirmation Bias durchbrochen werden. Dafür brauchen wir ein Arbeitsklima, in welchem unsere Teilnehmenden (und wir) bereit sind, unsere Vorannahmen zu verwerfen (siehe 4.2 Anleitende Haltung). Die Darstellung einer Figur durch eine Person eines anderen Geschlechts führt nicht nur bei der darstellenden Person selbst zu einer Differenzerfahrung, sondern wirkt sich auch auf die Mitspielenden aus“ (Binsack, 2022, S. 17).
      Quelle: Binsack, Lena (2022). Von der Rolle – Ein theaterpädagogischer Umgang mit Geschlechterstereotypen und der Besetzung von Rollen in Bezug auf Geschlecht. Abschlussarbeit im Rahmen der Ausbildung Theaterpädagogik BuT ® an der Theaterwerkstatt Heidelberg.
      WWW: https://www.theaterwerkstatt-heidelberg.de/wp-content/uploads/2022/10/AA_Binsack_L_TP21_Geschlechterstereotypen.pdf (22-11-03)

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Inhaltsverzechnis