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Optogenetik

    Die Optogenetik ist ein relativ neues Fachgebiet der genetischen Forschung, das sich mit der Kontrolle von genetisch modifizierten Zellen mittels Licht beschäftigt. Die Optogenetik setzt dabei auf eine Kombination von Methoden der Optik und der Genetik, um bestimmte funktionelle Ereignisse in spezifischen Zellen oder lebenden Geweben an- oder abzuschalten. Dabei werden lichtsensitive Proteine auf gentechnischem Wege durch Manipulation des kodierenden Gens verändert und anschließend in bestimmte Zielzellen eingebracht. Unter Lichteinfluss ist es dann möglich das Verhalten der in dieser Weise modifizierten Zellen zu kontrollieren. Optogenetische Werkzeuge sind dabei etwa mikrobielle Rhodopsine (Sehpurpur, eines der Sehpigmente in der Netzhaut der Augen von Wirbeltieren und in den Photorezeptoren von Wirbellosen), die als genetisch kodierte Schalter fungieren und es somit erlauben, Nervenzellen gezielt durch Licht zu steuern. Die Nervenzellen lassen sich damit nichtinvasiv und mit höchster räumlicher Auflösung aktivieren, sodass die Aktivität einzelner Nervenzellen  studiert werden kann.

    Bisher hatte die Neurowissenschaft Gehirne nur beobachtet statt diese zu beeinflussen, was vor allem daran lag, dass die notwendigen Werkzeuge nicht vorhanden waren. Die Optogenetik kann das nun ändern, denn bisher verstand man die elektrische Sprache des Gehirns noch kaum, doch durch optogenetische Verfahren können künstlich Schaltmuster in ein Gehirn eingebracht werden, deren Auswirkungen es erlauben, Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Prozesse zu ziehen. So wurden etwa Fliegen genetisch so verändert, dass sie lichtempfindliche Schalter in einigen Neuronen ausgebildet haben, wobei man das Schaltmuster für Fluchtverhalten von außen mit Licht aktivieren konnte, d. h., immer wenn das Licht anging, versuchten die manipulierten Fliegen wegzufliegen. Im Gegensatz zur direkten elektrischen Stimulation von Nervenzellen, funktioniert die Optogenetik ohne operative Eingriffe und mit  höherer Präzision, denn für die Aktivierung des Fluchtverhaltens mussten nur zwei Neuronen im Fliegengehirn mit Licht manipuliert werden.

    Die Optogenetik erlaubt also eine gezielte und überaus schnelle Kontrolle exakt definierter Ereignisse in komplexen biologischen Systemen. Die Optogenetik ermöglicht etwa, spezifische Neuronen mit Licht zu stimulieren und so in Zellen in der Kultur oder im Gehirn lebender Tiere komplexe Nervennetze zu erforschen. So konnte man etwa zeigen, dass Nervenfasern, die aus der gegenüberliegenden Hemisphäre kommen, eine spezielle Gruppe von lokalen hemmenden Nervenzellen aktivieren. Diese Nervenzellen wiederum aktivieren langsam wirkende Rezeptoren, die zu einer geringeren Aktivität in den anderen Nervenzellen derselben Hemisphäre führen. Die Optogenetik ermöglicht somit die Identifikation der neuronalen Ursachen für Verhaltensweisen, sie kann die Beziehungen zwischen Neuronen offenlegen, um mechanistische Thesen zur Funktionsweise des Gehirns tatsächlich experimentell zu überprüfen.

    Die Anfänge der Technik stammen aus dem Jahr 2004, als eine Gruppe um den Stanford-Forscher Karl Deisseroth das aus der Süßwasseralge Chlamydomonas reinhardtii isolierte Gen für das Kanalprotein Channelrhodopsin (ChR2) in kultivierte Neurone einbrachte. Mittlerweile haben zahlreiche Forschergruppen die Technik weiterentwickelt und zu einem einsatzfähigen Werkzeug gemacht. Das Fachmagazin „Nature Methods“ wählte die Optogenetik zuletzt zur „Methode des Jahres 2010“.


    Beispiel für optogenetische Forschung

    Durch optogenetische Verfahren hat man jüngst künstliche Geruchseindrücke im Gehirn von Mäusen erzeugt und damit Einblicke in die neuronalen Mechanismen des Riechens gewonnen. Chong et al. (2020) sind der Frage nachgegangen, ab welchem Grad der Veränderung des Musters ein Geruch noch erkennbar ist, wobei das an Mäusen aus einer genetisch veränderten Zuchtlinie verwendet wurden, deren Gehirnzellen sich gezielt aktivieren lassen, indem sie auf feine Lichtimpulse reagieren, wodurch es möglich ist, über die Impulse im Riechkolben der Tiere künstlich das Muster einer Geruchswahrnehmung auszulösen. Man trainierte die Versuchstiere zunächst darauf, ein auf der Lichtaktivierung von sechs Glomeruli basierendes Signal mit einer Belohnung zu verknüpfen, denn wenn sie diesen Phantom-Geruch wahrnahmen, drückten sie einen Hebel und bekamen etwas zu trinken. Wenn sie den Hebel nach der Aktivierung eines anderen Satzes von Glomeruli betätigten, also nach der Simulation eines anderen Geruchs, gab es hingegen keine Belohnung. Nach dem Training veränderte man das Timing und die Mischung der Glomeruli-Aktivierung, um festzustellen, inwieweit die Mäuse die Reize noch als den Signal-Geruch interpretierten. Veränderte man das Anfangssignal innerhalb jedes geruchsbestimmenden Glomeruli-Sets, kam es zu einer 30-prozentigen Abnahme der Fähigkeit der Mäuse, das Geruchssignal als den bekannten Auslöser zu interpretieren. Die Veränderungen der letzten Glomeruli in jedem Satz führten hingegen nur zu einem Rückgang der genauen Geruchswahrnehmung um fünf Prozent. So konnte man die minimale Anzahl und Art von Reizen untersuchen, die der Riechkolben benötigt, um einen bestimmten Geruch zu identifizieren.

    Literatur

    Chong, Edmund, Moroni, Monica, Wilson, Christopher, Shoham, Shy, Panzeri, Stefano & Rinberg, Dmitry (2020). Manipulating synthetic optogenetic odors reveals the coding logic of olfactory perception. Science, 368, doi:10.1126/science.aba2357.
    https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/ phantom-riechen-fuer-die-hirnforschung/Olfaktorische Kommunikation (20-06-20)
    https://www.spektrum.de/alias/biologie/optogenetik-kurz-erklaert/1069557 (18-12-12)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Optogenetik (11-11-21)
    https://futurezone.at/science/optogenetik-gehirne-mit-licht-fernsteuern/282.563.926 (17-08-25)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/ Kommunikation-olfaktorisch.shtml (17-09-02)


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