Zum Inhalt springen

Kompensation

    Kompensation in der Psychologie beschreibt einen seelischen Ausgleich von Minderwertigkeitsgefühlen, wobei die Kompensation als psychologischer Prozess sowohl bewusst als auch unbewusst ablaufen kann. Kompensation ist häufig ein Streben nach Ersatzbefriedigung, um persönliche Gefühle der Minderwertigkeit auszugleichen. Die Kompensation stellt somit ein psychisches Hilfsmittel dar, mit dem störende Symptome bekämpft werden sollen, etwa in Form von kompensatorischen Träumen, die das Gegenteil der Vorhaben, Wünsche und des Daseins des Träumenden darstellen. Kompensatorische Träume zeigen sich verstärkt bei Menschen, die ein einseitiges Leben führen und wenig Ausgleich in Richtung Wunscherfüllung haben.

    Die Kompensation kann neben den persönlichen Schwächen auch die Unerfülltheit eines Bedürfnisses ausgleichen, wie etwa das Bedürfnis nach Wertschätzung, Kontrolle, Bindung und Dazugehörigkeit. Sigmund Freud ging davon aus, dass die Abwehrmechanismen im Laufe des Lebens täglich von Menschen eingesetzt werden, wobei die Hemmung, Hinderung und Schwäche von innen kommen und unbewusst sind, etwa als Symptom von alten Traumatisierungen oder belastenden Mangelerfahrungen. Mit dem kompensatorischen Verhalten können das mangelhafte Selbstwertgefühl und die seelischen Verletzungen vorübergehend erträglicher gemacht werden.

    Nach Alfred Adler – der sich unter den Psychoanalytikern am eingehendsten mit dem Phänomen der Kompensation beschäftigt hat – neigt der Mensch dazu, sich dem bewussten Erleben psychischer Mängel dadurch zu entziehen, dass er Verhaltensweisen äußert, von denen er annimmt, dass sie ihm besondere Geltung, Überlegenheit oder Macht über andere verschaffen. Als Regel kann gelten: je größer die Minderwertigkeitsgefühle, desto stärker die erforderliche Kompensation. Es gibt grundsätzlich keine Verhaltensweise, die nicht zur Kompensation gebraucht werden kann. So kann ein Musiker auf dem Podium musizieren, um andere mit seiner Kunst zu erfreuen oder um sich im Zentrum des Interesses zu sonnen. Wenn etwa ein Mensch innere Leere verspürt, so kann er diese auch durch das ständige Verlangen nach Bewunderung ausgleichen.

    In einer Studie kam Adler zur Erkenntnis, dass ein Mensch mit Kompensationsversuchen reagiert, wenn sich das Gleichgewicht gegen den Organismus wendet. Innerhalb der Individualpsychologie nimmt man als Ursache der Kompensation ein Minderwertigkeitsgefühl des Kleinkindes an, da dieses ein unvollkommenes menschliches Wesen ist. Eine Minderwertigkeit kann auch mit einer Überlegenheit kompensiert werden. Die Themen Minderwertigkeit und Unterlegenheit tauchen laut Adler vor allem im Zuge der großen Lebensaufgaben des Menschen wie Arbeit, Liebe und Gemeinschaft auf. Mit der Bewältigung von unbewussten psychischen Konflikten geht auch die Fähigkeit zur Selbststeuerung einher.

    Häufig sind Kompensationen aber von den echten Motiven nicht zu trennen, und es ist anzunehmen, dass in fast allen Verhaltensweisen ein mehr oder weniger großer Anteil an Kompensationsbedürfnis mitschwingt. Eine erhebliche Selbsttäuschung stellt die Kompensation insofern dar, als man ihre Funktion, Minderwertigkeitsgefühle abzuwehren, oft nicht erkennt und offensichtlich auch nicht bereit ist, seine eigenen Grenzen unbefangen zu sehen und anzuerkennen. Häufig entsteht in Bezug auf die betreffenden Menschen dann der unweigerliche Eindruck, sie lebten in einer Art Scheinrealität.

    Die Kompensation zählt in der Psychoanalyse zu den wichtigsten Abwehrmechanismen, wobei die Kompensation jener Abwehrmechanismus ist, um innere Konflikte und Ängste abzumildern und bewältigen zu können. Mit der Kompensation wie auch mit den anderen Abwehrmechanismen soll das Ich vor einer neurotischen Angst geschützt werden. Mit einer Kompensation als meist unbewussten Vorgang möchte man auch bei diversen Mängeln seine Vollwertigkeit demonstrieren.

    Kompensation findet auch auf neuronaler Ebene statt

    Bei einem Hörverlust verändert sich das Gehirn und organisiert sich neu, wobei andere Sinne wie das Sehen oder der Tastsinn in den Vordergrund treten und Aufgaben des Hörens übernehmen. Dieser Wandel tritt schon früh etwa drei Monate nach Beginn einer leichten Schwerhörigkeit ein, denn während bei einem hörenden Menschen die Hörrinde ausschließlich für die Verarbeitung von Höreindrücken zuständig ist, wird diese bei einem Hörverlust nachweislich auch von den übrigen Sinnen beansprucht. Dabei ist zu erkennen, dass das Sprachverständnis umso mehr abnimmt, je mehr die anderen Sinne übernehmen. Dieser Effekt tritt vermutlich in Folge der neuen Aufgabenverteilung im Gehirn aufgrund der fehlenden akustischen Signale durch die Hörminderung ein. Die frontalen und die präfrontalen Bereiche des Gehirns werden aktiver, wenn der auditorische Input abgeschwächt wird, sodass mehr Anstrengungen zum Zuhören notwendig werden, was anscheinend eine Veränderung der cortikalen Ressourcenverteilung im Gehirn bewirkt, da das Zuhören immer aufwendiger wird. Diese Mehranstrengung durch die zusätzliche kognitive Belastung kostet Energie, sodass die davon Betroffenen schneller ermüden.

     

    Literatur

    Campbell, J & Sharma, A. (2014). Cross-modal re-organization in adults with early stage hearing loss. PLoS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0090594.
    Campbell, J. & Sharma, A. (2013). Compensatory changes in cortical resource allocation in adults with hearing loss. Frontiers Systems Neurosciience, 7, doi:10.3389/fnsys.2013.00071.
    Fellner, Richard L. (2004). Die Psychoanalyse Sigmund Freuds.
    WWW: http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/psychoanalyse/psychoanalyse.phtml (11-03-21)
    Glick, H. & Sharma, A. (2016). Cross-modal plasticity in developmental and age-related hearing loss: Clinical implications. Hearing Research, doi:10.1016/j.heares.2016.08.012.
    https://www.rtl.de/cms/gesundheitslexikon-kompensation-psychologie-4258733.html (17-11-21)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::