Mimesis bezeichnet ganz allgemein und ursprünglich das Vermögen von Menschen, mittels einer Geste eine Wirkung zu erzielen. Der Begriff wird häufig mit Nachahmung übersetzt, was vor allem in der Kunst bedeutsam ist, wobei die Mimesis im Unterschied zur Imitation, der kunstgerechten Nachahmung älterer, meist antiker Werke der bildenden Kunst und Literatur, zu betrachten ist.
Aristoteles hatte in seiner Poetik die nachahmende Darstellung einer Handlung als wichtiges Merkmal jeder Literatur hervorgehoben, wobei er ein allgemein-menschlichen Bedürfnis nach Nachahmung vermutet. Nachahmung funktioniert demnach auf der Grundlage einer gewissen Ähnlichkeit (Strukturhomologie) zwischen der realen und der fiktiven Welt. Die mimetische Darstellung hat zur Folge, dass sich etwa ein Zuschauer im Theater ganz in eine dramatische Handlung einfühlen kann, d. h., er empfindet gemeinsam mit den dargestellten Personen. Durch dieses Nachahmen von Gefühlen können Menschen sogar geläutert werden, also Katharsis erleben. In erzählerischen Texten kann ein Autor durch ein mimetisches Erzählen, also die möglichst genaue Darstellung der Wirklichkeit, der Leserin bzw. dem Leser die Möglichkeit zur Identifikation mit den Figuren und der Handlung eröffnen. Nach Walter Benjamin umfasst das mimetische Vermögen des Menschen vor allem die aktive Herstellung von Ähnlichkeiten, durch die neue Erfahrungen gemacht und soziale Prozesse vorangetrieben werden können. Das mimetische Vermögen hat dabei eine phylogenetische und ontogenetische Seite und führt eine bewusste und unbewusste Seite mit sich.
Nach neueren Auffassungen darf Mimesis jedoch nicht nur als Begriff der Ästhetik verstanden werden, der primär die Nachahmung der Natur durch die Kunst bezeichnet, vielmehr ist Mimesis ein anthropologischer Begriff. Auch sollte Mimesis nicht als bloße Nachahmung im Sinne der Herstellung von Kopien verstanden werden, vielmehr bezeichnet Mimesis eine kreative menschliche Fähigkeit, mit deren Hilfe auch Neues entstehen kann. Mimesis bezeichnet z. B. die menschliche Fähigkeit, innere Bilder, Imaginationen, Ereignisse oder eine Handlungsfolge zur Darstellung zu bringen und wirklichkeitsnahe zu arrangieren. Auch körperlicher Ausdruck ist ein Ausgangspunkt für mimetische Prozesse, wobei mit Hilfe der Wahrnehmung eine Mimesis dieser Prozesse erfolgt, in deren Verlauf sich Angleichung und Aneignung vollziehen (siehe dazu Empathie). Mimetisches Verhalten und Handeln spielt als Fähigkeit zur Darstellung und Inszenierung von Gesten und Ritualen sowie als Fähigkeit zur Aneignung von Gesten und Ritualen eine wichtige Rolle im sozialen Leben. Zu den wichtigsten Formen sozialen und kulturellen Verhaltens und Handelns gehört dabei das mimetische Lernen, wobei damit nicht bloßes Imitieren oder Kopieren gemeint sind, sondern einen Prozess der aktiven Aneignung. In der Entwicklungspsychologie spielen mimetische Prozesse bereits in der frühesten Kindheit eine bedeutsame Rolle, denn sie ermöglichen dem Kind zunächst die Gefühlswelt anderer Menschen, später auch deren Motive und Absichten zu verstehen. Über mimetisches Handeln lernt das Kind zu wissen, wie soziale Beziehungen in seiner Kultur gelebt werden, aber auch wie es diesen Prozess selbst mitgestalten kann.