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Ranschburgsche Hemmung

    Die Ranschburgsche Hemmung ist eine nach dem ungarischen Psychiater Paul Ranschburg (1870–1945) benannte retroaktive (rückwirkende) Hemmung des Lernens, Behaltens und Reproduzierens (Gedächtnishemmung). Das Wort Legasthenie wurde übrigens auch von Paul Ranschburg bereits 1916 geprägt. Siehe dazu auch Wer wird Wissensmillionär?

    Ein gutes Beispiel für eine Ranschburgsche Hemmung ist übrigens das gleichzeitige Erlernen der Rechts-Links-Orientierung im Raum, mit der Kinder oft große Probleme haben. Eine mögliche Erklärung: Der Mensch ist in Bezug seine Orientierung im Raum ein egozentrisches Wesen, denn die meisten Kulturen verwenden Begriffe wie rechts, links und geradeaus, wenn sie Richtungsangaben machen, wobei der Bezugspunkt dabei immer der Sprecher ist. Daniel Haun (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig) untersuchte die Orientierungsstrategien von Menschenaffen, vierjährigen deutschen Kindern, achtjährigen Holländern, erwachsenen Holländern sowie achtjährigen und erwachsenen Mitgliedern eines Stammes in Nordnamibia. Die achtjährigen und die erwachsenen Holländer dachten auf ihre eigene Person bezogen während die Afrikaner, die Menschenaffen und vierjährigen deutschen Kinder sich an der Umgebung orientierten, d.h., die Rechts-links-Strategie ist eine kulturelle Konvention, die wir früh von unseren Eltern beigebracht bekommen. Evolutionär wäre im Menschen  jedoch vorrangig die Orientierung an der Umgebung und den Himmelsrichtungen angelegt. Das bestätigten auch Experimente an vierjährigen amerikanischen Kindern. Vermutlich ist deshalb das Rechts-links-System so problembehaftet und es ist verständlich, dass im Kindesalter  viele Eltern ihre liebe Not damit haben, ihren Kindern den Unterschied zwischen links und rechts begreiflich zu machen, wobei es oft zu Ranschburgschen Hemmungen kommt.

    Hertha Beuschel-Menze (2008) beschreibt drastisch auf einem Informationsblatt das Dilemma, in dem sich viele Kinder dabei befinden, und wie man es eigentlich richtig macht: „Jede, oder sagen wir mal fast jede, Erzieherin weiß, dass sie einem Kind nicht „rechts“ und „links“ gleichzeitig beibringen darf, sonst wird es ewig Schwierigkeiten mit der Unterscheidung haben. Sie erklärt dem Kind: „Das hier ist deine linke Hand“ (sie nimmt links, weil das beim Straßenüberqueren wichtig ist), dann malt sie auf dem Zeigefinger der linken Hand den Nagel mit Nagellack an. Und jetzt wird schön brav „links“ geübt. Am Anfang schaut das Kind noch auf den Nagel, nach kurzer Zeit weiß es ganz genau, welcher Nagel rot ist. Es braucht gar nicht mehr hinzusehen. „So, Sveni, zeig mir mal das linke Klötzchen!“ Sveni guckt oder guckt nicht und zeigt auf das linke Klötzchen. Jawohl, dies ist das linke und das nicht. Fertig! Eines Tages wird Sveni wissen, dass das, was nicht links ist, „rechts“ heißt. Aber dann macht ihr das nichts mehr aus. Sie ist sich ganz sicher. Einem Kind „rechts“ und „links“ gleichzeitig beizubringen, ist ein Verbrechen. Was dabei herauskommt, kann jede Sportlehrerin bestätigen, die auffordert: „Und jetzt drei Schritte nach rechts!“ – und zwei Schüler/innen sind immer dabei, die nach links marschieren“.

    Diese Methode beschreibt der Lern- und Gedächtnistrainer Reinhold Vogt unter „Der Trick mit dem roten Punkt: „Als mein Jüngster noch ein Kindergarten-Kind war, hatte er (…) ein interessantes Erlebnis: Alle Kinder bekamen eines Tages von der Erzieherin einen dicken roten Punkt auf den rechten Handrücken gemalt. Etwa eine Woche lang wurden die Kinder von der Erzieherin aufgefordert, ganz bestimmte Handlungen mit der rot markierten Hand, „der rechten Hand“, auszuführen. Die andere Hand (und die Bezeichnung „links“) spielten in dieser Zeit überhaupt keine Rolle. Entsprechende Aktionen gab es in dieser Einübungszeit auch mit dem rechten Auge, dem rechten Ohr, dem rechten Fuß, … So, wie mit der Zeit die rote Farbe verblasste, wurde offensichtlich die Bezeichnung „rechts“ im Gehirn der Kinder verankert.“

    Siehe dazu den Lerntipp Der Kampf der Gedankensplitter

    Quellen

    Beuschel-Menze, H.  (2008). Das Ranschburg-Phänomen, die Ähnlichkeitshemmung oder Nichts Neues von Herrn Huber.
    WWW: http://www.aol-verlag.de/aol2001/ 200_service/200_download/i101.pdf (08-02-04)
    Stangl, W. (2004). Der Kampf der «Gedankensplitter.
    WWW: https://www.stangl-taller.at/lerntipp/36/b.shtml (08-02-04)
    http://www.psychologie-heute.de/news_emotion_kognition/unser_innerer_kompass__100727.html (10-07-29)
    Vogt, R. (o.J.). Ranschburg-Phänomen / Ähnlichkeitshemmung vermeiden.
    WWW: http://www.gedaechtnistraining.biz/Lerntipps/Ranschburg.htm (14-01-06)


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